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01.02.2012

Ellen Ensling: Schutzschirm muss kommunale Selbstverwaltung respektieren

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, dass es dieser Landesregierung gelungen ist, mit den Kommunalen Spitzenverbänden zu einer Einigung in der Rahmenvereinbarung zum Rettungsschirm zu kommen. So etwas ist nicht selbstverständlich. Es gibt genügend Konflikte zwischen Land, Kommunen und Landkreisen, wo es im Miteinander richtig knirscht. Dort wird infrage gestellt, ob das Land seiner Aufgabe, wie in der Hessischen Verfassung verankert, nachkommt und für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen und Landkreise sorgt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erinnere nur noch einmal an die Klage der Landkreise, die jetzt vor dem Staatsgerichtshof anhängig ist oder an die Klage der 39 Kommunen wegen der Mindestverordnung zur Personalausstattung in den Kitas. Dass im Geschäftsbericht des Landes für das Jahr 2010 im Rückstellungsspiegel eine Zuführung von 280 Millionen Euro zu finden ist, macht schon stutzig.

Das Land geht also davon aus, im Falle einer Niederlage eventuell 290 Millionen Euro an die Kommunen zahlen zu müssen. Ich finde, das ist schon eine interessante Aussage. Daher relativiert sich der Rettungsschirm natürlich auch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach den zusätzlichen Belastungen, die die Kommunen durch das Handeln dieser Landesregierung erfahren mussten, ist der geplante Schutzschirm für die Kommunen nur ein kleiner Ausgleich. Nach dem unsystematischen Entzug von mehr als 340 Millionen Euro aus dem KFA stehen gerade einmal 100 Millionen Euro zur Tilgung jährlich zur Entlastung der kommunalen Schulden über 30 Jahre zur Verfügung. Das relativiert die hier hoch gepriesenen 3 Milliarden Euro schon erheblich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch dass die Kommunen erst im Jahr 2013 eine Entlastung in ihren Haushalten spüren werden, ist sehr bedauerlich. So müssen Sie sich noch aus für sie finanziell schweren Zeiten ein Jahr hinüberretten. Hier hätten wir uns eine schnellere und wirksamere Hilfe für die Kommunen gewünscht.

Ob der Schutzschirm wirklich ein attraktives Angebot für die Kommunen ist, wird sich erst noch zeigen. Es ist ein zwiespältiges Angebot für die Kommunen, weil sie sich strengsten Sparauflagen unterwerfen müssen, um die 46 Prozent Entschuldung zu erhalten. Für die Kreise gibt es sogar nur 34 Prozent.

(Zuruf von der CDU)

– Schauen Sie sich nur einmal die Verschuldung der Kreise an. Aber Danke schön. – Wie titelte eine Zeitung so schön: Schuldenfrei, aber tot. – Mittlerweile ist es so, dass sich Bürgermeister und auch Landräte zumindest in der Presse skeptisch äußern, weil sie zu Recht die Gefahr sehen, jegliche kommunale Autonomie zu verlieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Großes Jubelgeschrei sieht also anders aus. Hier ist eher eine kritische Zurückhaltung zu vermelden.

Es ist richtig, das Problem der hohen Kassenkredite anzugehen. Während im Jahr 2009 noch 246 Kommunen darauf verzichten konnten, Kassenkredite aufzunehmen, waren es im Jahr 2010 nur noch 173 Kommunen. Das zeigt sich auch in den absoluten Zahlen: Hier gibt es eine Steigerung von 3,7 Milliarden Euro in 2009 auf 5 Milliarden Euro in 2010 zu verzeichnen.

Die mit den Kommunalen Spitzenverbänden geschlossene Rahmenvereinbarung sieht mehrere Stufen der Auflagen vor. Es ist keine leichte Entscheidung, die die Gemeindevertretungen hier zu fällen haben. Ich hoffe sehr, dass die Diskussionen dort sachlich-konstruktiv geführt werden und nicht in einem ideologischen Schlagabtausch enden. Deshalb sehen wir hier auch das Land in der Verantwortung, die Verantwortlichen vor Ort tatkräftig zu unterstützen und die Gespräche nicht nur mit Bürgermeistern und Gemeindevertretern, sondern auch mit wichtigen Akteuren in den Kommunen zu suchen, damit für die Aufnahme des Angebots auch in der Bevölkerung eine breite Zustimmung gewonnen werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So ist es auch zu begrüßen, dass es Zinshilfen geben wird. Dies erhöht auch für die Kommunen die Flexibilität. Aber durch die lange Laufzeit von 30 Jahren werden die Kommunen in den Ergebnishaushalten in den ersten Jahren nur eine geringe Entlastung durch reduzierte Zinsbelastungen erfahren. Sie werden sicher ganz genau nachrechnen, inwieweit sich der Rettungsschirm für sie lohnt und ob die Auflagen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Deshalb ist die Forderung der Landesregierung nach einer großen Mehrheit, am besten einer Zweidrittelmehrheit, durchaus nachzuvollziehen.

Die in den Kommunen individuell abzuschließenden Vereinbarungen und Auflagen müssen immerhin über einen langen Zeitraum in der Gemeindevertretung gehalten und auch erfüllt werden. Bis zum Jahr 2020 soll immerhin ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden. Auf meine Nachfrage im Ausschuss, wie die einzelnen Stufen der Konsolidierungsauflagen aussehen würden, erschien mir die Antwort, dass dies in die Selbstverantwortung der Kommunen gelegt werden solle, doch zu dünn.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich wird die Begleitung vom Landesrechnungshof in Kooperation mit der Uni Hamburg eine Unterstützung für die Kommunen sein; auch die Benchmarks können helfen. Aber die Unsicherheit und die Ungewissheit darüber, wie die Auflagen konkret aussehen, schüren die Angst bei den Menschen vor Ort – und dem muss abgeholfen werden.

Das alles kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Kommunen an einer chronischen Unterfinanzierung leiden und ihr strukturelles Defizit auch mit diesem Rettungsschirm nicht ausgleichen können. Es gehört zur Wahrheit dazu, dass es Kommunen gibt, die die Bedingungen nicht erfüllen können. Auch die erfreulicherweise wieder steigenden Steuereinnahmen reichen in etlichen Kommunen eben nicht aus, um die immer noch drückenden Soziallasten und andere Steuerausfälle, die von der Bundesebene zu kompensieren sind, auszugleichen.

Mittlerweile haben die hessischen Kommunen mit ihren Gesamtdefizit von ca. 10 Millionen Euro einen Anteil von 34 Prozent am gesamtdeutschen Finanzierungsdefizit aller Kommunen. Bei den Landkreisen sieht es sogar noch schlimmer aus. Deshalb muss diese Landesregierung auch durch aktives Handeln auf Bundesebene die Einnahmeseite der Kommunen verbessern und z. B. auch für die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer sorgen, anstatt für weitere Steueränderungen den Kommunen dringend notwendige Finanzmittel zu entziehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Gemeindefinanzen müssen auf solide Füße gestellt werden. Die Landesregierung hat für eine angemessene kommunale Finanzausstattung zu sorgen und dafür insbesondere auch den KFA grundlegend zu reformieren. Der Schutzschirm ist ein kleiner Schritt, um die Kommunen zu unterstützen, aber er ist nicht mehr. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Frau Enslin.

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