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19.11.2009
Portraitfoto von Angela Dorn vor grauem Hintergrund.

Angela Dorn zu: Obst für hessische Schüler statt schwarz-gelber Vitaminblokade

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Irmer, ich glaube, Sie sollten Ihrer eigenen Ministerin besser zuhören. Anfang Oktober hat sie anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Deutschen Gesellschaft für Ernährung einen sehr wahren Satz gesagt. Sie hat gesagt:

Ein ernährungsbezogener Verbraucherschutz ist wichtig, insbesondere dann, wenn Kinder und Jugendliche dabei in den Mittelpunkt rücken. Schlechte Ernährung führt zu Übergewicht und kann krank machen. Es gehört zu unseren Aufgaben, Kinder und Jugendliche in der Schule für gesunde Ernährung zu sensibilisieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Demonstrativer Beifall bei der CDU)

Diese Äußerungen wurden gemacht, nachdem von der Landesregierung endlich das Votum für das Schulobst gekommen war. Es gab ein langes Zerren im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss.

Als GRÜNE haben wir uns gefreut, dass die Frau Ministerin umgeschwenkt ist. Ich glaube, die Frau Ministerin hat sehr wohl von den Vorteilen des Schulobstprogramms gewusst. Es geht um ein Recht auf gesunde Ernährung, um ein Recht auf Gesundheit und um Gesundheitsbildung. Wir haben diese wunderbare Kombination mit einer Agrarförderung in der EU, die eigentlich ihrer Klientel entsprechen müsste.

Für mich ist es sehr wichtig, dass dieses Programm schon ausprobiert worden ist. In Dortmund gibt es Modellschulen, in denen das Programm durchgeführt und wissenschaftlich evaluiert wurde. Was hat sich gezeigt? Es hat sich gezeigt, dass gerade bildungsferne Schichten davon profitieren, also die Kinder, die von daheim kein gesundes Pausenbrot mitbekommen. Es hat sich gezeigt – Herr Irmer, jetzt komme ich zu Ihnen –, dass Kinder, wenn man sie einbezieht, Obst und Gemüse durchaus wertschätzen. Wenn sie einbezogen werden, bringen sie von zu Hause sogar mehr Obst und Gemüse mit.

Für mich ist der wichtigste Punkt, dass wir mit diesem Programm ein Präventionsprojekt haben könnten, um die Folgekrankheiten und Folgekosten von Adipositas, also schweres Übergewicht, zu verhindern. Sie müssen sich vor Augen führen, dass die Hälfte der Deutschen übergewichtig ist. Jeder Fünfte ist deutlich übergewichtig. Die Folgeerkrankungen werden von Experten als so gravierend eingeschätzt wie die Folgeerkrankungen von Tabak- und Alkoholmissbrauch. 6 Prozent aller Krankheitskosten sind durch Übergewicht verursacht. Gerade bei Kindern und Jugendlichen haben wir eine rapide Zunahme. Wir haben also eine Kostenlawine in Aussicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Irmer, all das scheint Frau Lautenschläger erkannt zu haben. Aber was macht Ihre Fraktion, die Fraktion der CDU? Sie verhindert das. 1 Million Euro würden Sie benötigen, um das Programm anlaufen zu lassen.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

– Ich habe die Rechnung sehr wohl mitbekommen. 1 Million Euro benötigten Sie, um das Programm anlaufen zu lassen. Dann würden Sie die EU-Kofinanzierung bekommen.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU) und des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

Natürlich gibt es Folgekosten. Aber, Herr Irmer, wichtig ist doch das, was Sie gerade kritisiert haben. Es ist genau richtig, bei den Problembezirken anzusetzen. Es ist genau richtig, in die Grundschulen zu gehen. Wir brauchen das Programm nicht flächendeckend, und wir brauchen es auch nicht an den Gymnasien, wo die Kinder meistens ein gutes Pausenbrot mitbekommen. Wir brauchen es gerade in den Problembezirken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir finden es schade, dass Frau Lautenschläger es nicht schafft, sich in ihrer Fraktion modern und nachhaltig für den Verbraucherschutz, für die Ökologie und für Umweltthemen aufzustellen. Wir warten bei erneuerbaren Energien. Wir warten beim Naturschutz. Wir warten beim Ökolandbau. Frau Lautenschläger, Sie haben ordentlich Vorschusslorbeeren erhalten. Sie gelten als die potenzielle Nachfolgerin Roland Kochs.

(Zuruf des ASbg. Günter Rudolph (SPD))

Ich würde mir wünschen, dass Sie genau deshalb Ihre Kompetenzen einmal ausspielen. Ich würde mir wünschen, dass Sie genau deshalb einmal Ihrer Fraktion zeigen, was nachhaltige Verbraucherschutzpolitik ist. Bringen Sie dieses Programm auf den Weg. Tun Sie es auch deshalb, weil die Argumente der Mitglieder Ihrer Fraktion nicht stichhaltig sind. Das hat man gerade gemerkt.

Sie haben davon geredet, das sei zu teuer. 1 Million Euro Anlaufkosten können wirklich getragen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des  Hans-Jürgen Irmer (CDU))

– Herr Irmer, die Folgekosten könnte man hereinholen. Das erkennt man, wenn man sich die Folgekosten der Krankheiten anschaut.

Sie haben davon geredet, das sei zu viel Bürokratie. Sie können gerne auf Landesebene ein eigenes Programm auflegen. Das haben andere Länder auch gemacht.

Da muss man doch einmal ganz ehrlich sein. Welches Agrarprogramm der Europäischen Union haben wir denn bisher nicht umgesetzt, weil es einen zu hohen Bürokratieaufwand hatte? – Ich glaube, das gilt für alle.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Zum Schluss möchte ich noch etwas über Ihr Anspruchsdenken an die Eltern sagen.

(Zurufe von der CDU)

– Warten Sie es doch einmal ab. – Ich würde mir wünschen, dass alle Eltern in Hessen und in der Bundesrepublik es als wichtig erachten würden, dass ihre Kinder ein gesundes Pausenbrot mit auf den Weg bekommen. Ich würde mir das wünschen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Richtig. Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Ihr Anspruchsdenken ist in diesem Fall durchaus richtig. Leider ist die Realität aber nicht so. Insofern müssen wir da doch präventiv handeln und die Kinder dazu erziehen, dass sie später genau die Eltern werden, die Sie haben möchten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin, auch Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Angela Dorn:

Dieses Schulungsprogramm wäre ein kleiner, aber wichtiger Schritt beim Thema gesunde Ernährung. Es wäre ein kleiner Schritt in der Ernährungsbildung. Und es wäre, das finde ich sehr wichtig, ein kleiner Schritt in Richtung Chancengerechtigkeit. Denn nicht nur Gymnasiasten und nicht nur Kinder von akademisch ausgebildeten Eltern sollten Bildung hinsichtlich ihrer Gesundheit erhalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank.

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