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03.02.2011

Ellen Enslin: Der 38. Tätigkeitsbericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten

Herr Präsident, sehr geehrter Herr Prof. Ronellenfitsch, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute diskutieren wir wieder über die jährlichen Datenschutzberichte für den öffentlichen und privaten Datenschutz, und mein Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des RP Darmstadt, die für den privaten Datenschutz zuständig sind, und natürlich dem Hessischen Datenschutzbeauftragten, Herrn Prof. Ronellenfitsch und seinen Mitarbeitern.

(Beifall)

Es handelt sich beim Datenschutz mittlerweile um einen Bereich, der in der Öffentlichkeit einen immer größeren Raum einnimmt. Wenn man sich die vorgelegten Berichte zum privaten und öffentlichen Datenschutz anschaut, dann stellt man fest, dass es durchaus eine interessante Lektüre ist. Auch wenn ich zugeben muss, dass manchmal die Aktualität fehlt, aber Sie haben schon gesagt, dass der nächste eigentlich schon fertig sei, und wenn wir den dann bekommen, sind wir auch ganz dicht dran.

Immer mehr Menschen wollen wissen, was mit ihren Daten geschieht. Es sind unserer Meinung nach zwar immer noch nicht genug, aber die Zahl steigt stetig. Sie wollen wissen, was, wann, wer und zu welchem Zweck über sie gesammelt hat, und sie nehmen ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung sehr ernst, und notfalls ziehen sie dafür auch vor Gerichte. Es ist kein Wunder, dass der Datenschutz Hochkonjunktur hat, denn durch die heutigen technischen Möglichkeiten in der Informations- und Kommunikationswelt haben sich nicht nur die Chancen, sondern auch die Risiken enorm erhöht. Behörden und Unternehmen sind eifrige Datensammler und rufen oft zu Recht die Datenschützer auf den Plan.

Zu Recht hat der Bundesdatenschutzbeauftragte bei den Kontenabrufen durch Behörden einmal darauf hingewiesen, welch enormen Anstieg es da gab. Während es 2005 noch unter 9.000 Anfragen gab, stieg die Zahl im Jahr 2009 auf 44.000 Abrufe von Finanz- und Sozialbehörden an, und im Jahr 2010 hatten wir 58.000 Abrufe zu verzeichnen. Ich gebe zu bedenken: Geht es um die öffentlichen Daten, die den Bürgerinnen und Bürgern auch zugänglich gemacht werden sollen, dann geben sich die Behörden äußerst zugeknöpft, und in Hessen wird diese notwendige Transparenz als „Bürokratiemonster“ verunglimpft. Ich denke da nur an die Entwürfe zum Informationsfreiheitsgesetz von SPD und GRÜNEN, die mit fadenscheinigen Gründen abgeschmettert worden sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel und Nancy Faeser (SPD))

Dass es Unternehmen bei ihren Mitarbeitern mit dem Datenschutz und deren Persönlichkeitsrechten nicht so genau nehmen, davon können wir regelmäßig in den Medien lesen. Nun hat Bundesinnenminister de Maizière einen Entwurf für den Mitarbeiterdatenschutz vorgelegt. Allerdings enttäuschte er. Gerade in wichtigen Bereichen gibt es keinen wirksamen Beschäftigtenschutz, z. B. bei der Videoüberwachung am Arbeitsplatz oder eben beim Korruptionsschutz. Gerade zu den verhängten Bußgeldern bei Unternehmen findet sich im Bericht des RP Darmstadt auch eine interessante Aufstellung. Dort ist nämlich ein sehr hohes Bußgeld in sechsstelliger Höhe wiederzufinden, gerade weil dort in unzulässigerweise Berichte von Mitarbeitern gespeichert worden sind. Das zeigt auch, in welcher Dimension wir uns da befinden.

Für den öffentlichen Datenschutz ist – das ist schon gesagt worden – Herr Prof. Ronellenfitsch zuständig. Daher möchte ich noch etwas ausführlicher auf die Kritik eingehen, die er ganz speziell zum HSOG hatte. Auch wir haben in der Anhörung zu diesem Gesetz mehrmals unsere Kritik geäußert, und es ist mehr als bedauerlich, dass FDP und CDU eben nicht den Ausführungen gefolgt sind, z. B. beim Vertrauensschutz für Berufsgeheimnisträger diesen Vertrauensschutz gleichmäßig zu sehen. Jetzt gibt es ohne jegliche Begründung einen unterschiedlichen Vertrauensschutz, und das finden wir sehr bedauerlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Aber auch die Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen und ihre zunehmende Ausweisung hinterfragen wir kritisch: Inwieweit ist hier die Gefahrenabwehr erfolgreich, oder gibt es eben nicht nur einfach eine Verlagerung auf andere, unbeobachtete Plätze?

Ein wichtiges Feld des Datenschutzes ist eben auch die Schule. Hier gibt es immer wieder Probleme, besonders wenn Lehrer beispielsweise im Homeoffice arbeiten. Der Datenschutzbeauftragte des Landes Hessen hat hierauf mehrmals hingewiesen. Deshalb begrüßen wir es, dass Sie zusammen mit dem Kultusministerium daran gearbeitet haben und hier zu ganz klaren Vorgaben gekommen sind. So ist z. B. jetzt klar, dass bei Gutachten der Persönlichkeitsschutz besonders gewährleistet sein muss und dass diese eben nur in verschlossenen Umschlägen abgelegt werden dürfen.

Wir begrüßen besonders, dass Sie die Broschüre zum Thema Datenschutz in der Schule aktualisiert haben, denn hier sehen wir ganz besonderen Handlungsbedarf. Nicht nur, dass sich Jugendliche in den sozialen Netzen tummeln, allzu oft geben sie dort leichtsinnig ihre persönlichsten Daten preis. Hier wollen wir sie auch weiterhin sensibilisieren.

41 Die letzte Berichterstattung – von einer ganz speziellen Internetseite, auf der es Beleidigungen der übelsten Art gab – hat sogar die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen. Mittlerweile konnten wir lesen, dass diese Seite, aus welchen Gründen auch immer, wenigstens im Moment vom Netz genommen worden ist.

Das Thema Cybermobbing müssen wir mit entsprechender Aufklärung an der Schule, aber eben auch mit einer Stärkung der Medienkompetenz angehen. Das ist der richtige Weg. Gerade, wenn wir das Datenschutz-Kompetenzzentrum haben, wenn wir den Datenschutz unter einem Dach haben werden, dann werden wir diese Aufklärung in den Schulen noch verstärken können.

(Beifall bei den BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Kollege Greilich hat es angesprochen: Ein ganz sensibler Bereich sind die Gesundheitsdaten, gerade im Krankenhaus, aber immer mehr auch in den medizinischen Versorgungszentren. Ich finde es sehr hilfreich, dass Sie als Datenschutzbeauftragter dort immer wieder genau hinschauen und sagen, wo die Probleme liegen. Denn oft wird dort allzu leichtsinnig mit den Daten umgegangen. Diese Probleme sind in den Krankenhäusern oder in den medizinischen Versorgungszentren noch nicht eindeutig geklärt: Wer hat Zugriff auf die Daten? Werden dabei auch die Rechte der Patienten gewahrt?

Über einen Punkt im Datenschutzbericht habe ich mich wirklich gewundert. Die Hessische Landesregierung hat ihm auch widersprochen. Es ist schade, dass es immer noch nicht vollständig gelungen ist, im Personalreferenzmodell von SAP die Abwesenheitszeiten löschen zu können. Ich hoffe doch, dass wir 2011 endlich so weit sind, dass diese Sache endlich behoben wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Boris Rhein: Ab dem 1. April!)

2011?

(Minister Boris Rhein: Ab dem 1. April 2011!)

– Herr Innenminister Rhein, ich danke Ihnen. – Sie sehen: Ab dem 1. April 2011 ist das möglich. Wenn man sich vorstellt, dass die Arbeitsgruppe dazu im Jahr 2005 gestartet wurde, dann kann man sich vorstellen: Das muss ein ziemlich großes Problem gewesen sein.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – und des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Ich war immer irritiert, dass das eine so lange Zeit gebraucht hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf eine positive Sache möchte ich gerne noch eingehen. Sie ist immer wieder in den Datenschutzberichten angemahnt worden, und wir GRÜNE haben, gemeinsam mit der SPD und dem Datenschutzbeauftragten immer wieder darauf hingewiesen: dass die Unabhängigkeit des privaten Datenschutzes in Hessen nicht gewährleistet war.

Präsident Norbert Kartmann:

Kommen Sie bitte zum Ende.

Ellen Enslin:

Es ist erfreulich, dass uns das EU-Urteil jetzt auf den richtigen Weg gebracht hat. Es wurde angesprochen: Wir haben eine interfraktionelle Gruppe gegründet und sind in einem konstruktiven Dialog. Es gibt noch einige Punkte, die geklärt werden müssen. Aber auch das wird uns gelingen – damit Hessen als Stammland des Datenschutzes wieder an seinen guten Ruf anknüpfen kann. Mit dem öffentlichen und dem privaten Datenschutz unter einem Dach sehen wir gute Voraussetzungen, notwendige Synergieeffekte zu nutzen, um eine bürgernahe Beratung, aber auch eine konsequente Überwachung und Kontrolle zu ermöglichen.

Dafür werden wir uns einsetzen. Wir danken dem Datenschutzbeauftragten für seine Arbeit – danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))