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25.04.2013
Portraitfoto von Daniel May vor grauem Hintergrund.

Daniel May: Rechtsextremismus in Justizvollzugsanstalten wirksam bekämpfen statt Probleme zu leugnen

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Selten hat eine Große Anfrage eine so große Aufmerksamkeit erzeugt, wie es die Große Anfrage der LINKEN zu neonazistischen Subkulturen in unseren Gefängnissen getan hat.

Es gibt sicherlich auch wenige Große Anfragen, die so ungenügend beantwortet wurden. Ich finde, dass die Antwort auf die Große Anfrage, aber auch die Medienberichterstattung und die öffentlichen Äußerungen nach Bekanntwerden der „AD Jail Crew“ zeigen, dass diese Landesregierung ein Problem hat. Sie ist nicht nur erschöpft und verbraucht, sondern auch ziemlich selbstgefällig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ich werde Ihnen jetzt darstellen, dass der hessische Justizminister versagt hat. Er hat versagt, wirksam Prävention gegen eine Netzwerkbildung von Rechtsradikalen im Justizvollzug zu betreiben.

(Zuruf von der FDP)

– Ja, das kann ich belegen. – Auch die Innenbehörden haben versagt – es wurde eben schon dargestellt –, was die Kommunikation zwischen den Behörden angeht. Auch da gibt es wieder ein Versagen, denn Fakt ist, im hessischen Justizvollzug konnte ungehindert ein weithin bekannter Neonazi eine Nachfolgeorganisation der HNG gründen. Er konnte von Hessen aus ungestört sein Neonazi-Netzwerk bewerben. Sie, Herr Justizminister Hahn, haben nicht genug getan, um zu verhindern, dass die Neonazis die Justizvollzugsanstalten als Rekrutierungsfeld wahrnahmen. All das sind Tatsachen. Sie zeigen ein eklatantes Versagen im Amt. Sie haben versagt, was das Sichausbreiten der Rechtsradikalen angeht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Von daher kann ich nicht verstehen, wieso Sie, aber auch die Sie tragenden Fraktionen sich jetzt wieder selbst loben und das Problem als erledigt erklären. Woher wissen Sie denn so genau, wie viele Menschen von Herrn T. im Justizvollzug gewonnen wurden? Woher wissen Sie denn so genau, dass die Strukturen tatsächlich allesamt zerschlagen wurden? Sollte man nicht gerade angesichts der vollkommenen Fehlbeantwortung der Großen Anfrage etwas vorsichtiger argumentieren? Sollten Sie nicht etwas mehr Demut an den Tag legen? Es scheint, als hätten Sie aus den jüngsten Entwicklungen nichts gelernt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich finde, Sprüche wie: „Ich habe schlecht gehandelt“ oder die großen Erfolge, die Sie sich zuschreiben, eher deplatziert. Das kann man auch als einen Täuschungsversuch an der Öffentlichkeit, als fehlende Sachkenntnis oder als eine Mischung aus beidem werten. Mit der Realität hat das aber nichts zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Geradezu absurd ist es, wenn in Sondersitzungen auf die Fragen in Dringlichen Berichtsanträgen und auf Nachfragen von Abgeordneten mit Verweis auf laufende Ermittlungsverfahren nicht geantwortet wird, es aber gleichzeitig dieser Justizminister war, der die Ermittlungen an die Presse durchstach, um sich vor dem FDP-Parteitag noch einmal in die Medien zu bringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das schmale Ergebnis von Herrn Hahn auf dem Landesparteitag der FDP zeigt, welches Motiv dahinter war. Es ist aber eines Justizministers nicht würdig, ein solches Thema für den innerparteilichen Wahlkampf zu instrumentalisieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Es ist zumindest eine potenzielle Beeinträchtigung der Arbeit der Ermittlungsbehörden in den anderen Ländern entstanden. Auch darüber wird noch zu reden sein.

Zum heutigen Zeitpunkt steht fest: Die Ermittlungen kamen spät ins Rollen. Die „AD Jail Crew“ existierte schon fast ein Jahr, bevor die Behörden Ermittlungen gegen diese Gruppe aufnahmen. Der Grund dafür ist, dass fehlerhaft ausgewertet wurde und dass es keinen Informationsfluss zwischen den Behörden gab. Auch als die Ermittlungen begonnen hatten, gab es keinen Informationsaustausch zwischen den Behörden.

Es ist mir auch zu billig, wenn jetzt auf einzelne Stellen verwiesen wird, wenn dem Verfassungsschutz oder den Postkontrollen in Hünfeld einseitig der Schwarze Peter zugeschoben wird. Es sind mir zu viele Einzelfälle, als dass es wirklich Einzelfälle wären. Da ist im System etwas faul. Es gibt nicht nur das Fehlverhalten Einzelner, sondern eine vollkommen falsche Einordnung des Sachverhalts durch die Regierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Es gibt bereits mehrere amtliche Versionen, wie man auf die weithin sichtbare Spur der AD Jail Crew kam. Einmal war es ein Informant, dann war es ein Zeitungsbericht, und schließlich war es das nachträgliche Entdecken der Anzeige in der „Bikers News“. Allein die Vielzahl der Varianten zeigt, dass das Aufdecken des Neonazinetzwerks des Bernd T. mitnichten ein Erfolg der Hessischen Landesregierung war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass Herr T. sein Netzwerk so lange pflegen konnte, zeigt ganz klar, dass die Landesregierung bei der Beobachtung, der Prävention und dem Unterbinden der Netzwerkbildung von Rechtsradikalen in unseren Gefängnissen versagt hat.

Schauen wir uns einmal die zentrale Figur an: Herrn T. Bernd T. hat schon an vielen Orten versucht, rechtsradikale Organisationen aufzubauen. An vielen Orten haben die Bürgerinnen und Bürger dieses Bestreben mit viel Zivilcourage zunichte gemacht. Es gibt mittlerweile viele Berichte darüber. Von daher ist es völlig unverständlich, dass Herr T. im Gefängnis nicht besonders beobachtet wurde; es muss doch allen klar gewesen sein, dass er ein weithin bekannter Neonazi ist.

Es ist daher überhaupt nicht zu erklären, dass es keinen Austausch zwischen den Sicherheitsbehörden gab. Es scheint, als ob es null Konsequenzen aus der Debatte über das Verhalten der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit den NSU-Morden gegeben hätte. Es scheinen auch null Konsequenzen aus dem Verbot der HNG gezogen worden zu sein. Die Antwort auf die Große Anfrage der LINKEN ist das eindeutige Zeugnis dieses Versagens. Die Antworten, die die Landesregierung uns da aufgetischt hat, zeigen ganz deutlich, dass sie überhaupt kein Problembewusstsein hatte und dass es keinen systematischen Informationsaustausch zwischen den Behörden gab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es geht nicht nur um den Gefangenen T. und sein Netzwerk, sondern auch darum, dass die neonazistische Subkultur von der Landesregierung im Allgemeinen nicht wahrgenommen wurde. Wir diskutieren heute nicht nur über ein greifbares Beispiel, nämlich die AD Jail Crew – die so nicht mehr existiert –, sondern wir müssen auch über das Problem an sich reden, das DIE LINKE mit ihrer Großen Anfrage aufgezeigt hat. Wir müssen Lehren aus dem Versagen der Sicherheitsbehörden ziehen. Wir müssen dafür sorgen, dass es in Zukunft in unseren Gefängnissen keine Bildung rechtsradikaler Strukturen mehr gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir haben daher einen Antrag erarbeitet, der die Punkte enthält, von denen wir glauben, dass wir damit der Bildung rechtsradikaler Strukturen im Justizvollzug entgegenwirken können.

Aber wir müssen auch über die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage reden, die immer noch in dieser Form vorliegt. Ich finde es nämlich nicht erträglich, dass die Landesregierung es nicht für nötig hält, diese Antwort zurückzuziehen. Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass das noch immer Ihre offizielle Haltung ist. An mehreren Stellen wird gesagt, in keiner hessischen Justizvollzugsanstalt lägen Erkenntnisse über Versuche von Neonazis vor, sich innerhalb der Justizvollzugsanstalt zu organisieren.

Ich fordere Sie daher auf: Ziehen Sie diese Antwort jetzt zurück, und präsentieren Sie eine neue. Es ist längst überfällig, dass der Justizminister dieses peinliche Dokument zurückzieht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich möchte noch etwas zu den beiden Anträgen sagen, die neben unserem eingebracht worden sind. Mit dem Antrag der LINKEN habe ich ein Problem. Sie erklären darin, der Justizminister habe bewusst die Unwahrheit gesagt. Das bedeutet aber in der Konsequenz, dass er es besser gewusst hat: dass er zum Zeitpunkt der Beantwortung der Anfrage von der AD Jail Crew und deren Netzwerk Kenntnis hatte. Das würde wiederum bedeuten, dass er sie deckt. Aber das glaube ich nicht. Ich glaube, er hat im Amt versagt. Aber ich glaube nicht, dass er rechtsradikale Strukturen decken wollte. Von daher können wir dem nicht zustimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den Antrag der Fraktion der CDU und der FDP kann man wirklich nur noch als „deplatziert“ bezeichnen. Wenn Sie sich die Mühe machen, die Absätze 2 und 3 Ihres Antrags miteinander zu vergleichen, muss Ihnen doch auffallen, dass es da einen gewissen Widerspruch gibt. Wie können Sie sich in Absatz 2 selbst dafür loben, wie super alles sei, und in Absatz 3 erklären, man brauche eine Arbeitsgruppe, die alles besser macht? Das ist völlig unlogisch. Von daher können wir auch diesem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich fasse zusammen: Die Sicherheitsbehörden haben in diesem Fall wieder versagt. Die Landesregierung hat dem Problem lange Zeit nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt. Es fehlt ihr an Problembewusstsein. Wir müssen unsere Anstrengungen in Zukunft verstärken und besser koordinieren. Unsere Justizvollzugsanstalten dürfen keine Rekrutierungsorte für Rechtsradikale werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege May.

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