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19.11.2009

Ellen Enslin zum Bericht des Datenschutzbeauftragten

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich gerne beim Hessischen Datenschutzbeauftragten und seinen Mitarbeitern für diesen ausführlichen Bericht und natürlich auch für die unterhaltsame Darstellung bedanken.

Ich habe es beim letzten Bericht schon angedeutet und darauf hingewiesen, dass wir bei diesem Themenbereich in der Zukunft noch mehr Arbeit haben werden. Wer in den letzten Wochen die Berichterstattung verfolgt hat, hat gesehen, dass wir hier unter anderem eine unheilvolle Entwicklung nachvollziehen können. Ich bin der Meinung, dem können wir nur durch eine konsequente Gesetzgebung Einhalt bieten.

Es vergeht keine Woche, in der nicht über Datenschutzverstöße berichtet wird. Da werden die Daten von Hunderttausenden Jugendlichen zum Kauf angeboten. Unternehmen fordern ihre Mitarbeiter zu ganz speziellen Gesundheitstests, sprich: Bluttests, auf. Bekanntlich kommt es auf die inneren Werte an, aber ich denke, das müssen diese Unternehmen falsch verstanden haben.

Bei der Bundesagentur in Berlin können sich Unternehmen sensible Bewerbungsdaten erschleichen, und das Kreditgewerbe muss gerade mehr als 100.000 Kreditkarten austauschen. Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Sie sehen also, der Datenschutz, gerade in der Wirtschaft, wird von diesen Unternehmen anscheinend nicht besonders ernst genommen. Anders können diese massiven Verstöße nicht bewertet werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Entwicklung kann nur durch eine starke Datenschutzaufsicht und -beratung entgegengewirkt werden. Hier unterstützen wir den Datenschutzbeauftragten ausdrücklich in seiner Forderung, den privaten und öffentlichen Datenschutz endlich in einem Datenschutzkompetenzzentrum zu bündeln und auch die Informationsfreiheit einzubeziehen. Das sind schließlich zwei Seiten einer Medaille.

Ich habe sehr erfreut zur Kenntnis genommen, dass Kollege Greilich die Informationsfreiheit als hohes Gut angesehen hat. Aber leider schlägt sich das nicht ganz in Ihrem aktiven Handeln nieder. Dann müssten Sie konsequenterweise auch den Zugang zu Informationen für Bürgerinnen und Bürger erleichtern und ein Informationsfreiheitsgesetz unterstützen.

Sicherlich gibt es schon Verwaltungen, die ihre Bürgerinnen und Bürger sehr offen in Verwaltungsabläufe einbeziehen. Aber es gibt auch Verwaltungen, die mauern. Hier kann durch ein Informationsfreiheitsgesetz den Bürgern der Zugang gesichert werden. Herr Kollege Greilich, ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen: Es gibt gerade auch Kollegen aus Ihrer Partei, die das bestimmt sehr wünschen würden, da sie im Moment in bestimmten Bereichen Einzelkämpfer sind und den notwendigen Zugang zu den von ihnen gewünschten Informationen schwer bekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Bericht des Datenschutzbeauftragten zeigt auf, in welchen Bereichen in der Vergangenheit Probleme aufgetreten sind. Er lässt aber auch erahnen, was uns in der Zukunft weiter beschäftigen wird. Wir GRÜNE sind dankbar, dass der Hessische Datenschutzbeauftragte intensiv nachhakt und, wenn nötig, klare Worte findet. Dazu gehört unter anderem auch – Herr Kollege Siebel hat es angesprochen –, dass z. B. Berichte des Schulpsychologen auf der ganz normalen Verwaltungs-IT des Staatlichen Schulamts nicht verschlüsselt abgespeichert worden sind, was aber gemacht werden müsste, damit sie Dritten nicht zugänglich sind. Denn dies sind hochsensible Daten, die nicht in unbefugte Hände geraten dürfen. Darauf müssen sich die Schülerinnen und Schüler verlassen können und natürlich auch die Pädagogen.

Unter anderem wurde im Bericht auch das leidige Thema Videoüberwachung angesprochen. Wir konnten erfreut zur Kenntnis nehmen: Die Videoüberwachung Konstablerwache kann als erfolgreich abgeschlossen gesehen werden. Aber Sie haben auch aufgezeigt, es ist schnell Ersatz gefunden worden. Sie haben in Ihrem Bericht auch deutlich aufgezeigt, dass alle Möglichkeiten der Technik genutzt werden. Da steht der Datenschutz oft hintan. Es werden oft auch Privatzonen eingeblendet. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie immer wieder zum Thema machen, dass wir hiermit sensibler umgehen müssen, sodass die Privatsphäre geschützt bleibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ganz besonderes Unbehagen haben uns die Beispiele aus dem Gesundheitswesen bereitet, wie z. B. mit Schwachstellen umgegangen wird, die im Zusammenhang mit der elektronischen Fallakte entstehen. Man muss sich stärker die Frage stellen: Wer trägt die Verantwortung? Wer hat Zugriff darauf? Sind sichere Verschlüsselungstechniken gewährleistet? Ist z. B. auch eine elektronische Signatur gewährleistet?

Ich habe zur Kenntnis genommen – das ist ganz aktuell –: Gesundheitsminister Rösler hat auf Bundesebene die Weiterentwicklung der Gesundheitskarte erst einmal – ich sage es einmal so – auf Eis gelegt. Er möchte stärker kontrollieren, welche Risiken dort bestehen.

Sie haben in Ihrem Bericht unter anderem auch angesprochen, dass in den Kommunen ein immer noch sehr sorgloser Umgang mit dem Internet besteht. Gerade der private Umgang mit E-Mails und die sich daraus ergebenden Konsequenzen sind ein Dauerbrenner. Oft fehlt es an der gebotenen Sensibilität. Hier müssen wir in der Zukunft weiter an die Verantwortlichen appellieren und stärker als bisher fortbilden.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Dass es bis heute nicht gelungen ist, das 2005 fertiggestellt Konzept zur Löschung von Bewerberdaten im Bereich des Kultusministeriums produktiv umzusetzen, empfinde ich als Armutszeugnis. Wir können nur hoffen, dass dies beim nächsten Bericht endlich nicht mehr auf der Tagesordnung steht. Aber die Landesregierung hat zugegeben, dass hier noch nicht alles gelöst ist und dass die Daten noch nicht endgültig gelöscht werden können.

Ich denke auch, es ist traurig, dass die Löschung von Daten bei SAP-Standardprogrammen immer noch nicht vollständig möglich ist. Ich denke, das ist ein Thema, das wir in der Zukunft weiterhin auf der Agenda haben müssen; denn das Thema Löschung von Daten ist bei der technischen Weiterentwicklung völlig unterschätzt geblieben.

Um die finanzielle Lage der Kommunen ist es nicht gut bestellt. Wir haben das in den letzten Tagen der Plenarwoche immer wieder zu hören bekommen. Aber ich hoffe sehr, dass nur sehr wenige Kommunen die Einnahmequellen nutzen, die Adressdaten ihrer Bürgerinnen und Bürger zu verkaufen. Das Hessische Ministerium des Innern empfiehlt den Kommunen, sich von den Adresshändlern versichern zu lassen, dass diese Daten nur für den ursprünglichen Zweck verwendet werden sollen. Um aber Sicherheit und Datenschutz für die Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, geht der Datenschutzbeauftragte weiter und schlägt hier eine Änderung des Meldegesetzes vor. Denn nur damit haben die Bürgerinnen und Bürger ein Widerspruchsrecht und können ihre persönlichen Daten schützen.

Es ist so, die Landesregierung sieht hier im Moment keinen Handlungsbedarf, weil sie der Meinung ist, dass die Sache erst auf Bundesebene geregelt werden muss. Wir sind der Meinung, hier müssen wir weiter intensiv beobachten; denn man muss sehen, dass dies ein Wachstumsmarkt ist, der mit allen Mitteln hart umkämpft wird. Es schlägt sich unter anderem im Bericht des RP nieder, dass im Bereich Adresshandel und Auskunfteien am stärksten nachgefragt worden ist.

Als Herausforderung für die Zukunft im Datenschutz bleibt uns festzustellen: Erstens. Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensführung ist durch die Vielzahl unbestimmter Datensammlungen, privat wie öffentlich, weiter gefährdet und muss geschützt bleiben. Da hat die Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP in Berlin leider zur Ernüchterung geführt. Online-Durchsuchungen und Vorratsdatenspeicherung sind leider weiterhin möglich – eine herbe Enttäuschung für die Bürgerrechte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Greilich (FDP): Wir können nicht alles korrigieren, was die SPD gemacht hat! – Gegenruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ganz schwache Ausrede!)

Zweitens. Wir müssen die Medienkompetenz der Online-Generation stärken. Allzu oft werden hier die Risiken der modernen Informationssysteme und ihre Folgen unterschätzt. Hier müssen wir auf allen Ebenen initiativ werden. Der Hessische Datenschutzbeauftragte hat schon angesprochen, dass Datenschutz auch eine Querschnittsaufgabe ist. Das bedeutet auch, dass wir aktiv werden müssen von der Schule bis hin zur Verbraucherberatung. Ich kann nur sagen: Datenschutz und Datensparsamkeit muss hier die Maxime sein.

Drittens. Hessen braucht endlich ein unabhängiges Datenschutzkompetenzzentrum, das den öffentlichen und privaten Datenschutz bündelt und auch für die Informationsfreiheit zuständig ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Hier können wertvolle Synergieeffekte genutzt werden – der Datenschutzbeauftragte hat es schon gesagt –, um auch die zukünftig anstehenden Herausforderungen im Bereich Datenschutz zu meistern.

Insgesamt kann ich nur sagen: Der Datenschutzbeauftragte hat bei seiner nicht immer einfachen Aufgabe die volle Unterstützung unserer Fraktion. Ich hoffe auch, dass wir beim Datenschutzkompetenzzentrum erfolgreich weiterkommen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Frau Kollegin Enslin.