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03.03.2011

Ellen Enslin: Datenschutz stärken und Bürger vor Gefahren in „Sozialen Netzwerken“ schützen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die sozialen Netzwerke zählen zu den meistgenutzten Kommunikationsanwendungen im Internet. In erster Linie geht es hier um Kommunikation, Kontaktpflege und Informationsaustausch.

Hinter all diesen Plattformen aber stehen große Unternehmen: die Verlagsgruppe Holtzbrinck hinter studiVZ, schülerVZ und meinVZ. Wer-kennt-wen gehört zur RTL-Group, Lokalisten zu ProSiebenSat1, MySpace zum Medienimperium von Rupert Murdoch, und bei Facebook ist Microsoft dabei.

Ein von der „Stiftung Warentest“ durchgeführter Test brachte im Jahre 2010 erhebliche Mängel zutage. Das Ergebnis war niederschmetternd. Bei acht von zehn der größten sozialen Netzwerke wurden erhebliche Mängel beim Datenschutz und der Datensicherheit festgestellt. Was besonders auffällig war: Die Großen – wie Facebook, MySpace oder LinkedIn – waren alles andere als bei diesem Test kooperativ.

Auch wenn der Eindruck erweckt wird, die Nutzung der Netzwerke sei kostenlos, so hat sie doch ihren Preis. Die Mitglieder zahlen indirekt mit ihren privaten Daten. Die Verwertung der persönlichen Daten – der Vorlieben, des Aufenthaltsortes oder die Kontakte – sind ein ganz besonders lukratives Geschäftsfeld. Dafür bezahlen Unternehmen sehr viel Geld.

Besonders beim Blick auf die Geschäftsbedingungen stehen einem die Haare zu Berge. Nicht nur haben die Nutzer wenig Rechte, nein, ohne es häufig zu bemerken, verzichten sie selbst auf weitgehende Rechte, z. B. bei der Weitergabe von Daten an Dritte, wie dies nicht nur bei Facebook der Fall ist.

Facebook setzt jetzt allerdings noch einen drauf. Mit der Verschärfung seiner AGBs seit dem 4. Februar schaltet es seine umstrittene umgehende Personalisierung aktiv. Bisher war der Button „Umgehende Personalisierung auf Partnerseiten zulassen“ noch ausgegraut. Ebenso bleiben jetzt die Rechte an allen bis dahin hochgeladenen Daten, Bildern, Fotos und Texten bei Facebook. Das gilt selbst dann, wenn Sie die Community verlassen. So sichert sich Facebook selbst über die Abmeldung hinaus die komplette Kontrolle über die Inhalte. Es wurde angesprochen: Hier ist dringender Handlungsbedarf angesagt. Wir benötigen strenge, klare gesetzliche Regelungen in diesem Bereich, damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Internet gewährleistet wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die noch von Bundesinnenminister de Maizière vorgelegten Eckpunkte zur Internetdatensicherheit greifen in einigen Bereichen leider zu kurz. Richtig ist, die angekündigten Grenzen etwa bei der Profilbildung bei Suchmaschinen oder bei Gesichtserkennungsdiensten gehen in die richtige Richtung. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, haben hierzu noch einmal Eckpunkte vorgelegt, die wesentlich zielführender sind.

Dazu gehört, dass die Datenerhebung und -verarbeitung transparent gestaltet sein müssen. Sie müssen verständlich und leicht abrufbar sein. Es muss ein verbrieftes Widerspruchsrecht geben, ebenso ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für die Zusammenführung und Verknüpfung von personenbezogenen Daten. Die freiwillige Selbstverpflichtung muss durch Sanktionen verbindlicher gemacht werden, und Verbraucherrecht und Datenschutzrichtlinien müssen aktiv durchgesetzt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört auch, das international durchzusetzen, wie z. B. beim Abkommen „Safe Habor“ zwischen der Europäischen Union und den USA. Natürlich muss auch der technologische Fortschritt frühzeitig berücksichtigt werden, und gerade bei den Voreinstellungen der sozialen Netzwerke und bei den Browsern müssen Daten- und Verbraucherschutz höchste Priorität haben.

Es muss klar sein, dass Unternehmen, die mit den Daten ihrer Nutzer Geschäfte machen wollen, dies nur mit ausdrücklicher Zustimmung ihrer Nutzerinnen und Nutzer machen dürfen. Es muss auch gewährleistet sein, dass jeder, der seine persönlichen Daten ins Internet stellt, sie auch wieder löschen kann.

Ein besonderer Schwerpunkt muss für uns die Förderung der Medienkompetenz von Eltern und Kindern sein. Dazu benötigen wir mehr als nur Aktionstage wie den Safer Internet Day, der in diesem Jahr unter dem Motto „Erst denken, dann posten“ stand. Daran haben sich viele Schulen beteiligt. Vielmehr brauchen wir ein Konzept – Frau Faeser hat es angesprochen –, das wir hier in Hessen umsetzen.

Eltern machen sich zwar große Sorgen, wenn ihre Kinder im Internet unterwegs sind, aber sie unternehmen kaum etwas zum Schutz. Das hat eine Studie des medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest in Stuttgart ergeben. Schon jeder Dritte der Zehn- bis Elfjährigen habe außerdem ein Profil in einem sozialen Netzwerk. Die Bereitschaft, persönliche Daten preiszugeben, sei bedenklich, sagte Studienleiter Thomas Rathgeb der Presse. Das Thema Datenschutz erscheine Kindern eher schwer zugänglich.

Hier müssen wir ansetzen. Deshalb müssen Schulen und Bildungsträger durch gemeinsame Projekte Eltern, Kinder und Jugendliche auf die Gefahren und Risiken im Internet aufmerksam machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Medienkompetenz zu stärken ist eine vordringliche Aufgabe der Zukunft, und der SPD-Antrag zeigt einen Weg auf.

Es ist mehr als bedauerlich, dass es beim wichtigen Thema Persönlichkeitsschutz im Internet auf Bundesebene keine einheitliche Ebene gibt. Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat zugegeben, dass ihr die Vorschläge des Bundesinnenministers nicht weit genug gehen, um die Persönlichkeitsrechte effektiv zu schützen. Recht hat sie.

Nach der Ankündigung des hessischen Innenministers, mit einer Bundesratsinitiative aktiv zu werden, sind wir natürlich gespannt, wie seine Vorschläge im Einzelnen aussehen werden. Wir haben allerdings Befürchtungen, dass die im Grunde löbliche Aktivität nicht ausreichend sein wird; denn wichtige Aspekte zu diesem Thema sind bisher weder in den Ankündigungen von Innenminister Boris Rhein noch im Antrag von CDU und FDP zu finden.

Wenn die Bundesratsinitiative auf das Telemediengesetz beschränkt bleibt, greift sie leider zu kurz. Auch Telekommunikations- und Bundesdatenschutzgesetz müssen mit einbezogen werden. Aber die Intention des Antrags geht in die richtige Richtung, und deshalb werden wir ihn unterstützen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf drei Punkte möchte ich kurz eingehen und sie nicht unkommentiert lassen. Sicher müssen Nutzerinnen und Nutzer einen kritischen Umgang in den sozialen Netzwerken mit ihren Daten selbst leisten. Sie haben da eine Selbstverantwortung. Aber auch der Staat steht hier in der Pflicht, gesetzliche Vorkehrungen zum Schutze der Grundrechte der betroffenen Nutzerinnen und Nutzer zu machen. Natürlich ist es richtig, mit der Zusammenlegung von öffentlichem und privatem Datenschutz in einer gemeinsamen Landesbehörde sind wir einen wesentlichen Schritt weiter, dies auch institutionell zu etablieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber – das gehört auch dazu – wir sind nicht mehr die Ersten. Deshalb hoffe ich, dass wir heute Nachmittag ein Einvernehmen finden und schnell weiterkommen.

Was für mich besonders unglücklich ist, das ist das unwürdige Kompetenzgerangel auf Bundesebene, wie hier um die Meinungshoheit zwischen Innen-, Verbraucherschutz- und Justizministerium gekämpft wird. Die Bürgerinnen und Bürger brauchen keine Politiker, die sich hier auf ihre Kosten profilieren, sondern sie brauchen gesetzliche Regelungen, die einen effektiven Daten- und Verbraucherschutz im Internet gewährleisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Vorstoß des hessischen Innenministers zeigt auch, dass die Verantwortlichen in Berlin ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht haben. Wir hoffen, dass die Bundesratsinitiative die von uns aufgezeigten Probleme von Verbraucherschützern und Datenschützern berücksichtigen und nicht das Schicksal erleidet, wie das beim Ländervorstoß zu Google Street View geschehen ist. Hier hat der Bundesinnenminister von einer gesetzlichen Regelung zum Datenschutz bei den Geoinformationssystemen abgesehen und sich stattdessen auf eine Selbstverpflichtung der Internetwirtschaft eingelassen.

Aber wir haben jetzt einen neuen Bundesinnenminister, und er hat die große Chance, beim Verbraucher- und Datenschutz im Internet einen großen Erfolg zu haben. Wir hoffen sehr, dass er die Möglichkeiten erkennt, damit der Verbraucher- und Datenschutz im Internet nicht unter die Räder kommt. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Vielen Dank, Frau Kollegin Enslin.