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05.03.2015

Eva Goldbach: 42. Tätigkeitsbericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Ronellenfitsch, auch unser Dank geht an Sie. Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wieder hervorragende Arbeit geleistet. Ich finde Ihren Datenschutzbericht immer gut lesbar, weil Sie, das ist leider nicht selbstverständlich, in einer gut verständlichen, schönen Sprache schreiben, sodass es eine Freude und keine Qual ist, den Bericht zu lesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

In Ihrer Stellungnahme stimmt die Landesregierung der Einschätzung des Datenschutzbeauftragten zu, dass durch das große Interesse der Medien an den Abhöraktivitäten ausländischer Geheimdienste bei den Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck entstehen konnte, dass andere Datenschutzthemen überhaupt keine Rolle mehr spielen. Deswegen bin ich froh, deswegen ist es gut, dass Sie in Ihrem 42. Tätigkeitsbericht anhand sehr vieler Beispiele ausführlich darstellen, in welchen Alltagssituationen die Gefahr besteht, dass Daten unzulässigerweise erhoben, gesammelt, aufgezeichnet und verkauft werden.

Ich möchte drei Beispiele anführen. Die Videoüberwachung im öffentlichen Raum haben meine Kolleginnen und Kollegen schon angesprochen. Man muss es sich einmal vorstellen: Die Überwachung beginnt vielleicht schon, wenn Sie vor die Haustüre gehen und auf die Straße treten, weil Ihr Nachbar nicht nur seinen Hauseingang, sondern auch einen Teil des Bürgersteigs gleich mit überwacht.

Die Überwachung setzt sich fort, wenn Ihr Kind in eine Schule geht, in der gefilmt wird. Dadurch sollen Vandalismus und Zerstörungen in den Schulen verhindert werden. Das ist zwar nachvollziehbar, aber wir wissen nicht, ob es das Richtige ist, dass unsere Kinder in den Schulen – vielleicht sogar schon im Kindergarten – gefilmt und aufgenommen werden. Besonders schwierig wird es, wenn dies in den Toilettenanlagen geschieht.

Wenn Sie dann, genervt von der vielen Überwachung, in den Wald fliehen – wir Deutschen haben ja ein ganz besonderes Verhältnis zu unserem Wald –, vielleicht sogar zu einem Schäferstündchen in den Wald gehen und sich unbeobachtet wähnen, dann kann es Ihnen passieren, dass Sie wiederum in den Fokus einer Kamera geraten, weil Jäger ihre Futterstellen überwachen oder Naturschützer wissen wollen, ob denn in deutschen Wäldern wieder Luchse unterwegs sind.

Dann ist auch die Waldromantik dahin.

Zu einem weiteren Beispiel, das Herr Prof. Dr. Ronellenfitsch beschreibt – es war mir neu, dass es so etwas gibt; ich finde es ziemlich entsetzlich –, dem Ethno-Marketing. Wenn wir als Konsumentinnen und Konsumenten irgendwo etwas einkaufen oder bestellen, dann sollte es dabei gar keine Rolle spielen, welcher Religionsgemeinschaft wir angehören, zu welchem Kulturkreis wir gehören oder welche ethnische Herkunft wir haben. Sie führen aber ein Beispiel an; da hat tatsächlich ein im Adresshandel tätiges Unternehmen seinen Kunden angeboten, deren Kundendateien daraufhin zu analysieren, zu welchen Religionsgemeinschaften die Kunden gehören, woher sie stammen, all das, was ich eben beschrieben habe. Sie sagen auch ganz klar: Eine solche Dienstleistung ist unzulässig. – Das ist auch gut so. Es ist aber heftig, dass so etwas überhaupt auf dem Markt auftaucht und angeboten wird.

Das letzte Beispiel sind die Datenschutzerklärungen, auf die ich eingehen möchte. Wenn wir als Kunden Webseiten oder Apps besuchen, dann muss der Anbieter verständlich und transparent darlegen und aufklären, welche Daten er von uns erhebt und was er mit diesen Daten anstellt. Sie haben mit anderen Datenschutzaufsichtsbehörden eine internationale Aktion gestartet, um in diesem Bereich einmal die Transparenz näher zu untersuchen. Sie haben erfreulicherweise festgestellt, dass deutsche Anbieter sehr gute Datenschutzerklärungen haben, die zum einen leicht zu finden und zum anderen leicht verständlich sind.

Aber es wundert nicht: Die ausländischen Unternehmen haben dagegen teilweise gar keine oder sehr schlechte Datenschutzerklärungen. Bei uns ist dies deshalb so gut, weil wir ein Telemediengesetz haben, das die Anbieter von Webseiten und Apps dazu verpflichtet, diese Informationen an die Kunden weiterzugeben, diese Informationen bereitzustellen. Dieser Umgang mit unseren Daten von internationalen Anbietern von Apps ist deshalb so dramatisch, weil fast jeder, fast jede Bürgerin und jeder Bürger, Apps nutzt und unsere Daten damit erhoben werden.

Dann fragen wir uns: Wer ist denn eigentlich verantwortlich? Es gibt eine Umfrage, und diese hat ergeben, dass 54 Prozent der Verbraucher die Hauptverantwortung bei sich selbst sehen. 36 Prozent sehen in erster Linie den Staat für den Datenschutz im Web verantwortlich und nur 6 % die Unternehmen. Diese Ergebnisse sind, finde ich, sehr kritisch zu sehen, denn sie suggerieren, dass die Unternehmen weniger Verantwortung zu tragen hätten als die Verbraucher selbst. Sicherlich haben wir eine Verantwortung, aber sie kann nicht allein beim Verbraucher liegen.

Richtig ist: Die deutschen Internetnutzer haben in Sachen Medienkompetenz und eigenverantwortlichen Selbstschutz noch Nachholbedarf, wobei zur Medienkompetenz – das muss man ganz deutlich sagen – nicht nur die Kompetenz gehört, mit neuen Medien umzugehen, sondern vor allem die Kompetenz in Sachen Datenschutz oder Umgang mit personenbezogenen Daten, denn daran hängt es oft. Unsere jungen Leute haben überhaupt kein Problem damit, mit der Software und den Geräten umzugehen. Das können die in Windeseile erlernen; da sind die top. Aber, was den Datenschutz angeht oder den Umgang mit den eigenen persönlichen Daten, da ist noch viel zu tun.

Ich finde es auch bedenklich, dass sich bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern offensichtlich viele damit abgefunden haben, dass von Staat und Wirtschaft nicht mehr viel zu erwarten ist. Unbestreitbar ist: Der Datenschutz hat einen subjektiven Rechtsanspruch begründet und einen staatlichen Gewährleistungsauftrag. Das sind die beiden Pole. Deshalb müssen Staat, Politik und die Aufsichtsbehörden die gesetzlichen Grundlagen weiterhin ständig überprüfen und verbessern sowie die Einhaltung kontrollieren. Gleichzeitig müssen wir aber weiterhin an der Medienkompetenz der Bevölkerung arbeiten, und das nicht nur im Sinne von: Umgang mit den Medien und der Software, sondern auch Verantwortung und Information über die personenbezogenen eigenen Daten, damit sparsam und vorsichtig umzugehen. Herr Prof. Dr. Ronellenfitsch, vielen herzlichen Dank für Ihren Bericht. Wie gesagt, es war eine Freude, ihn zu lesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Präsident Norbert Kartmann:

Frau Goldbach, herzlichen Dank.