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02.02.2012
Portraitfoto von Daniel May vor grauem Hintergrund.

Daniel May: Hessische Landwirtschaft und Weiterentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Stephan, vieles von dem, was Sie gesagt haben, ging ansatzweise in die richtige Richtung.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Sie haben es aber leider nicht geschafft, die eigenen Ansätze zu Ende zu denken, sondern Sie haben immer wieder die Kurve gekriegt, hin zur Folklorerhetorik des Bauernverbandes, hin zum Schimpfen auf den Naturschutz und hin zum Schimpfen auf das Screening bei der gemeinsamen Agrarpolitik. Das ist der vollkommen falsche Weg. Das ist vielleicht ein Stück weit Folklore für den Hessischen Bauernverband, bringt aber die hessische Landwirtschaft kein Stück weiter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die gemeinsame Agrarpolitik ist natürlich vor allen Dingen für die Landwirtschaft da. Sie ist aber auch für die Gesellschaft da, denn sie ist ein Instrument, das aus der Gesellschaft heraus und für die Gesellschaft getragen wird. Von daher ist die Fortschreibung der gemeinsamen Agrarpolitik 2013 eine Chance, die gemeinsame Agrarpolitik und die Förderung der Landwirtschaft dauerhaft zu sichern. Für viele Menschen ist es eben nicht selbstverständlich, dass die Landwirtschaft von der Gesellschaft gefördert wird. Die Leute sehen die Notwendigkeit erst einmal nicht, wieso der Staat die Landwirtschaft fördern muss. Von daher ist es wichtig, die gemeinsame Agrarpolitik auf ein gesellschaftliches Fundament zu stellen, das bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern Akzeptanz erzeugt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses neue Fundament ist eben das Screening. Das Screening der gemeinsamen Agrarpolitik besagt: Wir wollen öffentliches Geld für öffentliche Leistungen ausgeben. Von daher sind Ihre Attacken gegen die EU vollkommen daneben, von wegen: „Wir werden gegen das, was die EU vorhat, kämpfen, und wir werden die hessische Landwirtschaft retten!“ –. Wir können die gemeinsame Agrarpolitik nur dann retten, wenn wir dieses Screening verfolgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von daher sollten wir versuchen, den Menschen mit der gemeinsamen Agrarpolitik zu erklären, wozu es diese Subventionen im Agrarbereich braucht. Wir brauchen diese Subventionen für Maßnahmen, die der Markt eben nicht abbilden kann. Wenn der Landwirt etwas für den Bodenschutz, den Klimaschutz, für Biodiversität oder Tierschutz tut, dann sind das Dinge, die auf dem Weltmarkt nun mal nicht eingepreist sind. Für diese öffentlichen Leistungen, die von der Öffentlichkeit dann auch erkannt werden, wollen wir öffentliches Geld hineingeben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bürgerinnen und Bürger haben doch auch die Nase voll von einer „wachsen oder weichen“ Ideologie in der Landwirtschaft, die immer mehr und immer effektiver produzieren will, ohne Rücksicht auf Umwelt- und Tierschutzbelange zu nehmen.

Bei der Grünen Woche haben sich dieses Jahr noch mehr Menschen zu einer Demonstration, nach dem Motto: „Wir haben es satt!“, getroffen. Rund 23.000 Menschen haben am Rande der Grünen Woche demonstriert, unter dem Motto: „Wir haben es satt!“. Sie haben es satt, eine Agrarwirtschaft zu subventionieren, die auf Massentierhaltung, die auf Hähnchen setzt, die in ihrem kurzen Leben rund die Hälfte der Zeit mit Antibiotika gedopt werden müssen. Das haben sie satt. Sie wollen stattdessen eine Agrarwirtschaft, die Umwelt- und Tierschutzbelange berücksichtigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es kann auch nicht sein, dass wir mit europäischen Mitteln weiterhin den Weltmarkt mit subventionierten Nahrungsmitteln überschwemmen, mit subventionierten Nahrungsmitteln, die dann in den Entwicklungsländern dafür sorgen – –

(Zuruf von der CDU)

– Doch, das ist richtig, und das passiert in Hessen. Sie können sich einmal meine Kleine Anfrage zum Thema Geflügelmast in Hessen anschauen, wo Sie sehen, wie viele Tonnen Geflügel allein aus Hessen – wir sind noch nicht einmal einer der großen Geflügelproduzenten – in Länder der Dritten Welt gehen, wie wir damit die Agrarmärkte kaputt machen und den Hunger in der Welt mit anheizen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Von daher sind Ihre Forderungen, was das Screening der gemeinsamen Agrarpolitik und die einzelne betriebliche Förderung angeht, vollkommen daneben. Sie haben bei der GAP 2013 sowieso erst einmal den Zeitpunkt verpasst, da ist die Messe nämlich schon gelesen, und außerdem haben Sie vollkommen den falschen Weg eingeschlagen. „ Zurück zur Agrarpolitik von früher!“, das ist Ihr Weg. Das ist vielleicht ein Stück weit Folklore für den Bauernverband. Was Sie hier vorschlagen, ist aber keine moderne Agrarpolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von der CDU)

– Ich weiß, glaube ich, besser als Sie, worüber ich rede.

(Beifall des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Im Gegensatz zu Ihnen haben wir nämlich schon Anfang des letzten Jahres im Landtag eine große Anhörung zur gemeinsamen Agrarpolitik 2013 gemacht.

(Beifall des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es waren nicht nur viele Landwirte da, sondern auch die halbe hessische Agrarverwaltung, weil Sie nämlich bei diesem Thema geschlafen haben, während wir es hier auf die Tagesordnung gebracht haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir für Hessen etwas erreichen wollen, dann sollten wir die Struktur unserer Landwirtschaft, die Herr Stephan richtig dargestellt hat, tatsächlich berücksichtigen, wenn wir Forderungen Richtung Brüssel aufstellen. Herr Stephan hat doch richtigerweise erklärt, dass wir eine relativ kleinteilige Landwirtschaft haben.

Wir haben einen sehr hohen Anteil ökologischer Landwirtschaft. Dann müssen wir doch etwas für die tun und nicht für diejenigen landwirtschaftlichen Betriebe in Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern, die weltmarktorientiert sind. Von mir aus kann für den Weltmarkt produzieren, wer das mag. Er kann aber dann nicht erwarten, dass das auch noch mit öffentlichen Geldern gepäppelt wird. Öffentliche Gelder gibt es unserer Meinung nach nur für öffentliche Leistungen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Herr Stephan, diese Entwicklung ist auch zwangsläufig. Wie wollen Sie das denn rechtfertigen? Wie wollen Sie denn rechtfertigen, dass quasi öffentliches Geld für solche Agrarstrukturen ausgegeben wird, von denen der Mensch keine öffentlichen Leistungen erwarten kann? Das ist auf lange Sicht unmöglich, denn wir haben doch einen Kuchen, der tendenziell immer kleiner wird, und wir haben immer mehr Leute, die vom Kuchen ein immer größer werdendes Stück abhaben wollen.

Von daher müssen wir als Land mit einer hoch entwickelten Agrarwirtschaft doch darstellen: Wir können besonders umweltfreundlich Agrarpolitik machen. Wir können hier besonders umweltfreundlich Landwirtschaft machen. Wenn wir das schaffen, dann schaffen wir etwas für unsere Landwirtschaft, die in der Tat schon auf dem Weg ist, die umweltfreundlichste Europas zu sein. Wir müssen diese Ansätze dann aber stärken, statt der Forderung in Richtung einzelbetrieblicher Förderung, die Sie hier aufstellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Wenn wir die Gemeinsame Agrarpolitik retten wollen, dann müssen wir sie neu rechtfertigen. Die Gemeinsame Agrarpolitik ist nach dem Krieg aus dem Gedanken heraus entstanden, es solle in Europa nie wieder Hunger herrschen. Das war der Gedanke, weshalb die Gemeinsame Agrarpolitik geschaffen wurde.

Die Gemeinsame Agrarpolitik hat sich schon ein Stück weit gewandelt. Aber sie braucht jetzt ein neues Fundament. Das neue Fundament der Gemeinsamen Agrarpolitik muss die ökologische Ausrichtung sein. Da muss eben klar sein: Wir geben in die Landwirtschaft Geld, damit sie besonders umweltfreundlich und besonderes tierfreundlich ist, damit sie den Klimaschutz und die Artenvielfalt fördert. Diese besonderen Leistungen, die vom Markt nicht abgegolten werden, sollen von der Öffentlichkeit abgegolten werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir das schaffen, wird das Greening – das ist die ökologische Orientierung – die Gemeinsame Agrarpolitik retten. Das würde Akzeptanz schaffen. Damit würde es weitergehen. Denn ansonsten würde sie untergehen.

Für die Gemeinsame Agrarpolitik wie auch sonst in der Politik gilt: Grün ist die Hoffnung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Herr Kollege May, schönen Dank.

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