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16.06.2009

Ellen Enslin zur Neuordnung des Datenschutzes

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Datenschutzskandale nehmen kein Ende, und die Liste namhafter Unternehmen wird immer länger, die es mit dem Datenschutz nicht so genau nehmen. Frau Kollegin Faeser hat es schon angedeutet. Während in den früheren Jahren der Datenschutz in der öffentlichen Wahrnehmung eher ein Schattendasein fristete, erleben Datenschützer durch die Sammelwut vieler Institutionen und Betriebe einen nie gekannten Rückenwind für ihren Aufgabenbereich. Die Bürgerinnen und Bürger sind sensibler geworden und wollen ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht gesichert sehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Nun sieht die Europäische Datenschutzrichtlinie vor, dass der öffentliche und private Datenschutz unabhängig wahrgenommen werden muss. Da haben wir in Hessen ein Defizit; denn der private Datenschutz ist beim RP Darmstadt angesiedelt und somit dem Innenminister unterstellt, also alles andere als unabhängig. Nun hat der Hessische Datenschutzbeauftragte Prof. Ronellenfitsch schon mehrfach den Finger in die Wunde gelegt und sich entsprechend dazu geäußert, dass hier dringend – das meine ich auch so – Handlungsbedarf angesagt ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Reaktion der CDU auf den SPD-Gesetzentwurf hat uns nicht wirklich überrascht. Wer massenhaft Daten von unbescholtenen Autofahrern sammeln will und erst durch ein Gericht gestoppt wird, wagt sich bei den Bürgerrechten gern zu weit aus dem Fenster.

(Zuruf des Abg. Rafael Reißer (CDU) und Judith Lannert (CDU))

Aber anstatt daraus gelernt zu haben, wird wieder fahrlässig die Verantwortung an ein Gericht abgegeben. Kollege Greilich hat es ganz deutlich gemacht, er möchte gern die Entscheidung abwarten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen: Die nächste richterliche Watschen wird nicht lange auf sich warten lassen. Der Ruf des einstigen Stammlandes des Datenschutzes wird nicht gefördert, sondern eher ruiniert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Koalitionspartner FDP hält sich vornehm zurück, und es besteht die Gefahr, dass die Chance vertan wird, den privaten und öffentlichen Datenschutz schnell erfolgreich zusammenzuführen. Gefreut habe ich mich natürlich, Kollege Greilich, dass Sie angedeutet haben, sich im Gesetzgebungsverfahren mit einzubringen, damit es nicht ganz vergeblich war.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

– Ich bin einmal gespannt. Als Neuling darf man noch hoffen und optimistisch sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Denn eines hat mir schon zu denken gegeben. Letztes Jahr brannte der FDP dieses Thema so sehr unter den Nägeln, dass sie einen Dringlichen Antrag dazu eingebracht hat. Wie der Name „dringlich“ schon sagt, sind Sie davon ausgegangen, dass es ein Problem gibt und das dieses Problem dringlich gelöst werden soll.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

– Enstschuldigung, mir ist das schon klar. Aber das hat auch etwas mit zeitlichen Fristen und der Umsetzung zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich ist es so gewesen. Kollege Greilich führte sehr eindrucksvoll die Notwendigkeit eines unabhängigen Datenschutz-Kompentenzzentrums aus und stützte sich dabei auch auf die EU-Datenschutzrichtlinie.

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

– Ja, richtig, bis auf die CDU-Fraktion konnte er in diesem Plenum alle überzeugen. Aber man muss sagen, die CDU ist in solchen Fragen ein besonders harter Brocken.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Ich habe in den Protokollen nachgelesen, Kollege Beuth hat den Nutzen für die hessischen Bürgerinnen und Bürger damals gänzlich in Abrede gestellt. Ich hoffe, das hat sich mittlerweile geändert, sonst würde ich nicht verstehen, warum Sie in Ihrem Koalitionsvertrag eine Prüfung der Sachlage vereinbart haben.

(Zurufe von der FDP)

Dass wir hier zu einer anderen Einschätzung kommen, wird Sie nicht weiter verwundern. Es geht uns natürlich nicht nur darum, dass der private und der öffentliche Datenschutz unabhängig werden, sondern es geht uns auch darum, dass die einschlägige europäische Richtlinie umgesetzt wird. Man muss nämlich auch sagen, dass wir in Hessen nicht immer die Schnellsten sind, wenn es um die Umsetzung solcher Richtlinien geht.

Trotz des klaren Auftrags durch das Parlament, diesen Beschluss unverzüglich umzusetzen und ein Kompetenzzentrum einzurichten, hat sich die geschäftsführende Landesregierung erst einmal zurückgelehnt. Bis heute ist nichts geschehen. Deshalb hoffe ich, dass Sie von der FDP sich in diesem Verfahren mit dem gleichen Engagement wie im letzten Jahr für das Projekt einsetzen, nicht auf Zeit spielen, keine fadenscheinigen Argumente suchen, sondern dass Sie sich mit in das Verfahren einbringen, damit wir so schnell wie möglich ein unabhängiges Kompetenzzentrum bekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Da sich die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP in diesem Hause ja gerne an der von SPD und GRÜNEN geschlossenen Vereinbarung abarbeiten – ich weiß auch nicht, aus welchem Grund, wahrscheinlich wollen Sie teilweise von Ihrem eigenen Unvermögen ablenken –,

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

kann ich Ihnen nur raten, noch einmal einen Blick in diese Vereinbarung zu werfen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

– Ach, Herr Kollege Bellino. – Unter unserer Verantwortung würde es hier ein deutliches Signal an die Bürgerinnen und Bürger geben, dass wir dieses Thema sehr ernst nehmen, dass öffentlicher und privater Datenschutz zusammengehören, dass beide unabhängig sein müssen und dass das schnell umgesetzt werden muss. Deshalb appelliere ich noch einmal an die Kollegen von der FDP. Springen Sie über Ihren schwarzen Schatten, denn auch im Datenschutz gilt: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. – Danke schön.