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31.05.2012

Daniel Mack: Freies WLAN in Hessen

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Reichtum für alle, Freibier für alle und freies WLAN für Hessen, Internet für alle einfach so durch die Luft, ein freies, kostenloses und flächendeckendes WLAN-Netz, das einen schnellen Internetzugang zu jederzeit und an jedem Ort bietet,

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

schon hat man nach den Vorstellungen der LINKEN hervorragende Ansiedlungspunkte für Unternehmen. Für sie ist Hessen Estland. Estland hat Standortvorteile durch WLAN, also braucht es auch WLAN in Hessen, weil Hessen dann wie Estland ist.

Hessen ist aber nicht Estland, und Hessen wird nie Estland sein. Der Unterschied zwischen Hessen und Estland ist wahrscheinlich auch eine Links-Partei, die zwar alles will, aber nicht weiß, wovon sie spricht und wovon sie schreibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Auch das Internetkonzept von Estland haben Sie nicht verstanden. Kein freies und kostenloses WLAN wird in Estland garantiert, sondern lediglich ein kostenloser Zugang zum Internet. Das ist ein Unterschied – und zwar ein bedeutender Unterschied.

Von Estland zurück nach Hessen. Wir stimmen Ihnen zu, Herr Wilken, dass ein Internetzugang wichtig ist und dass das Internet Möglichkeiten der Partizipation bietet. Das Internet bietet die Möglichkeit der Transparenz, und das Internet bietet weltweite Kommunikationsmöglichkeiten. Kurzum, das Internet prägt unser alltägliches Leben. Gerade deshalb sollte jeder Bürger Zugang zu zeitgemäß schnellem Internet haben, egal ob er in Frankfurt, in Offenbach, im Odenwald, im Main-Kinzig-Kreis oder im Werra-Meißner-Kreis lebt. Moderne Politik muss den Internetzugang als ein Grundbedürfnis und als Teil der öffentlichen Infrastruktur anerkennen. Es bringt uns nichts, immer wieder auf die Chancen des Internet hinzuweisen, wenn wir den Menschen nicht die technischen Mittel zur Verfügung stellen, diese für sich zu nutzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der LINKEN)

Es bringt uns nichts, wenn wir Medienkompetenz in den Schulen vermitteln wollen und die Kinder zuhause nicht einmal auf die Seite der Landtagsfraktion der Links-Partei gehen können, um sich deren realitätsfernen Konzepte und Anträge zum Internetzugang anzuschauen.

(Zurufe von der LINKEN)

Im digitalen Zeitalter gehört der Zugang zum Internet ebenso zur Daseinsvorsorge wie die Abfallwirtschaft, die Abwasserentsorgung, die Wasserversorgung, der öffentliche Verkehr und die Krankenhäuser.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

All das sind Dienstleistungen, für die die Bürgerinnen und Bürger bezahlen müssen und die sie nicht kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen.

Wie der Strom nicht einfach aus der Steckdose kommt, so kommt auch das Internet nicht einfach aus dem Funknetz. Es bedarf einer Infrastruktur, die nicht nur gebaut, sondern im Folgenden auch gewartet werden muss.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir haben in Hessen schon Schwierigkeiten damit, flächendeckend eine Breitbandverbindung anzubieten. Daher ist es vollkommen illusorisch anzunehmen, das Land könne jederzeit flächendeckend von Neu-Eichenberg im Norden bis Neckarsteinach im Süden freies WLAN organisieren. In Städten und dicht besiedelten Regionen mag dies unter Umständen noch möglich sein. Alles Weitere ist pures Wunschdenken.

Um ein WLAN-Netz aufzubauen, muss mindestens der Access Point mit dem Breitbandkabelnetz verbunden sein. In den weißen Flecken der Breitbandabdeckung nutzt auch das Aufstellen eines WLAN-Routers nicht. Da die Reichweite eines Routers je nach Bebauung nur etwa 50 bis 100 m beträgt, wäre für das Vorhaben der LINKEN schon aus technischen Gründen eine sehr hohe Dichte von Access Point notwendig. Für Berlin haben Experten errechnet, dass ca. 100 solcher Access Points pro Quadratkilometer nötig wären, um eine ausreichende Funkabdeckung dieses Gebietes zu erzielen. Haben Sie eigentlich eine Vorstellung davon, was das für ein Flächenland wie Hessen bedeuten würde, oder wollen Sie die privaten Haushalte in Hessen gängeln, ihre eigenen Router zur Verfügung zu stellen?

Auch wir sind der Meinung, dass der Zugang zum Netz nicht vom Geldbeutel abhängen darf. Deshalb sind freie Internetterminals in öffentlichen Gebäuden oder freie WLAN-Netzwerke in Zentren und Dörfern ein in der Tat anzustrebendes Ziel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das ist auch technisch umsetzbar. Es gibt aber einen Unterschied zwischen einem WLAN-Zentrum in einem Ort oder einem kleinen Dorf und einer kompletten WLAN-Abdeckung in einem Bundesland.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

– Es ist technisch nicht möglich. Ich habe Ihnen erklärt, dass ein Router eine Reichweite von nur 50 bis 100 m hat. Wie wollen Sie das schaffen? Wollen Sie die Leute dazu zwingen, ihre Router zu öffnen? Ich sage dazu Nein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der LINKEN – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

WLAN-Zentren in Dörfern sind in der Tat ein anzustrebendes Ziel und auch technisch umsetzbar. Im Übrigen: Die Situation in Estland ist genau diese; dort gibt es lediglich in großen Städten wie Tallin flächendeckendes WLAN, und in der Peripherie, wo dies nicht ohne Weiteres zu leisten ist, gibt es eine Vielzahl gut ausgeschilderter öffentlicher Zugangspunkte. Ich glaube, das kann ein Modell für Hessen sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte einen weiteren Gedanken anführen. Bisher gilt auch für das Internet die klassische Störerhaftung. Wer einen Internetanschluss bezahlt, der haftet auch für dessen Missbrauch. Aus diesem Grunde haben viele Geschäfte und Hotels, die freies WLAN als zusätzliche Serviceleistung angeboten haben, dieses Angebot wieder eingestellt. Soll das Land nach Ihrem Modell z. B. für jede Urheberrechtsverletzung haften, die über das freie WLAN begangen wird? Da nutzt es auch nichts, personalisierte Nutzerkonten einzurichten und die Datenströme mittels virtueller privater Netzwerke zu übertragen. Solange der Grundsatz der Störerhaftung gilt, ist Ihr Vorstoß unverantwortlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Statt wie die LINKE freies WLAN für alle zu fordern und sich wieder einmal über die praktische Umsetzung keine Gedanken zu machen, müssen wir gezielt und planvoll die Versorgung mit schnellen Internetanschlüssen vorantreiben, speziell auch der ländlichen Gebiete. Sowohl für die Bürger als auch für den Wirtschaftsstandort Hessen sind schnelle Internetverbindungen und eine durchdachte, an den wirklichen Bedürfnissen der Gründer orientierte Start-up-Förderung viel entscheidender als die realitätsfernen Wunschträume der LINKEN nach dem Motto „Alles für alle, und zwar umsonst“.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Zu glauben, mit freiem WLAN könne man Unternehmer magnetisch anziehen, greift entschieden zu kurz. Wer Freibier für alle will, der muss sich zumindest ein Mal über den Zapfhahn Gedanken machen.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Schaus, der von Ihrem Kollegen Wilken angesprochene Förderverein Freie Netzwerke e. V. macht es in seinem Konzept für Berlin eigentlich ganz gut deutlich. Dort steht nämlich ausdrücklich: Freifunknetze sind Selbstmachnetze. Jeder potenzielle Teilnehmer kann daher selbst entscheiden, ob er seine technische Infrastruktur auf eigenes Risiko in seinem Umfeld zur Verfügung stellt, oder eben nicht. – An dieser Stelle die Landesregierung aufzufordern, das „mal eben so“ umzusetzen, konterkariert nicht nur das Konzept der Freifunker, es unterstreicht auch das Freiheits- und Staatsverständnis der LINKEN.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Norbert Kartmann:

Vielen Dank, Herr Mack.