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02.04.2014

Frank Kaufmann: Energiewende in Hessen erfolgreich gestalten – EEG-Novellierung muss Rücksicht auf die hessischen Interessen nehmen

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist jetzt nicht ganz einfach, in dieser Debatte einen Beitrag zu leisten, der den Vorrednern und der Vorrednerin einigermaßen gerecht wird, denn die Kollegin Wissler hat, statt zum Thema zu reden, das große Ganze beschrieben, wie man die Welt schöner machen kann, wenn man für nichts Verantwortung trägt, während der Kollege Rentsch im Wesentlichen dargetan hat, dass sich die FDP aus jeglicher seriösen Argumentation zum Thema erneuerbare Energien mit Eifer verabschiedet hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das ist eigentlich schade. Allerdings haben die Blau-Gelben – das wissen wir schon seit dem letzten Wahlkampf – mit der Umsetzung der Energiewende gemäß den Vereinbarungen des Energiegipfels offensichtlich nicht nur ihre Probleme; nein, sie stehen ihr geradezu feindlich gegenüber, denn sie bemühen sich mit großem Eifer, in Hessen die Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer elektrischer Energie zu desavouieren und ihre Einrichtung möglichst zu verhindern. Genau das hat uns der Herr Kollege Rentsch auch heute deutlich gemacht, indem er seinen Kampf gegen die Windräder wiederholt hat.

Meine Damen und Herren, wir erinnern uns: Damals war der Kollege Rentsch der für den Landesentwicklungsplan zuständige Minister. Im Landesentwicklungsplan sind bestimmte Regeln festgehalten worden, nach welchen Kriterien bevorzugte Standorte und Vorrangflächen ausgewählt werden sollen. Kaum war das so beschlossen, war Herr Rentsch der Allererste, der gegen diese Regeln polemisiert und ihre Änderung verlangt hat. So viel zur Solidität der Argumente des Kollegen Rentsch und der FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verehrter Herr Rentsch, Sie haben Ihre Rede mit der Feststellung begonnen, Sie wollten sich an die Seite stellen, um das Ganze zu betrachten. Ich kann nur sagen: Sie haben sich ins Abseits gestellt und deutlich gemacht, dass Sie offensichtlich von Sachkenntnis nicht getrübt sind. Ihre mehr oder minder rhetorische Frage, warum ausgerechnet die erfolgreichste Industrienation auf dem Kontinent Europa die Energiewende durchführen sollte – so haben Sie sinngemäß gefragt –, kann ich Ihnen kurz wie folgt beantworten: Wer sollte es denn sonst machen? Wenn nicht eine erfolgreiche Industrienation mit gutem Beispiel vorangeht, wer denn sonst? Wir haben dabei die Chancen für die Industrie und für die Dienstleister noch gar nicht erwähnt, die entstehen, wenn man die Energiewende gut macht. Vielleicht kommen Sie, Herr Rentsch, aber auch zu dem Schluss, man lässt die Energiewende am besten bleiben, denn was interessiert Sie die Entwicklung des Klimas auf der Welt. Da sind wir in der Tat grundsätzlich anderer Meinung als Sie. Hier ist viel Arbeit notwendig, und hier ist dringend angezeigt, dass wir vorankommen, weil wir sonst die Zukunft unseres Planeten massiv gefährden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor dem Hintergrund nimmt es nicht Wunder, dass Sie, Herr Rentsch, in der letzten Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung der Einzige waren, der den gemeinsamen Antrag der Regierungsfraktionen abgelehnt hat. Die anderen Fraktionen haben sich enthalten. Unser Antrag ging ihnen entweder nicht weit genug, oder er war ihrer Meinung nach nicht an allen Stellen richtig akzentuiert, aber sie haben mit der Enthaltung das Bekenntnis abgelegt, dass man auf dem Weg der Energiewende gemeinsam vorankommen will. Das habe ich als positiv empfunden. Der Einzige, der an dieser Stelle wieder daneben bzw. im Abseits stand, waren Sie von der FDP-Fraktion.

Meine Damen und Herren, gestern Abend bzw. gestern Nacht – ich weiß nicht genau, Herr Ministerpräsident, wie spät es geworden ist –,

(Ministerpräsident Volker Bouffier: 22:30 Uhr!)

um 22:30 Uhr – das ist ja fast noch zivil zu nennen –, ist das Gespräch der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten zu Ende gegangen. Wir haben eingangs der Debatte aus dem Munde des Ministerpräsidenten kurz die Ergebnisse mitgeteilt bekommen. Für uns – das will ich unterstreichen – ist das wesentlichste positive Signal dieser Verabredung der erkennbare gemeinsame politische Wille, die Energiewende zu einem Erfolg zu führen – und eben nicht abzuwürgen, wie Sie von der FDP-Fraktion es ja unablässig fordern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wie immer bei Kompromissen ist nicht alles prima. Aus grüner Sicht mussten Abstriche gemacht werden. An manchen Stellen hätten wir uns eine stärkere Berücksichtigung der bisherigen Planungen und mehr Vertrauensschutz beim Übergang zu erneuerbaren Energien gewünscht. Das ist auch von anderen Rednern schon erwähnt worden. Festzuhalten ist aber doch, dass es jetzt klare Planungsgrundlagen und somit eine Investitionssicherheit gibt, die allerdings – das will ich hinzufügen – stabil bleiben muss. Die Berliner Vereinbarungen haben – das ist ein weiterer gewichtiger Vorteil – die Kostendynamik gebrochen, von der alle Beteiligten eigentlich wussten, dass wir sie so nicht weiterlaufen lassen konnten. Wir stellen uns jetzt in Hessen – wie es sicher auch in anderen Bundesländern geschieht – der Herausforderung, dass wir sowohl in verfahrensmäßiger als auch in technischer Hinsicht die Effizienz im Prozess der Umsetzung der erneuerbaren Energien deutlich steigern müssen. Das ist unsere Aufgabe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vor diesem Hintergrund kann ich versichern, dass sich die Koalition aus CDU und GRÜNEN von den Störmanövern der FDP überhaupt nicht beeindrucken lässt, sondern dass wir im Gegensatz dazu das, was wir in der Koalition festgelegt haben, engagiert und mit Nachdruck weiterhin betreiben und dass wir uns ganz eindeutig zu den Ergebnissen des Energiegipfels bekennen. Unter den jetzt in Berlin ausgehandelten Rahmenbedingungen wollen wir als Koalition an der Erreichung des ehrgeizigen Ziels erfolgreich arbeiten, bis 2050 den gesamten Energiebedarf – einschließlich der das Heizen benötigten Energie – aus regenerativen Energiequellen zu decken. In einem ersten Schritt – das ist bekanntlich immer der schwierigste – wollen wir bis zum Ende dieser Legislaturperiode den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung im Land verdoppeln. Dazu trägt die Windkraft im Binnenland wesentlich und kostengünstig bei. Das ist auch der Hintergrund des berühmten, im Landesentwicklungsplan enthaltenen 2-Prozent-Ziels.

Es ist schon aus der Schilderung des Ministerpräsidenten deutlich geworden, dass dieses Ziel durch die Vereinbarung in Berlin ein Stück leichter zu erreichen ist, als es im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung aussah. Das ist noch nicht perfekt, aber gerade der Aspekt des Repowering und der Übergang vom Brutto- zum Nettoprinzip sind ein ganz wichtiger Schritt, der uns helfen wird.

Ich komme noch einmal auf das zurück, was die FDP betreibt. Ein bisschen denkt man dabei an Don Quichotte. Kollege Rentsch und Kollege Rock, das dauernde Anrennen gegen die Windmühlenflügel – das wissen Sie selbst aus dem Roman – zeigt doch nichts weiter, als dass Sie eine eher trostlose Truppe anführen. Die armselige Verbohrtheit ist offenkundig das Leitmotiv.

Das war bei Don Quichotte so, und das ist bei Ihnen so: Immer geht es ausschließlich um die eigene Bedeutsamkeit – d. h. bei der FDP um das parteieigene Sein, also um die eigene Existenz. Es geht Ihnen aktuell, wie im Wahlkampf, weder ernsthaft um die Rettung des Taunuskamms, noch geht es Ihnen um eine reale Gefahr der Desindustrialisierung Hessens.

Wenn man sich das wunderbare Vergleichsbeispiel Vereinigte Staaten ansieht, erkennt man an den Zahlen: Bei uns ist die Industrieproduktion ausweislich der statistischen Monatsberichte der Vereinten Nationen in den sieben Jahren von 2005 bis 2012 von 100 Prozent auf 110 Prozent, also um 10 Prozent, gestiegen. In den gerade so gelobten USA stieg sie nur um ein Drittel so stark. Sie sehen daran, dass in dieser Richtung überhaupt keine ernsthafte Gefahr besteht.

So kann man den FDP-Antrag, der die Grundlage der Debatte war, zusammengefasst getrost als inhaltlich falsch und total widersprüchlich bewerten. Die Antragsteller fordern gleichzeitig die Abschaffung des EEG und die Beibehaltung der Ausgleichsregelung, vielleicht am besten beides zusammen. Ein Ausgleich ohne EEG wäre auch noch ein neuer Gedanke.

Aber entgegen anderslautender Behauptungen ist die Wahrheit natürlich, dass die Steigerung der Zahl der Unternehmen mit einer Begrenzung der EEG-Umlage die Stromkosten verteuert hat. Das ergeben auch die Statistiken. Die deutlichste Statistik zur Qualität der energiepolitischen Argumentation der FDP ist die Entwicklung der EEG-Umlage. Bei Eintritt der FDP in die damals zuständige und verantwortliche Bundesregierung im Jahre 2009 bewegte sich die Umlage in der Größenordnung von knapp über 1 Cent. Mittlerweile, im Jahre 2013, nachdem Sie ausgeschieden sind, liegt sie bei deutlich über 5 Cent.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Wer zu verantworten hat, dass diese Umlagewerte gestiegen sind, dürfte doch wohl klar sein.

Herr Kollege Rentsch, deswegen ist Ihr Vorwurf an die GRÜNEN in Bezug auf das, was wir angeblich alles wollten, erstens falsch und zweitens von der Empirie her überhaupt nicht begründbar. Die dramatische Entwicklung der absoluten Höhe der EEG-Umlage – ich sprach davon – stammt aus der Zeit der FDP-Beteiligung an der Bundesregierung. Daher sollten Sie bei diesem Thema eigentlich lieber in Demut schweigen. Die Empirie zeigt sehr deutlich: Sehr viel mehr als Sie kann man energiepolitisch eigentlich nicht falsch machen.

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Frank-Peter Kaufmann:

Deswegen gehe ich jetzt zum Schluss auf Wiesbaden ein. Sie werden wahrscheinlich allein für Ihren Antrag stimmen. Sie alleinwerden gegen den Antrag der Koalition stimmen. Bleiben Sie weiterhin allein – das nützt unserem Land am meisten. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann.