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24.06.2014

Eva Goldbach: Regierungserklärung - „Starkes Hessen, starke Kommunen – gemeinsam in die Zukunft“

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen, liebe Frauen! Ich denke, um zu schauen, wie wir die Leistungsfähigkeit unserer Kommunen in Hessen erhalten können, müssen wir einen genauen Blick darauf werfen, wie die Situation ist und wie die Herausforderungen aussehen.

Keine Frage ist: Die Veränderung unserer Gesellschaft durch Globalisierung, technischen Fortschritt, kulturelle Veränderungen und vor allem den demografischen Wandel wird in den Kommunen am deutlichsten spürbar. Denn das wirkt sich unmittelbar auf die Lebenswirklichkeit der Menschen aus.

Der demografische Wandel lässt nicht nur unsere Sozialsysteme brüchig werden, sondern er verschärft auf die regionalen Unterschiede zwischen den Wachstumsregionen und den schrumpfenden Regionen. In Regionen mit abnehmender Bevölkerungszahl werden die Kosten und die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Infrastruktur infrage gestellt, weil das nicht mehr passt. In den Ballungsräumen dagegen erleben wir ein Bevölkerungswachstum, das von den städtischen Kommunen und den Städten ein ungeheures Maß an Integrationsfähigkeit erfordert. Durch diese unterschiedlichen, ganz verschiedenen Entwicklungen entstehen Polarisationsprozesse zwischen den verschiedenen Regionen in Hessen.

Die Kommunen stehen vor großen und gewaltigen Anforderungen. Das ist gar keine Frage. Die kommunalpolitische Steuerung muss dafür sorgen, dass bei den Investitionen in die öffentliche Infrastruktur die zukünftige Entwicklung der Bevölkerung Berücksichtigung findet. Sie muss sogar flexibel sein. Gegebenenfalls müssen Entscheidungen revidierbar sein. Denn wir wissen heute noch nicht genau, wie sich beispielsweise die Zahl der Bevölkerung entwickeln wird. Wir können nicht mehr auf starre Systeme bauen, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Wir müssen flexibler werden.

Die Stadtentwicklung muss insbesondere darauf achten, dass die Familien nicht immer weiter in die suburbanen Gebiete abwandern. Vielmehr müssen lebendige Innenstädte erhalten werden. An solchen Programmen arbeiten viele unserer Städte auch mit.

Die Familienpolitik ist mittlerweile ein harter Standortfaktor geworden. Ganz klar ist: Da, wo es keine Bildungseinrichtungen, keine Kindergärten, keine Freizeiteinrichtungen und kein soziales Gefüge für Familien gibt, werden Familien zukünftig nicht mehr hinziehen. Da werden sie vor allem auch nicht bleiben. Das ist eines der wichtigsten Dinge überhaupt.

Das Kapital, die Unternehmen, sind so mobil wie noch nie zuvor geworden. Es wird immer schwieriger, es an die Gemeinde und die Region zu binden.

Um all diese Herausforderungen zu meistern, müssen alle politischen Ebenen zusammenarbeiten. Das sind Land, Bund und die Kommunen. Insbesondere Land und Bund haben die Aufgabe, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Kommunen innerhalb ihres verfassungsmäßigen Selbstverwaltungsrechts die richtigen Entscheidungen treffen können. Ich denke, es ist ganz wichtig, das zu betonen: Das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen. Land und Bund müssen sie darin unterstützen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte noch einmal genauer hinschauen. Was passiert eigentlich in der Kommune? Wer macht da was?

Kommune heißt Gemeinschaft. Alle Akteure dieser Gemeinschaft – das sind die Bürgerinnen und Bürger, die Politik, die Verwaltung, die Wirtschaft und die Verbände – bilden eine kommunale Verantwortungsgemeinschaft. Die Bürger haben immer mehr Aufgaben und übernehmen einen immer größeren Anteil an der kommunalen Verantwortung. Zum einen geschieht das durch das Ehrenamt.

Erfreulicherweise können wir verzeichnen, dass die ehrenamtliche Tätigkeit nicht abnimmt, sondern sich nur verändert. Während früher Menschen traditionell in Organisationen und Vereinen durch Mitgliedschaften sehr lange Zeit gebunden waren – sie haben Ämter, wie die Tätigkeit des Vorsitzenden, oft über 20 oder 30 Jahre übernommen; wir habe Ehrungen für 40-jährige Mitgliedschaften –, verlagern sich diese Tätigkeiten inzwischen dahin, dass sich die politisch interessierten und sozial aktiven Menschen aufgrund des Wertewandels und der Individualisierung da engagieren, wo sie aktuell Bedarf sehen.

Ich will Ihnen einmal ein Beispiel dafür nennen. Ich bin mit meinen kleinen Töchtern in Lauterbach in den Turnverein gegangen und habe gesagt, ich möchte sie gerne zum Kinderturnen anmelden. Die Übungsleiterin hat mir geantwortet: Das ist ein bisschen problematisch – denn hinter mir standen noch zehn, 15 Mütter mit kleinen Kindern –, denn ich bin hier alleine. Die Gruppe wird jetzt zu groß, ich kann die Kinder nicht mehr betreuen. Entweder macht jetzt einer von Ihnen hier mit, oder das ist das Ende der Kinderturngruppe. – Da habe ich gesagt: Gut, dann mache ich eben mit, nicht als Übungsleiterin, sondern als Unfallverhütungsmutter.

Ein anderes Beispiel ist die Grundschule. Als meine Kinder dorthin kamen, sagte die Lehrerin: Wir brauchen Mütter, die mit Kindern, die einen Migrationshintergrund haben oder denen die Förderung im Elternhaus fehlt, lesen lernen. – Ich habe gerne und viel gelesen. Also habe ich gesagt: Gut, das mache ich. Das habe ich dann ein paar Jahre gemacht.

Das ist ganz typisch: Die eigene Betroffenheit ist das auslösende Moment für dieses Engagement. Das brauchen wir, und das müssen wir in Zukunft auch fördern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir brauchen diese Bürger, die sich mit ihrer Kommune identifizieren und die bereit sind, für das Gemeinwohl einen eigenen Beitrag zu leisten.

In den ländlichen Gebieten funktioniert das auch in vielen Bereichen noch ausgezeichnet. Ich lese immer in der Zeitung – Vogelsberg, sehr ländlich –, dass sich die Bürger in einer Gemeinde zusammengetan und den Hof des Gemeindehauses gepflastert oder eine Mauer gebaut oder das Dach gedeckt haben. Die örtlichen Handwerksfirmen helfen dabei mit, spenden das Material oder auch noch Geld dazu. Das ist erstaunlich.

Ich finde: Das muss man auch erst einmal würdigen, denn das ist überhaupt nicht selbstverständlich.

(Zuruf des Abg. Dieter Franz (SPD))

Die Bürger dort sehen das als eine Selbstverständlichkeit, denn sie haben das schon immer so gemacht. Ich finde, man muss auch einmal sagen: Das ist ein tolles Engagement.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

In den Städten ist das etwas anders. Die sind zu groß, um eine solche Identifikation mit der Einheit Stadt direkt herzustellen. Dort muss das über die Ebene der Stadtteile und Quartiere funktionieren. Dort gibt es Engagement-Lotsen. Die machen sich für ein Engagement im Stadtteil stark. Die suchen Menschen, die sich für ehrenamtliche Tätigkeiten interessieren und in freiwillige Projekte eingebunden werden können. Diese Menschen werden dann ausgebildet. Das ist übrigens ein sehr wichtiger Aspekt der ehrenamtlichen Tätigkeit: dass man Ehrenamtliche weiterbilden und ausbilden muss. Wir haben auf dieser ehrenamtlichen Ebene ein hohes Maß an Qualifikation.

Diese E-Lotsen oder Engagement-Losen gibt es auch hier in Wiesbaden, und zwar seit November 2013. Damals haben die ersten Lotsen nach ihrer Ausbildung ein Zertifikat erhalten. Das Amt für Soziale Arbeit bietet in Kooperation mit dem Wiesbadener Freiwilligenzentrum diese Möglichkeit an, sich zu engagieren. Das Land Hessen fördert und unterstützt diese Maßnahme, dieses Programm, zusammen mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligen-Agenturen.

Wenn wir uns anschauen, wie sich die Bevölkerung entwickelt, sehen wir, dass sie nicht nur weniger, bunter und älter wird, sondern erfreulicherweise bleiben die Menschen auch gesünder. Deshalb suchen viele ältere Menschen nach Wegen, sich noch sinnvoll zu verwirklichen, in der Zeit nach ihrer Erwerbstätigkeit. Da stecken noch erhebliche Potenziale. Das sind wirklich Schätze, die gehoben werden müssen, damit wir ein noch tolleres, besseres Engagement in den Gemeinden bekommen.

Auch dazu kann ich Ihnen ein schönes Beispiel nennen. Als ich dann in dieser Grundschule Lese-Mama war, habe ich einmal mit dem Seniorenbeirat geredet, mit dem ich einen guten Kontakt hatte. Der hat mir gesagt: Wir haben hier einige ältere Menschen, die würden sich gerne engagieren, am liebsten mit Kindern und in der Schule. Dann haben wir ein Projekt gebastelt, nach dem die Senioren mittags in die Grundschule gegangen sind, um dort mit den Kindern zu kochen und Hausaufgaben zu betreuen. Genau solche Projekte sind ungeheuer gut für die Kommunen, und sie machen allen Beteiligten auch noch Spaß. Durch ein solches Engagement in Schulen, mit Kindern, erhält man unmittelbar eine positive Rückmeldung, und deswegen macht das auch so große Freude.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir sind immer noch bei den Akteuren Bürgerinnen und Bürger. Neben der ehrenamtlichen Tätigkeit werden sie immer mehr an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt. Das ist auch richtig. Die Kommunen ermöglichen das immer mehr. Diese Bürger sind keine Querulanten oder Querdenker, sondern sie bilden ein erhebliches Potenzial an Wissen und Qualifikation für die Gemeinde.

Das haben die Kommunalpolitiker längst erkannt. Die Bürgerinnen und Bürger sind nicht nur Bescheidempfänger und Wählerinnen, sondern sie werden an Entscheidungs- und Planungsprozessen beteiligt.

Wir als Regierungskoalition wollen das weiter unterstützen und ausweiten. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, zur Mitte der Legislaturperiode einmal zu prüfen, wie wir die Zustimmungsquoren bei Bürgerbegehren noch verbessern können. Das heißt, wir wollen die, nach der Größe der Gemeinde gestaffelt, heruntersetzen, die Schwelle absenken, solche Bürgerbegehren einzubringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Daneben wollen wir noch andere Elemente der direkten Beteiligung prüfen, wie den Einwohnerantrag, die Ermöglichung von Bürgerbegehren auf Kreisebene oder auch, dass Bürgerentscheide durch die Gemeindevertretungen selbst initiiert werden können.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Die nächsten wichtigen Akteure auf der Kommunalebene sind die Kommunalpolitiker, die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker.

In zwei Jahren sind in Hessen wieder Kommunalwahlen. Schon jetzt machen sich alle Parteien Gedanken darüber, wie sie erreichen können, dass Menschen motiviert für unsere Kommunalparlamente kandidieren.

(Zuruf des Abg. Dieter Franz (SPD))

Schauen wir uns die Kommunalparlamente und Magistrate einmal genauer an. Nach wie vor sitzen dort vornehmlich ältere Herren. Frauen und junge Menschen sind dort eher unterrepräsentiert. Aber was tun wir, wenn uns die netten, engagierten älteren Herren einmal ausgehen? Keine Frage: Wir brauchen mehr Frauen in den Parlamenten.

Ein kurzer Blick auf die Entwicklung des Frauenanteils in den Kommunalparlamenten: Um von 0 auf 20 Prozent zu kommen, hat es 90 Jahre gedauert. Um von 20 auf heute 32,3 Prozent in Hessen zu kommen – damit sind wir Spitzenreiter in ganz Deutschland –, hat es weitere 30 Jahre gedauert. Es darf nicht noch einmal 90 Jahre dauern, bis wir in den Kommunalparlamenten eine paritätische Besetzung mit Frauen und Männern haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Frauen sind nicht die besseren Menschen und auch nicht die besseren Politikerinnen, aber aus ihrer Erfahrungs- und Lebenswirklichkeit haben sie einen ganz anderen Blick auf die Kommune. Diese Sicht brauchen wir dringend, um die richtigen Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Während sich Männer nach wie vor gerne in Feuerwehrvereinen, Jagdgenossenschaften und Fußballvereinen engagieren – um das jetzt einmal ein bisschen übertrieben darzustellen –, sind Frauen häufig in den Fördervereinen von Kindergärten, Schulen, Büchereien und anderen Bildungseinrichtungen sehr aktiv. Durch dieses Engagement haben sie ein sehr klares Bild davon, wie diese Einrichtungen weiterentwickelt werden können und müssen. Weder fehlt es ihnen an politischem Gestaltungswillen noch an Ehrgeiz. Was ihnen oft fehlt, ist Zeit.

Die vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebene Studie „Engagiert vor Ort“ zeigt, dass die größte Gruppe der Kommunalpolitikerinnen weder Kinder im Haushalt hat noch einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Der Großteil von ihnen sind zwar Mütter, jedoch sind ihre Kinder dann schon aus dem Gröbsten heraus, oder sie werden maßgeblich vom Partner betreut. Die Studie „Engagiert vor Ort“ spricht hier eine sehr deutliche Sprache. Ehrenamtliches wie hauptamtliches politisches Engagement muss mit anderen Lebensbereichen vereinbar sein, damit nicht nur Menschen ohne Fürsorgeverpflichtung in der Kommunalpolitik vertreten sind. Die Vereinbarkeit von Politik mit anderen Lebensbereichen stellt sich für die Kommunalpolitikerin noch heute als ein Spagat dar. Wenn wir einmal in die hauptamtliche politische Tätigkeit gehen sehen wir: Es ist schwierig, da eine Führungstätigkeit auszuüben: Bürgermeisterinnen, Landrätinnen. Es ist fast unmöglich, das unter einen Hut zu bringen: Erwerbstätigkeit und Familienleben. Da muss sich noch viel ändern.

(Zuruf der Abg. Sabine Waschke (SPD))

Aber neben dem zeitlichen Problem gibt es noch einen anderen Grund, weswegen Frauen oft den Schritt ins politische Ehrenamt etwas scheuen: Es sind die Strukturen in der Kommunalpolitik. Da fallen Stichwörter – das ist auch aus dieser Studie des Bundesfamilienministeriums genommen – wie: Arbeitsklima, Arbeitsweise oder Sitzungs- und Redekultur.

Davon werden Frauen trotz vorhandener Qualifikation und Motivation oft abgeschreckt, und sie erschweren den politischen Einstieg oder auch den politischen Aufstieg für die Frauen in den Kommunen.

Es gibt im Moment eine Debatte um eine Modernisierung und Professionalisierung unserer Kommunalparlamente im ehrenamtlichen Bereich. Diese Debatte ist gut und richtig. An diese Debatte müssen wir auch die Frage nach der Förderung von Frauen in den Kommunalparlamenten knüpfen. Es sind die strukturellen Gegebenheiten und nicht das fehlende Potenzial oder die fehlende Motivation bei Frauen, die dazu führen, dass Frauen noch unterrepräsentiert sind. Profitieren von einer andersstrukturierten moderneren Arbeit in den Kommunalparlamenten würden im Übrigen auch die Männer. Die wesentliche Frage ist nicht, wie wir Menschen in die alten Rollen und Funktionen bekommen, sondern wie wir die Funktionen und Rollen anders gestalten können, damit es für die Menschen attraktiv wird, sich dort zu engagieren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine kleine Nebenbemerkung: Auch für den Landtag ist es wichtig, dass viele Frauen in den Kommunalparlamenten vertreten sind. Denn unter den Kommunalpolitikerinnen von heute sitzen die Kandidatinnen für den Landtag von morgen.

(Zuruf von der SPD)

Ein weiterer Akteur auf der kommunalen Ebene sind die Verwaltungen. Die Beamten und Angestellten hatten leider lange den Ruf, etwas langsamer und gemächlicher zu arbeiten. Sie kennen alle die Geschichte mit dem Beamtenmikado: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Aber die Realität sieht heute ganz anders aus. Als ich aus der freien Wirtschaft in die Kreisverwaltung gekommen bin, war ich in jeder Hinsicht positiv überrascht. Keines der gängigen Vorurteile hat sich da als zutreffend erwiesen. Das Leitbild ist nicht mehr die reine Verwaltung von Vorgängen, sondern es ist, qualitativ gute Dienste für Bürgerschaft und Wirtschaft bereitzustellen und die Zukunftsfähigkeit der Kommune durch eine gute Stadt- oder Regionalentwicklung zu gewährleisten.

Ein wesentliches Steuerungsinstrument sind dabei die Finanzen. Diese Steuerung gelingt nur mit Transparenz und fiskalischer Disziplin in der Haushaltswirtschaft. Damit kommen wir jetzt zum Thema Finanzen und Haushalt. Die Einführung der Doppik in Hessen war mit heftigen Geburtswehen verbunden. Für die kameral geschulten Kommunalpolitiker und Verwaltungsleute war es zunächst ziemlich schwer, sich auf das neue System einzustellen und damit zu arbeiten. Aber die Doppik bietet unbestreitbare Vorteile. In der Kameralistik war es nicht zu sehen, wie hoch der leistungsbezogene Ressourcenverbrauch beispielsweise war. Nur mit der Doppik kann man den Vermögensverzehr nachvollziehbar abbilden.

Wir brauchen nicht nur die Doppik, um den Haushalt abzubilden. Das ist schon sehr gut. Sondern jetzt müssen wir einen weiteren Schritt gehen – auch da arbeiten unsere Kommunen schon an Lösungen –, um ein Finanzmanagement daraus zu machen. Denn diese Doppik, diese ausgezeichneten Zahlen, können doch noch zu viel mehr genutzt werden, nämlich zur Steuerung in der Kommune. Wir müssen mit diesem Steuerungsinstrument eine aufgabenbezogene Kostentransparenz und eine Kostenverantwortung herstellen, und das bezogen auf die einzelnen Leistungen und Aufgaben, die die Kommune erfüllt.

Herr Staatsminister Beuth hat schon ausgeführt, dass alle hessischen Kommunen mittlerweile diese Form des Rechnungswesens umgesetzt haben und damit auch bundesweit führend sind. Ich möchte noch einmal betonen, warum das so wichtig ist: Nur dann, wenn das Eigentum der Kommune, das Anlagevermögen, auf der Aktivseite dargestellt und bewertet ist, kann man beispielsweise sehen, wie hoch denn der Werteverzehr durch die Abschreibungen ist, und man kann sehen, wie hoch die Investitionstätigkeit ist und was neu gebaut und neu angeschafft wird. Dann sehen wir ganz deutlich diese Diskrepanz, dass wir von der Substanz leben. Das heißt, dass die Investitionen niedriger sind als das, was durch Abschreibungen dargestellt an Werteverzehr da ist. Das ist ein ungeheuer wichtiges Instrument.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Die Erkenntnisse waren natürlich zunächst einmal bitter. Das ist das, was ich eben gesagt habe. Wir haben nämlich einen Substanzverzehr in den meisten Kommunen.

Der andere Punkt in der Doppik, der oft kritisch und als schwierig angesehen wird, sind die Rückstellungen. Sie sind auch nicht schön. Das ist gar keine Frage. Aber sie sind unbedingt notwendig, weil wir nur mit Rückstellungen auch die zukünftigen finanziellen Verpflichtungen und Risiken darstellen können. Eben das ist ein generationengerechter Haushalt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir dürfen heute nicht ausgeben, was in der Kasse ist, sondern wir müssen in den Haushalten darstellen, welche Verpflichtungen wir heute eingegangen sind, die unsere Kinder später bezahlen müssen.

Eine andere Voraussetzung für diesen ehrlichen Haushalt, den wir in Zukunft brauchen, ist es, auch solche Erträge und Aufwendungen darzustellen, die bisher überhaupt nicht dargestellt und auch nicht bewertet wurden. Wir haben vielfältige Beziehungen zwischen den Kommunen, also auf derselben Ebene zwischen Gemeinden oder auch zwischen Kreisen und den kreisangehörigen Gemeinden. Da werden Sporthallen, Schwimmbäder und Sportplätze genutzt. Meistens nutzt der Kreis die Schwimmbäder der Gemeinden. Die Gemeinde nutzt die Sporthalle des Kreises und des Schulträgers, die eigentlich für Schulsport ist, aber natürlich auch für andere Sportarten. Unsere Kommunen fangen jetzt an, auch da zu schauen: Wie können wir denn diesen Leistungsaustausch bewerten und im Haushalt darstellen? Auch da geht es darum, einfach ehrlich zu sein und ehrlich darzustellen, welche Leistungsbeziehungen bestehen und welchen Wert diese Leistungen haben.

Ich habe eben davon gesprochen, dass wir in den Kommunen einen Substanzverzehr haben. Das wissen wir alle. Das ist klar. Wir wissen auch, dass Investitionen in Schulen, Straßen- und Kanalnetzten nötig sind. Für die Kommunen sind die Investitionen, die sie dann tätigen, in Zeiten knapper Kassen eine ganz besondere Herausforderung. Ich will das ein bisschen am Beispiel der Schulen verdeutlichen.

Der Planungsprozess für einen Schulneubau hat sich radikal verändert. Wenn wir uns einmal die Schulen aus den Sechziger- und Siebzigerjahren anschauen, dann waren das Klassenraum-Flur-Schulen, die nur dem reinen Unterrichten am Vormittag gedient haben. Sie genügen heute überhaupt nicht mehr den Anforderungen an Bildung im 21. Jahrhundert. Heute passiert an den Schulen viel mehr. Die Kinder werden auch nachmittags betreut. Es gibt eine Kantine und ein warmes Mittagessen. Die Förderung der Kinder mit Hilfsbedarf erfordert auch oft besondere räumliche Voraussetzungen, und die Schule braucht eine Bibliothek und Räume zur Hausaufgabenbetreuung.

An erster Stelle steht die Frage: Wie arbeitet die Schule und welches pädagogische Konzept hat sie, und wie wird sich diese Schule in Zukunft noch entwickeln? Plant diese Schule vielleicht auch, in einem absehbaren Zeitraum eine Schule mit Ganztagsbetreuung zu werden? Vielleicht will sie irgendwann sogar einmal eine gebundene Ganztagsschule werden. Das sind ganz andere räumliche Anforderungen und Voraussetzungen. Deswegen müssen diese Schulen heute ebenso wie die Schulgemeinde Planungen machen, die auch für die Zukunft gerüstet sind.

Dieses pädagogische Konzept wird dann zusammen mit allen Akteuren erarbeitet. Da sind wir wieder dabei, was Kommunen jetzt schon machen und wie sehr sie sich auf der kommunalen Ebene vernetzen. Da sind zunächst einmal die Schulgemeinde, das Kollegium, die Schulleitung, Elternvertretung, Betreuungsvereine, und die Schülervertretung. Das Staatliche Schulamt ist natürlich mit dabei. Die Bauabteilung des Schulträgers ist mit dabei. Die Gemeinde arbeitet oft eng mit, weil dort auch Grundstücksbeziehungen zum Schulträger bestehen. Nicht zu vergessen sind die Kommunalpolitiker, die in den gesamten Entscheidungs- und Planungsprozess auch mit einbezogen werden sollen und wollen.

Das sind also alle Akteure, die ich zu Beginn schon einmal beschreiben habe. Die Aufgabe des Schulträgers, des Bauherrn, ist es nun, diese ganzen Akteure zusammenzubringen und einen Planungsprozess zu verwalten. Da sieht man, wie sehr anders Verwaltungshandeln heute ist. Denn das ist ein sehr anspruchsvolles Projektmanagement, das die Kommunen da machen müssen. Das kriegen sie auch gut hin. Am Ende eines solchen Prozesses steht dann auch die Vergabe einer Ausschreibung, meist einer europaweiten Ausschreibung. Auch das ist heute etwas ganz anderes als früher. Viele Kommunen, besonders auf Kreisebene, haben heute hochprofessionelle Vergabemanagementstellen eingerichtet, die auch das gut machen.

In der Kostenplanung für Bauprojektinvestitionsmaßnahmen zeigt sich dann durch die knappen Investitionsmittel eine neue Ehrlichkeit.

Früher wurden neue Bauten grundsätzlich mit zu niedrigen Kosten in die Haushalte eingestellt. Ich glaube, das darf man so sagen. Das wurde später über Nachträge geregelt. Aber das ging ja alles, weil neue Schulden aufgenommen werden konnten oder weil es die Haushaltslage hergab. Wir können jetzt in den Kommunalhaushalten eine neue Ehrlichkeit sehen. Die Kommunen wissen ganz genau, dass eine bestimmtes Bauvorhaben, vielleicht eine Schule, in Konkurrenz mit anderen Vorhaben in der Kommune steht, die genauso wichtig sind. Deshalb bemühen sich die Kommunen immer mehr, eine sehr exakte Kosten- und Investitionsplanung zu machen. Das trägt dazu bei, dass die Haushalte der Kommunen ehrlicher und exakter werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Kommunen sind keine Inseln. Das hat Herr Staatsminister Beuth schon gesagt. Die interkommunale Zusammenarbeit hat eine außerordentlich große Bedeutung. Das Land Hessen hat das schon früh erkannt und die interkommunale Zusammenarbeit gefördert. Ich fand es gut, dass 2011 die Förderung von Kooperationen von Kreisen mit kreisangehörigen Gemeinden ausgeweitet wurde. Da gibt es ungeheuer viel Potenzial. Ein Beispiel dafür ist die Jugendarbeit. Es gibt schon viele Kooperationen bei Abfallsammlung und -entsorgung und auch bei der Betreuung an Schulen. In diesen Kooperationen steckt noch sehr viel Potenzial. Das wird vom Land Hessen auch weiterhin gefördert, keine Frage.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es gibt eine Datenbank, die alle kommunalen Kooperationsprojekte ausweist. Grundlage dieser Datenbank ist ein Fragebogen, der an alle Kommunen gegangen ist. Mittlerweile gibt es 1.072 Kooperationen in Hessen – das ist der Stand von 2013 –, inzwischen dürften es noch viel mehr sein.

Zu den Finanzen der Kommunen. Schlimmer als leere Kassen sind leere Köpfe. Dieser Satz stammt nicht von mir, sondern aus einem Papier der Bertelsmann-Stiftung. Ich finde, man kann einmal positiv konstatieren: Von leeren Köpfen kann in unseren Kommunen keine Rede sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

In den Kommunen gibt es einen ungeheuren Gestaltungswillen und eine ungeheure Gestaltungskraft. Die Kommunen sind sehr kreativ und entwickeln zusammen mit ihren Bürgern ständig neue Ideen und Konzepte, um die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. So vielfältig, wie unsere Kommunen sind – Herr Schäfer-Gümbel hat es beschrieben –, sind aber auch ihre Ideen. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie den Vogelsberg angesprochen haben. Da komme ich nämlich her. Ich wollte eigentlich nicht schon wieder von daheim erzählen, jetzt darf ich es aber doch.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Im Vogelsberg gibt es tolle Ansätze. Wir haben z. B. drei Gemeinden, die ausprobieren – es geht um das Thema Mobilität im ländlichen Raum –, wie ein gemeinsamer Fuhrpark aus Elektroautos von einem ganzen Dorf genutzt werden kann. Wir haben eine Gemeinde, die macht ein vorbildliches Projekt mit dem Titel „Alternative Entsorgung von Abwasser“. Auch das ist eine tolle Sache. Wir haben im Rahmen des MORO-Programms ganz viele Projekte entwickelt, mit denen wir unsere ländliche Region fit für die Zukunft machen können. Dazu gehört das Projekt „Kompetenzzentrum Gesundheitsversorgung – hausärztliche Versorgung für den ländlichen Raum“. Wir haben top ausgebildete Hausärzte, die hochmotiviert zu uns in den ländlichen Raum kommen und dort arbeiten. Alle diese Maßnahmen werden vom Land Hessen gefördert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich finde, es ist genau der richtige Ansatz, von der Forderung wegzukommen, das Land Hessen müsse die Kommunen besser finanzieren. Die Kommunen sind doch keine armen Opfer. Sie sind keine dämlichen Subventionsempfänger, sondern unsere Kommunen sind ungeheuer kraftvoll und innovativ. Da, wo sie das sind und gute Ideen entwickeln, unterstützen die Regierungskoalition und die Landesregierung die Kommunen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Um noch einmal kurz auf die Finanzlage zurückzukommen: Eine Verbesserung der Zahlungen aus dem KFA allein würde die Kommunen nicht retten. Das kann nicht das einzige Mittel sein, denn man muss einmal ganz klar sagen: Auch auf der Bundesebene müsste noch ein bisschen mehr getan werden. Wir haben gesagt, eine Reform der Grundsteuer und vor allem eine stärkere Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterbringungen nach dem SGB II und an den Kosten für Eingliederungshilfen wären dringend notwendig. Auch das fehlt den Kommunen.

Zusammenfassend möchte ich noch einmal sagen: Das Ziel der Koalition ist ganz klar, nämlich in enger Zusammenarbeit zu ermöglichen, dass die Kommunen die richtigen Entscheidungen für die Zukunft treffen. Sie wissen, was sie tun müssen. Wir werden sie dabei unterstützen. Die Finanzausstattung wird angemessen sein, denn wir sind schon dabei, in enger Zusammenarbeit mit den Kommunalen Spitzenverbänden und einzelnen Kommunen eine Reform des KFA zu erarbeiten. Es tut mir leid für die SPD, dass sie nächstes Jahr keinen Grund mehr haben wird, über die angesprochenen 344 Millionen € zu jammern, denn wir werden dann eine bedarfsgerechte, angemessene Finanzausstattung der Kommunen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der SPD)

Ein letztes Wort an Sie, Herr Schäfer-Gümbel: Bis nächstes Jahr werden wir wissen, wie die Grundlagen sind.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich kann Ihnen eine gute Mitteilung zu Laubach machen. Laubach beteiligt sich nämlich an einem interkommunalen Projekt zur Ausstattung mit LED-Lampen. Das Projekt wird von der OVAG gefördert. Wir können also guter Hoffnung sein, dass, sobald die LED-Lampen installiert sind und die Gemeinde dadurch sehr viel an Stromkosten spart, nachts die Lampen wieder angehen.

(Heiterkeit und anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Frau Kollegin Goldbach.

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