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28.04.2010
Portraitfoto von Angela Dorn vor grauem Hintergrund.

Angela Dorn zum Thema: Kontopfändungsschutz und Schuldnerberatung

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! In zwei Monaten tritt die Reform des Kontopfändungsschutzes in Kraft. Fast alle Redner hier haben gesagt, dass es ein gutes Gesetz ist, und im Bundestag ist es auch mit großer Mehrheit verabschiedet worden. Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir die Umsetzung dieses Gesetzes hier im Landtag mit einer großen Mehrheit hinbekommen. Diese Hoffnung habe ich leider nicht mehr.

Es wurde schon klargemacht, warum dieses Pfändungsschutzkonto für unsals Landtag von Belang ist. Wenn man als Verbraucher sich ein Pfändungsschutzkonto für den Sockelbetrag von 985 Euro einrichten lassen möchte, dann braucht man diese Bescheinigung über gesetzliche Unterhaltspflichten, unpfändbare Sozialleistungen usw. Diese Bescheinigung können zugelassene Insolvenzstellen und Schuldnerberatungsstellen ausschreiben, aber auch Rechtsanwälte und Gerichte.

Herr Stephan, Sie haben gerade kritisiert, dass der Antrag der SPD einen Fehler enthalte. Auch wir haben mit der SPD Kontakt gehabt und sie auf den Fehler aufmerksam gemacht. Ich möchte allerdings auf eines hinweisen, Herr Stephan: Nicht einmal Minister Banzer hat es in der Antwort auf die Kleine Anfrage, die wir gestellt hatten, ganz klar und deutlich ausgeführt. Insofern würde ich mich an Ihrer Stelle mit der Kritik etwas zurückhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

In der Antwort auf die Kleine Anfrage wurde sehr deutlich, dass die meisten Menschen die Schuldnerberatungsstellen aufsuchen würden, wenn sie diese Bescheinigung brauchen. Das ist auch sehr gut. Denn dort findet die Beratung statt, und aufgrund der Beratung kommen die Menschen sicherlich mit einer sehr viel höheren Wahrscheinlichkeit aus der Verschuldung wieder heraus. Genau das wollen wir für unseren Staat, für unsere Volkswirtschaft.

Des Weiteren kommt hinzu, dass die Rechtsanwälte bisher noch nicht über eine Gebührenordnung verfügen, die vorgibt, wie teuer das Ausstellen der Bescheinigungen sein soll. Das heißt, die Rechtsanwälte werden wahrscheinlich erst einmal gar keine Bescheinigungen ausstellen. Darüber hinaus wäre die Bescheinigung eines Anwalts sicherlich teurer als die einer Schuldnerberatungsstelle; Gleiches gilt für die Gerichte. Insofern stellt der Vorschlag der SPD eine mittel- und langfristige Einsparmöglichkeit dar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Fachleute gehen davon aus, dass die Mehrarbeit erheblich sein wird. Beispielsweise soll die Bescheinigung allein in Darmstadt zu drei zusätzlichen Beratungen pro Tag führen. Frau Fuhrmann hat schon darauf hingewiesen, dass die Förderung der Schuldnerberatungsstellen auf null reduziert wurde.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wir sind das einzige Land, das die Schuldnerberatungsstellen gar nicht mehr unterstützt, und das ist wirklich ein Skandal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Dazu kommt – und das ist ganz wichtig zu wissen –, dass die Schuldnerberatungsstellen gar nicht verpflichtet sind, diese Bescheinigungen auszustellen. Sie haben auch schon angedeutet, dass sie diese Bescheinigungen vielleicht nicht ausstellen werden, wenn sie den Mehraufwand dafür nicht erstattet bekommen. Das verstehe ich angesichts des Aufwands, den sie ohnehin schon haben, sehr gut. Daher besteht hier dringender Handlungsbedarf.

Was bedeutet es für das Land Hessen, wenn die Schuldnerberatungsstellen die Bescheinigungen nicht ausstellen werden? – Das bedeutet, dass unsere Gerichte dann blockiert sind und dass uns dies teuer zu stehen kommt. Insofern sollten wir mit diesem Haushalt endlich damit anfangen, die Schuldnerberatungsstellen wieder so auszustatten, dass sie ihre Arbeit vernünftig erledigen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr von Zech, bei den 2 Millionen € an Kürzungen, die die SPD zurückzunehmen beantragt hat – das unterstützen wir auch –, geht es nicht um die Kosten der Bescheinigungen, sondern um den generellen Ansturm vieler insolventer Verbraucher. Herr Banzer hat es in der Antwort auf die Kleine Anfrage, die wir gestellt haben, eindeutig beschrieben: Von 2002 bis 2009 ist die Anzahl der Verbraucherinsolvenzen um das Sechsfache gestiegen. Daher können Sie sich den Ansturm auf die Verbraucherberatungsstellen sicherlich gut vorstellen.

Noch einmal: Die Verbraucherberatungsstellen sind sehr wichtig, um die Verbraucher aus der Verschuldung und der Arbeitslosigkeit zu führen. Das lohnt sich doch für uns. Wenn Sie schon den sozialen Aspekt darin nicht sehen wollen, dann denken Sie doch wenigstens an die Investitionen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Banzer, ich kritisiere auch Sie. Sie haben zwar den Mehraufwand deutlich gemacht und betont, dass es gerade die Schuldnerberatungsstellen treffen wird, aber Sie haben auch gesagt, dass der Haushalt dafür keine Mittel bereitstellen werde. Sie haben zwar gesagt, dass das Parlament im Rahmen der Haushaltsberatungen darüber diskutieren könne, aber ich meine, dass auch Sie als Sozialminister angesichts eines solch objektiv feststellbaren Mehraufwands in der Pflicht sind.

Ganz wichtig finde ich es, Folgendes noch einmal zu betonen: Es gibt einen großen Zusammenhang zwischen Überschuldung, Arbeitslosigkeit und Schwarzarbeit. Die Schuldnerberatungsstellen können es bewerkstelligen, geordnete Insolvenzverfahren auf die Beine zu bringen, damit die Menschen wirtschaftlich und sozial wieder auf die Füße kommen. Es gibt eine Studie der Berliner Regierung – diese finde ich ganz spannend, und da sieht man es schwarz auf weiß –, die belegt, dass 1 € für die Schuldnerberatungsstellen mittelfristig 2 € an Ersparnis für den Staat, für die Gesellschaft bringt. Insofern ist es eine Investition für uns, für unser Land, und daher kann ich auch nicht verstehen, warum Sie sich querstellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir werden den Antrag der SPD auf jeden Fall unterstützen, und ich hoffe, dass wir auch noch im Ausschuss darüber beraten werden. Ich empfehle Ihnen, dass Sie sich diese Studie der Berliner Regierung – wir können sie Ihnen auch zur Verfügung stellen – zu Gemüte führen. Vielleicht lassen Sie sich noch davon überzeugen, dass unser Anliegen durchaus sinnvoll ist. Ich würde mich freuen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Frau Kollegin Dorn.

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