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18.05.2011

Ellen Enslin: Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen haben heute einen Gesetzentwurf zur Änderung der HKO und der HGO vorgelegt. Auch wir sehen die Notwendigkeit, die HGO in bestimmten Bereichen zu ändern, und wurden dazu in der Vergangenheit immer wieder aktiv. Lassen Sie mich deshalb auf einige Bereiche der vorgeschlagenen Änderungen näher eingehen. Unter anderem soll es Änderungen für das Bürgerbegehren, die Haushaltswirtschaft und das kommunale Finanzrecht geben.

Als grüne Landtagsabgeordnete und als engagierte Kommunalpolitikerin vor Ort freue ich mich natürlich, wenn sich Bürgerinnen und Bürger immer mehr in das kommunale Geschehen mit einbringen wollen. Ich bin der Meinung, dass man dieses Engagement auch nach allen Kräften unterstützen sollte. Die dafür in der Hessischen Kreis- und Gemeindeordnung vorgesehenen direkten Beteiligungsmöglichkeiten für die Einwohnerinnen und Einwohner sind meiner Meinung nach nicht ausreichend.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bürgerinnen und Bürger wollen mehr Einfluss und auch außerhalb der Wahltermine. Deshalb müssen diese Beteiligungsmöglichkeiten erweitert werden. Diese Instrumente müssen aber auch eine reale Chance haben, erfolgreich umgesetzt zu werden. Es darf keine Hürden geben, die unüberwindbar sind. Zwar haben wir in Hessen auf kommunaler Ebene die Möglichkeit der Bürgerentscheide. Aber sie werden im Vergleich zu anderen Bundesländern noch an sehr hohe Bedingungen geknüpft.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern wie z. B. Berlin, Bayern oder Hamburg ist Hessen alles andere als Vorreiter. In einem Länderranking kommt Hessen nur auf ein beschämendes Ausreichend. Deshalb war ich zunächst vorsichtig positiv überrascht, als ich sah, dass der Gesetzentwurf von CDU und FDP hier eine Änderung vorsieht. Nachdem ich den Gesetzentwurf allerdings insgesamt gelesen hatte, sieht meine Einschätzung anders aus. Ihr Entwurf stärkt mitnichten die Bürgerbeteiligung in den Kommunen, denn er ist halbherzig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade einmal in einem Paragraphen, nämlich in § 8b, schlagen Sie vor, das Quorum für die Unterschriftenlisten zu senken und nach Stadtgrößen zu staffeln – kein neuer, aber immerhin ein guter Vorschlag. Er stammt auch von uns, wie Sie korrekterweise in Ihrer Begründung des Gesetzentwurfes anmerken. Leider haben Sie aufgehört, unseren Gesetzentwurf von 2007 zu zitieren. Da wäre ein Plagiat wirklich von besserer Qualität gewesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Zu einer Senkung der Zustimmungsquote konnten Sie sich nicht mehr durchringen. Liest man weiter, versteht man gleich, warum. Es geht Ihnen im Ergebnis gar nicht um ein Mehr an Bürgerbeteiligung. Die an sich sinnvolle Quotenregelung soll anscheinend davon ablenken, dass Sie einen zusätzlichen Ausschlussgrund beim Bürgerentscheid aufnehmen wollen. Entscheidungen im Rahmen der Bauleitplanung sollen nach dem Aufstellungsbeschluss zukünftig nicht mehr durch einen Bürgerentscheid geändert oder aufgehoben werden.

Das hatte im Länderranking noch für einen Pluspunkt gesorgt. Ihre Ausführungen im Teil „Finanzielle Auswirkungen“ sind dazu ziemlich entlarvend. Darin steht klar, dass beim Bürgerbegehren zwar der Unterschriftenzeitraum verlängert und das Unterschriftenquorum in großen Städten abgesenkt wird, gleichzeitig aber der Themenkatalog eingeschränkt wird. Daher ist insgesamt nicht mit einer steigenden Zahl von Bürgerentscheiden zu rechnen. Ich denke, hier sprechen Sie eine klare Sprache,

(Zuruf der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

aber nicht unsere. Sie können sich vorstellen, dass wir das anders sehen. Das jetzt einem direkt gewählten Bürgermeister oder einer Bürgermeisterin die Möglichkeit eröffnet werden soll, eine vorzeitig Abwahl selbst zu initiieren, ist sicher eine Möglichkeit, über die diskutiert werden sollte. Es gibt sicher Gründe, weswegen ein Bürgermeister sein Amt aufgeben können sollte, ohne gleichzeitig seine Altersbezüge zu verlieren. Allerdings dürfen die sich daraus ergebenden Folgekosten nicht nur von den Kommunen getragen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Ihre Vorschläge zu den kommunalen Finanzen überzeugen leider auch nicht. Welchen Vorteil soll es haben, auch für die mittelfristige Ergebnisplanung der Unterdeckung ein Haushaltssicherungskonzept zu erstellen? Schon heute sind die Haushaltssicherungskonzepte für den laufenden Haushalt oft nach dem Prinzip Hoffnung erstellt. Aber sie laufen durch und werden von der Kommunalaufsicht oft akzeptiert.

Welche Aussagekraft hätte es, wenn aufgrund noch unsicherer Annahmen und Prognosen zusätzliche Sicherungskonzepte erstellt werden sollten? Wäre es nicht besser, für den laufenden Haushalt ein wirklich realistisches Sicherungskonzept zu erstellen, das perspektivisch angelegt ist und die Einhaltung konsequent kontrolliert wird?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das die Berichtspflicht für kommunale Beteiligung reduziert werden soll und nur noch ab einer 20%-Beteiligung erfolgen soll, geht unserer Meinung nach erheblich zu Lasten der Transparenz für die kommunalen Mandatsträger, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger.

Es wurde schon angesprochen: Mit der kommunalen Anstalt sollen mehr unternehmerische Möglichkeiten für die Kommunen geschaffen werden. Aber gegen den Vorschlag, die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen endlich zu erweitern – der Kollege Siebel hat es angesprochen: Breitband oder z. B. die Versorgung mit erneuerbaren Energien –, gibt es in der Regierungskoalition anscheinend Widerstände. Dabei wäre dies für die Stadtwerke eine echte Erleichterung. Für die Energiewende in Hessen und den Ausbau der erneuerbaren Energien sind die hessischen Kommunen unverzichtbar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die kommunalen Unternehmen wollen keine Besserstellung gegenüber der privaten Wirtschaft. Aber sie wollen Chancengleichheit. Die ist derzeit nicht gegeben. Da sind sie erheblich behindert.

Mit der Erleichterung, bei den öffentlichen Bekanntmachungen die Alternative Internet zu nutzen, haben die Kommunen die Chance, eine kostengünstige Variante zu nutzen. Damit können sie sogar noch mehr Menschen erreichen. Das sehen wir durchaus positiv.

Aber insgesamt kommen wir zu dem Schluss, dass bei dieser HGO-Änderung viel Schatten und wenig Licht zu finden ist. Aber bei all unseren Kritikpunkten werden wir die Anhörung aufmerksam verfolgen. Wir hoffen auf eine interessante Diskussion. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Frau Kollegin Enslin.

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