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19.05.2011

Ellen Enslin: Gesetz zur Neuordnung des Datenschutzes

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute liegt Ihnen ein Gesetzentwurf zur Neuregelung des Datenschutzes in Hessen vor, der von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN gemeinsam erarbeitet worden ist. Dazu ist es gekommen, nachdem der EuGH im letzten Jahr eine sehr deutliche Bußgeldbewertung vorgenommen und den höchstrichterlichen Hinweis gegeben hatte, dass in Hessen die völlig voneinander unabhängige Umsetzung des öffentlichen und des privaten Datenschutzes nicht gewährleistet sei. Das hat einen großen Anstoß zu der sehr konstruktiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht nur zwischen den beteiligten Fraktionen, sondern auch mit den Mitarbeitern der beteiligten Ministerien, der Datenschutzabteilung des RP Darmstadt und vor allem mit dem Datenschutzbeauftragten selbst sowie seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegeben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Es wäre schön, wenn wir das Ergebnis dieser Zusammenarbeit heute in einem großen Konsens beschließen könnten.

Bei der Unabhängigkeit des privaten Datenschutzes haben wir in Hessen ein Defizit. Wenn ich das so sage, soll das nicht bedeuten, wir sind der Meinung, dass die Kolleginnen und Kollegen beim RP Darmstadt keine gute Arbeit geleistet haben. Ganz im Gegenteil, wir sind davon überzeugt, dass dort in den letzten Jahren sehr sorgfältig und zuverlässig über die Einhaltung des Datenschutzgesetzes gewacht worden ist und dass andere Erwägungen als die, die Recht und Gesetz betreffen, nicht relevant waren.

Beim öffentlichen Datenschutz ist die Unabhängigkeit schon lange gewährleistet. Seit 1971 ist dafür der Hessische Datenschutzbeauftragte zuständig. Aber beim privaten Datenschutz sieht es bisher noch anders aus. Er ist beim RP Darmstadt angesiedelt, und dieses ist dem Innenministerium unterstellt. Er ist also alles andere als unabhängig.

Wir haben das – zu Recht – in der Vergangenheit immer wieder kritisiert und uns für eine Zusammenlegung des privaten und des öffentlichen Datenschutzes unter einem Dach eingesetzt. Die FDP teilte diesen Standpunkt bereits. Nur bei der CDU musste noch etwas Überzeugungsarbeit geleistet werden. Aber Sie sehen, wir waren sehr erfolgreich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit der „Wiesbadener Erklärung“ anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Hessischen Datenschutzgesetzes ist es uns gelungen, Eckpunkte zu formulieren. Diese Eckpunkte sind die Grundlage des Gesetzentwurfs.

Mit der in dem Gesetzentwurf geregelten Zusammenlegung von öffentlichem und privatem Datenschutz unter einem Dach werden wir eine zentrale Anlaufstelle schaffen, die der Vorgabe der völligen Unabhängigkeit gerecht wird. Die geforderte völlige Unabhängigkeit wird dadurch gewährleistet, dass der Hessische Datenschutzbeauftragte zwar in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht, aber kein Beamter ist. Als oberste Landesbehörde unterliegt er weder einer Rechts- noch einer Fachaufsicht.

Seine besondere Stellung zeigt sich auch darin, dass er zwar wie bisher vom Landtag gewählt wird, aber nur vom Staatsgerichtshof vorzeitig abberufen werden kann. Der Staatsgerichtshof entscheidet über seine Abberufung nur dann, wenn sich im Landtag vorher eine Zweidrittelmehrheit für das Anrufen des Staatsgerichtshofs gefunden hat. Sie sehen also, die Position des Datenschutzbeauftragten beinhaltet eine ganz besondere Form der Unabhängigkeit. Sie ist mit der richterlichen Unabhängigkeit vergleichbar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Das ist besonders wichtig, da er nicht nur große Unternehmen, sondern auch die Ministerien zu kontrollieren hat und Bußgelder in beträchtlicher Höhe verhängen kann.

Wir glauben aber auch, dass durch die Bündelung von öffentlichem und privatem Datenschutz eine starke Datenaufsicht installiert wird, die ihre Beratungsfunktion noch stärker als bisher ausüben kann. Als vordringliches Projekt sehen wir es hier, durch die Beratung von Schulen und Bildungsträgern und in Kooperation mit ihnen die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen zu stärken. Gerade die sozialen Netzwerke, z. B. Facebook, machen ein großes Geschäft mit den persönlichen Daten ihrer Mitglieder. Hier erwarten wir durch die Zusammenlegung konkrete Synergieeffekte.

Der Hessische Datenschutzbeauftragte ist bisher zwar nur für den öffentlichen Datenschutz zuständig; aber viele Bürgerinnen und Bürger fragen bei Problemen mit dem Datenschutz bei ihm an. Man muss sich einmal vorstellen, wie das bisher geregelt ist: Bei Google Street View und bei privaten Kreditinstituten ist das RP Darmstadt zuständig, bei den Sparkassen aber der Hessische Datenschutzbeauftragte. Das ist nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger verwirrend, sondern es ergibt sich daraus oft auch eine unnötige doppelte Arbeit, und es dauert länger, weil z. B. etwas an die zuständige Stelle weitergeleitet werden muss.

Bei der Kontrolle und der Überwachung von Firmen hinsichtlich des Datenschutzes werden in Zukunft noch größere Herausforderungen auf uns alle zukommen. Dass es hier in Zukunft zu einem Anstieg kommt, erkennt man, wenn man sich anschaut, mit welchen enormen Datenmengen z. B. bei der Verknüpfung von Telekommunikationsunternehmen oder Internetanbietern zu rechnen ist. Die neuesten Skandale bei Sony und bei Facebook zeigen, womit wir in Zukunft zu rechnen haben.

Ich möchte noch einmal auf die Anhörung eingehen. In der Anhörung ist der Entwurf gelobt worden, ganz besonders die Regelungen zur Abwahl. Aber auch die Stärkung der Unabhängigkeit wurde noch einmal hervorgehoben. Zu meiner großen Freude wurde auch die Ansicht vertreten – ich denke, darauf können wir durchaus stolz sein –, dass das Land Hessen mit diesem Gesetz seiner Vorreiterrolle in Sachen Datenschutz wieder gerecht werden kann. Dafür legen wir heute mit diesem Entwurf die Grundlage.

Ich bin noch nicht lange in diesem Haus. Ich bin immer wieder darauf angesprochen worden, wie die Atmosphäre in dieser Arbeitsgruppe war; denn dem Hessischen Landtag eilt ein bestimmter Ruf voraus: Seine Mitglieder seien besonders hart in der Auseinandersetzung.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich möchte sagen, ich freue mich darüber, dass ich eine ganz andere Erfahrung machen konnte: dass wir in dieser Arbeitsgruppe, auch wenn wir zu bestimmten Punkten durchaus unterschiedliche Meinungen vertreten haben, konstruktiv und vertrauensvoll zusammengearbeitet haben. Uns hat das Ziel geeint, ist, den Datenschutz in Hessen voranzubringen. Der eine oder andere hat sich in seinen Positionen auch bewegt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Wolfgang Greilich (FDP) – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Ich denke, aus diesem Grund haben wir heute ein sehr gutes Ergebnis vorgelegt. Ich wünsche den Arbeitsgruppen, die anlässlich des Energiegipfels gebildet werden, dass sie eine ähnlich gute Erfahrung machen. Dafür drücke ich ihnen die Daumen. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Vielen Dank, Frau Kollegin Enslin.