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14.12.2012

Ellen Enslin: Änderung des Friedhofs- und Bestattungsgesetzes

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der letzten Ausschussrunde kündigten CDU und FDP bereits an, dass sie noch eine Änderung zum Entwurf für ein Friedhofs- und Bestattungsgesetz einbringen würden. Wegen der Komplexität der Regelung seien sie allerdings nicht rechtzeitig fertiggeworden – was ein wenig überrascht, wenn man sich den nun vorliegenden Text ansieht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Lediglich die Ausnahmeregelungen in § 18 werden um den Zusatz „und aus religiösen Gründen die Bestattung ohne Sarg“ erweitert. Dieser Einschub bleibt weit hinter den Erwartungen zurück.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Außerdem bleibt die Entscheidung über die Aufhebung der Sargpflicht einzig und allein dem Ermessen des Gemeindevorstands vorbehalten. Daraus kann kein Anspruch abgeleitet werden. CDU und FDP haben leider die Chance verpasst, einen modernen und dem Thema angemessenen Gesetzentwurf vorzulegen. Dazu fehlte ihnen die Kraft.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt keinen Sachgrund, weiterhin an der Sargpflicht festzuhalten. Wir wissen, dass es gerade für muslimische Familien in Hessen ein echtes Problem ist, ihre Toten zu bestatten. Deswegen fordern wir schon lange eine Aufhebung der Sargpflicht als ein wichtiges Signal an die hier lebenden Musliminnen und Muslime. In vielen anderen Bundesländern, z. B. in Hamburg, Nordrhein-Westfalen, im Saarland und auch in Niedersachsen, ist das schon heute möglich.
2007 haben wir GRÜNE einen Vorstoß dazu unternommen. Deshalb hat der SPD-Entwurf hierzu unsere volle Unterstützung. Daneben wollen wir den Kommunen aber auch die Möglichkeit geben, zu untersagen, dass auf den Friedhöfen Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit verwendet werden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
CDU und FDP waren nach der Anhörung des SPD-Entwurfs noch der Meinung, dass die derzeitig geltenden Regelungen ausreichen würden und dass eine von der SPD geforderte Aufweichung der Sargpflicht nicht notwendig sei. Umso erfreulicher ist es, dass es hier mittlerweile einen ganz kleinen Sinneswandel gegeben hat. Aus religiösen Gründen ist jetzt ein Verzicht auf die Sargbestattung gestattet.
Weltanschauliche Gründe, deren Einbeziehung von der SPD und auch von uns GRÜNEN gefordert wurde, blieben allerdings unberücksichtigt. Sehr geehrte Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, das ist unzureichend und ganz und gar nicht zeitgemäß.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir leben in einer Zeit vielfältiger Bestattungs- und Trauerkulturen. Menschen haben vielfältige Weltanschauungen, in denen religiöse Komponenten oft keine oder nur partiell eine Rolle spielen. Sie bringen, was die Form der Bestattung betrifft, oft heute schon andere Vorstellungen als Ausdruck ihrer Individualität mit ein. So sieht die Realität heute aus.
Die Freiheit des Menschen, über sich zu entscheiden, endet nicht mit seinem Tod. Es gibt auch Freiheitsrechte, die über seinen Tod hinausgehen.
Das stellte der Abg. Jörg-Uwe Hahn im Juli 2007 im Plenum fest. Dem kann ich nur zustimmen. Deshalb ist es umso bedauerlicher, dass sich diese Überzeugung in Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nicht wiederfindet und dass die Möglichkeit, den Sargzwang auch aus weltanschaulichen Gründen aufzuheben, nicht berücksichtigt wurde.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In einer modernen und weltoffenen Gesellschaft muss es einfach dazugehören, dass die Pluralität der Wünsche auch bei der Bestattung respektiert wird.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Aufhebung des Sargzwangs aus religiösen Gründen ist ein wichtiger Schritt für viele Menschen, insbesondere für Muslime. Dass die Freiheitsrechte auch über den Tod hinaus respektiert werden, erleichtert die Entscheidung für die neue Heimat. Das begrüßen wir sehr. Aber es reicht bei Weitem nicht aus. Auch weltanschauliche Gründe müssen in einem modernen Bestattungsgesetz für Hessen berücksichtigt werden. Der vorgelegte Entwurf ist davon weit entfernt. – Ich danke Ihnen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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