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29.04.2010
Portraitfoto von Angela Dorn vor grauem Hintergrund.

Bologna-Prozess - mit der Reform der Reform endlich ernsthaft beginnen

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir hatten vor fünf Monaten das Thema Bologna-Reform in die Plenardebatte gebracht. Damals war es hochaktuell. Damals haben die Studierenden protestiert. Gerade von schwarz-gelber Seite war viel Verständnis zu hören. Ich würde sagen, es waren viele Verständnisfloskeln. Leider ist seither praktisch nichts passiert vonseiten der Landesregierung. Die Landesregierung sieht es weiterhin nicht als ihre Aufgabe an, die Verbesserung der Bologna-Reform herbeizuführen.

Frau Kühne-Hörmann, man muss sagen, Sie sind mittlerweile das Schlusslicht bei den Bundesländern, wenn es darum geht, Verbesserungen der Bologna-Reform herbeizuführen.

Lange Zeit haben alle Landesregierungen ihre Ohren auf taub gestellt. Aber die Proteste der Studierenden haben etwas bewirkt. Die Landesregierungen haben kleine Schritte unternommen. Rheinland-Pfalz hat einen Vorbildcharakter in diesem Sinne. Die haben wichtige Änderungen und Zielvorgaben in das Hochschulgesetz übernommen.

Aber auch CDU-Minister sind weiter als Sie, Frau Kühne-Hörmann. In Baden-Württemberg – das ist kein Beispiel, das ich normalerweise gerne für ein Vorbild in der Hochschulentwicklung nehme – kann man in Sachen Bologna-Reform durchaus Herrn Minister Frankenberg nennen; denn der hat gesagt: Ich möchte Experten anhören, Betroffene anhören, um Ideen zu bekommen, wie man das verbessern kann.

Deswegen gibt es ein Internetforum. Es gibt eine landesweite Bologna-Konferenz, und es wurde den Hochschulen verordnet – das wird die SPD freuen –, dass vor Ort Bologna-Bilanzveranstaltungen unter Beteiligung der Studierenden durchgeführt werden sollen. Insofern sind das kleine Schritte, aber durchaus wichtige.

Wir stellen in unserem Antrag noch einmal zwei konkrete Forderungen. Zum einen stellen wir die Forderung – die haben wir schon einmal gestellt –, einen runden Tisch mit allen Beteiligten einzurichten, d. h. mit den Hochschulen, den Studierenden, dem Akkreditierungsrat, der Politik und auch der Landesregierung, damit sich diese nicht wieder aus der Verantwortung stehlen kann. Ein solcher runder Tisch wäre weiterhin absolut wichtig. Wir haben übrigens die Wirtschaft neu aufgenommen. Das war gar nicht unsere Idee, sondern die Junge Union kam auf uns zu und meinte, das sei eigentlich eine gute Idee, wenn die Wirtschaft dabei wäre. Wir lassen natürlich mit uns reden und haben die Wirtschaft gerne aufgenommen. Vielleicht können zumindest die jungen Kollegen der CDU-Fraktion jetzt unserem Antrag zustimmen. Das wäre schön. Es war immerhin ihre Idee.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens fordern wir – da war Rheinland-Pfalz Vorbild –, die Grundzüge der Studierbarkeit gemäß der Bologna-Reform in das Hochschulgesetz aufzunehmen. Ich möchte die Grundzüge kurz vorstellen. Es sind eigentlich fünf einfache Vorschläge, die man leicht in das Hessische Hochschulgesetz aufnehmen könnte. Rheinland-Pfalz hat in sein Hochschulgesetz aufgenommen, dass pro Modul nur noch eine Prüfung stattfinden soll. Das rheinland-pfälzische Gesetz sieht jetzt vor, dass mehr Flexibilität bei der Verknüpfung von Modulen herrschen soll. Es soll eine erleichterte Anerkennungspraxis eingeführt werden. Außerdem wurden sogenannte Mobilitätsfenster eingeführt, d. h. definierte Zeiträume für Auslandsaufenthalte und Praktika. Ich persönlich finde das ganz wichtig, dass in Rheinland-Pfalz man außerdem die besonderen Zugangsvoraussetzungen für den Master-Studiengang gestrichen hat, man die bestehenden Hürden zum Master also überwunden hat.

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

– Ich freue mich, dass Sie mir zustimmen. Vielleicht können Sie dann auch unserem Antrag zustimmen. Das würde mich sehr freuen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

Frau Kühne-Hörmann, Sie haben das letzte Mal Ihren Kummerkasten vorgestellt. Einen Kummerkasten à la Dr. Sommer fand ich damals – und finde es immer noch – wirklich lächerlich. Studierende sind keine pubertierenden Jugendlichen, die Probleme haben und sich an Dr. Sommer wenden wollen. Nein, sie wollen partizipieren, sie sind betroffen, sie haben eigene Erfahrungen. Das sind erwachsene Menschen. Die gehören zur Hochschule, genauso wie die Professoren und die Mitarbeiter. Frau Ministerin, mich würde interessieren, ob sich Studierende bei diesem Kummerkasten gemeldet haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

– Ich bin 27 Jahre alt und muss die „Bravo“ nicht mehr lesen. Ich weiß nicht, ob Sie sie noch lesen, ob Sie sie interessiert. Mich interessiert sie nicht mehr so sehr.

(Zuruf der Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU) – Heiterkeit)

– Das ist heute ein schönes Outing.

(Heiterkeit)

Vizepräsident Frank Lortz:

Meine Damen und Herren, ich darf Sie doch um etwas mehr Ernsthaftigkeit bitten. Der Kollege Dr. Müller liest „Bravo für Senioren“.

(Große Heiterkeit und Beifall)

Angela Dorn:

Ich möchte in dieser allgemeinen Heiterkeit einen kurzen Kommentar zum SPD-Antrag loswerden. Ich finde den SPD-Antrag an sich richtig, aber gerade angesichts der zutreffenden Kritik, dass sich die Landesregierung durchaus aus der Verantwortung stiehlt, ist es doch zu kurz gegriffen, wenn man sich nur auf die Bologna-Werkstätten bezieht. Zum einen sind entsprechende Festlegungen im Hochschulgesetz mehr als nötig, zum anderen glaube ich weiterhin, dass ein runder Tisch, bei dem die Landesregierung einbezogen ist, sehr, sehr wichtig ist., Wenn ich an Hochschulen bin, mache ich immer wieder die Erfahrung, dass viele Professoren, Studierende und sogar die Hochschulleitungen gar nicht wissen, welche gesetzlichen Regelungen es eigentlich gibt und wie viel Freiheit sie eigentlich haben. Es herrscht enorme Unsicherheit. Gerade um ein bisschen mehr Verständnis für die ganze Bologna-Reform zu schaffen, bräuchte man das Ministerium, bräuchte man die Politik.

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin Dorn, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Angela Dorn:

Frau Ministerin, ich fordere Sie also auf: Kümmern Sie sich endlich auch um die Ziele innerhalb der Hochschulen. Es geht nicht nur darum, Exzellenzforschung zu betreiben, sondern auch darum, genau zu schauen, wie es der Lehre an den Hochschulen geht, wie unsere Studierenden weiterkommen. Sie sind unsere Zukunft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank.

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