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24.06.2010
Portraitfoto von Daniel May vor grauem Hintergrund.

Daniel May zu: Genmais erreicht Hessen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als der Landtag zum letzten Mal über das Thema Agrar-Gentechnik diskutiert hat, so geschah das nach der Entscheidung der damaligen Landwirtschaftsministerin, den Monsanto-Mais zu verbieten. Das war am 14. Mai 2009. Damals bekannte sich der Landtag parteiübergreifend zur Stärkung gentechnikfreier Regionen. Auch die Koalition teilte den Ansatz, die Bedenken der Bevölkerung in Sachen Gentechnik ernst zu nehmen. Aber – und da trennten sich die Wege – die Koalition sprach sich grundsätzlich gegen Verbote der Agro-Gentechnik aus.

Diese Haltung aber – einerseits zu sagen, wir nehmen die Bedenken der Bevölkerung ernst, andererseits aber zu sagen, im Prinzip sind wir nicht gegen Gentechnik – funktioniert nur dann, wenn Sie von einem Nebeneinander von Agrar-Gentechnik und normaler Gentechnik ausgehen. Diese Haltung aber ist unglaubwürdig, wie der kürzliche Fund von gentechnisch verunreinigtem Saatgut in Hessen zeigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Wahrheit müssen Sie sich jetzt stellen. Eine Koexistenz von Landwirtschaft mit gentechnisch verändertem Saatgut und normaler Landwirtschaft ist nicht möglich. Sie müssen Ihre Haltung ändern.

Entweder nehmen Sie die Haltung an, zu sagen: Na ja, es ist uns egal, was die Mehrheit der Bevölkerung will, wir lassen die Gentechnik weiterhin zu. Oder Sie revidieren Ihre bisherige Haltung und sagen: Wir sind gegen Gentechnik in der Landwirtschaft.

Alles andere ist unglaubwürdig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir GRÜNE, aber auch die Mehrheit der Bevölkerung sind gegen Gentechnik in der Landwirtschaft. Denn wir stehen der Gentechnikgläubigkeit skeptisch gegenüber – eine Technikgläubigkeit, die sagt, wir können die Natur grenzenlos kontrollieren, und sich in der Gentechnik niederschlägt.

In anderen Technikbereichen hat dieser Kontrollwahn zu größtmöglichen Katastrophen geführt. Das manifestiert sich im Sarkophag des Reaktors von Tschernobyl und in der Ölpest im Golf von Mexiko. Deshalb wollen die Leute die Gentechnik nicht, und deshalb müssen wir uns gegen sie stellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))

In Deutschland wurde in diesem Frühjahr auf etwa 2.000 ha Fläche gentechnisch verunreinigtes Saatgut ausgebracht. Glücklicherweise wurde das jetzt noch entdeckt, und die Pflanzen werden hoffentlich vernichtet. Aber es ist ein Skandal, dass jetzt die Landwirte auf ihren Kosten sitzen bleiben, weil sich die Firma Pioneer weigert, ihre Verantwortung wahrzunehmen.

Deshalb ist es für uns klar: Wir brauchen klare Haftungsregeln und müssen uns der Gentechnik entgegenstellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Statt die Landwirte zu entschädigen, will die Gentechnik-Industrie jetzt noch mehr. Sie sagt gar nicht mehr, sie will Koexistenz, sondern sie sagt, sie will ein Verschmutzungsrecht. Sie will einen sogenannten Schwellenwert, d. h. es soll rund 1 Prozent des Saatguts durch Gentechnik verunreinigt sein dürfen. Das aber führt dazu, dass schleichend immer mehr Gentechnik in die Landwirtschaft entlassen werden kann und dadurch eine Landwirtschaft ohne Gentechnik nicht mehr möglich ist. Damit wird der ökologische Landbau nicht mehr möglich – aber auch der konventionelle Landbau, der sich gegen den Einsatz von Gentechnik entscheidet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Dieser Entwicklung wollen wir uns entgegenstellen.

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr May, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Daniel May:

Nein, ich habe nur noch eine Minute 15 Sekunden, das schaffe ich sonst nicht mehr.

Wenn die Landesregierung ihre Haltung vom Mai vorigen Jahres ernst nimmt, muss sie ihre Praxis ändern. Die Landesregierung muss mehr Kontrollen durchführen. Denn wie die Antwort auf meine Kleine Anfrage zum Fund gentechnisch verunreinigten Maissaatguts von gerade mal vor einer Woche: Immer wieder wird Gentechnik in die Landwirtschaft entlassen. Innerhalb einer Woche mussten wir von der Aussage, in Hessen haben wir keine Verunreinigung, zu der Einsicht kommen, auch hier hat es Verunreinigungen gegeben.

Wir müssen auch die Züchter in die Pflicht nehmen. Es reicht nicht, nur zu kontrollieren, wenn nicht von vornherein garantiert wird, dass dieses Saatgut gentechnikfrei ist.

Zurzeit erleben wir eine ganze Reihe von Angriffen auf die gentechnikfreie Landwirtschaft: von der CDU/SPD-Landesregierung von Sachsen-Anhalt, von der CDU/FDP-Bundesregierung und auch von der Gentechnik-Industrie. Das Gentechnikgesetz wird vor dem Verfassungsgericht angegriffen, willkürlich wird die Amflora zugelassen, und der Wissenschaftsbeirat des Unions-geführten Landwirtschaftsministeriums will die Null-Toleranz aufheben.

Diese Angriffe auf die Nicht-Gentechnik-Landwirtschaft werden wir nicht hinnehmen. Es liegt jetzt an Ihnen, Haltung zu beweisen, Ihre Position vom Mai vorigen Jahres zu untermauern und die Bedenken der Bevölkerung ernst zu nehmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke sehr, Herr May.

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