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19.11.2009
Portraitfoto von Angela Dorn vor grauem Hintergrund.

Angela Dorn zu: Hochschulzulassung als zentrale Aufgabe mit hoher sozialer Relevanz

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Büger, ich bin froh, dass sich die FDP beim Staatsvertrag nicht ganz durchgesetzt hat. Ihre Kritik an der ZVS war immer höchst emotional und irrational, angefangen vom „bürokratischen Monster“ über die „staatliche Planwirtschaft“ bis zur – Sie haben den Ausdruck gerade selbst noch einmal in den Mund genommen – „Studentenlandverschickung“. Ich finde, das ist eine viel zu starke Kritik an der ZVS, die so nicht haltbar ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt wird die ZVS nicht abgeschafft, wie Sie es immer gewünscht haben, sondern sie wird umstrukturiert. Sie haben die neuen Herausforderungen genannt. Das ist auch wirklich nötig; denn wir haben in der Realität immer weniger zentrale Verfahren und dafür immer mehr örtliche Zulassungsverfahren. In dem Ganzen – das muss man ehrlich sagen – stecken viele Chancen und auch viele Risiken.

Wir befinden uns hier in einem sehr sensiblen Bereich, und ich würde mir wünschen, dass Sie das auch anerkennen. Wir befinden uns hier dem Grundrecht auf freie Studienwahl und dem Fakt einer unzureichenden Kapazität an Studienplätzen. Wir haben das Problem, dass wir einerseits durch ein zentrales Vergabeverfahren eine größere Transparenz hätten und andererseits mit dem Fakt konfrontiert sind, dass die Hochschulen im Rahmen unserer Hochschullandschaft Schwerpunkte bilden wollen und müssen.

Zwischen diesen Polen stehend, haben wir es uns mit der Bewertung des Staatsvertrags nicht leicht gemacht. Liebe Damen und Herren von CDU und FDP, das werfe ich Ihnen aber vor. Der Staatsvertrag ist für uns sicherlich nicht der gelungenste Kompromiss. Aber zumindest ist er ein Konsens.

Sie gehen in wesentlichen Punkten über diesen Staatsvertrag hinaus. Das ist das Schädliche; denn wir können gerade bei einem zentralen Verfahren wie der Hochschulzulassung, bei dem die Bewerber keine Ländergrenzen im Kopf haben, keinen hochschulrechtlichen Flickenteppich gebrauchen. Wir brauchen hier kein Hauruckverfahren, und wir brauchen keine Experimente zulasten der Studienbewerber. Ich nenne Ihnen die Punkte, an denen ich bei Ihrem Gesetzentwurf Experimente sehe.

Erstens. Die Verpflichtung zu weiteren Auswahlkriterien wurde gerade schon von Seiten der SPD kritisiert. Wenn Sie keine Qualitätskriterien an ein Auswahlgespräch anlegen, öffnen Sie Tür und Tor für Willkür und Missbrauchsgefahr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Sie kennen das: Da ist das optische Erscheinungsbild schon von besonderer Bedeutung. Und da wird vielleicht der Neffe schneller hineinbugsiert als jemand Unbekanntes. Das ist durchaus ein Problem.

Zweitens. Ein studiengangspezifischer Test. Ich bin Psychologin, ich halte viel von wissenschaftlich evaluierten Tests. Aber wenn da einfach nur „Test“ steht und dieser nicht evaluiert ist, können Sie auch eine Münze werfen. Das hat keinerlei Hand und Fuß. Wir haben dazu einen Änderungsantrag vorgelegt.

Drittens. Wenn Sie die Hochschulen verpflichten, ist es ein enormer Aufwand. Es ist nicht für jeden Studiengang sinnvoll zusätzliche Auswahlkriterien zur Durschnittsnote zu fordern, auch wenn Sie sich das wünschen. Es ist einfach nicht sinnvoll, alle Hochschulen mit all ihren Studiengängen dazu zu verpflichten. Lassen Sie es bei der Freiwilligkeit, dann können wir wirklich sicherer fahren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Als zweiten wesentlichen Punkt erachte ich die Ermittlung der Studienplatzkapazitäten. Da haben Sie eine sehr gefährliche Experimentierklausel vorgesehen. Bisher werden Studienplatzkapazitäten nach dem Lehrangebot und dem Ausbildungsaufwand berechnet. Sie schaffen nun eine Möglichkeit auf der Grundlage haushaltsrechtlicher Budget. Das heißt aber in der Konsequenz nichts anderes, als dass Bewerber vergleichbarer Studiengänge ungleich behandelt werden. Ein Exzellenzstudiengang, der sozusagen das Glück hat, einen höheren Betreuungsaufwand zu bekommen, wird zulasten der anderen vergleichbaren Studiengänge gehen, die aber nicht das Sternchen der Exzellenz haben.

Genauso sehe ich keinen Grund, bei dem Kapazitätsrecht der TUD und der Goethe-Uni eine Sonderstellung zu geben. Was haben wir in dem Entwurf? Sie können mittels eigener Satzung die Zulassungszahlen selbst festsetzen. Derzeit passiert das durch Rechtsverordnung im Ministerium, und wir haben eine parlamentarische Kontrolle darüber. Mit der Studienplatzkapazität befinden wir uns in einem Grundrechtsbereich. Da können Sie nicht einfach Hochschulen eine Sonderstellung geben und sagen, das legen die per Satzung fest. Das finde ich höchst gefährlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Zu meinem dritten Punkt. Wir haben zusätzlich noch einen Antrag gestellt. Ich finde, Sie sollten keine extra Teile in Ihr Begleitgesetz schreiben, die gefährlich sind, sondern Sie sollten sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass das ganze Verfahren koordiniert wird. Es ist unglaublich wichtig, eine zeitliche Koordination an der Schnittstelle zwischen Schule und Hochschule hinzubekommen, damit die Bewerbungsverfahren überhaupt sinnvoll sind.

Herr Büger, da widerspreche ich Ihnen. Wenn das Verfahren, das wir jetzt ausgemacht haben, funktionieren soll, ist es unglaublich wichtig, dass möglichst viele Hochschulen teilnehmen. Insofern bin ich für eine Verpflichtung, denn nur diese kann gewährleisten, dass das System überhaupt funktioniert, dass auch Synergieeffekte eintreten. Wenn Sie hier wieder zu viel Freiheit zulassen wollen, nachdem Sie endlich ein Verfahren geschaffen haben, kann das nicht funktionieren. Es kann nur funktionieren, wenn möglichst viele Hochschulen teilnehmen; ansonsten haben wir wieder einen hochschulrechtlichen Flickenteppich und haben überhaupt nichts gewonnen. Insofern bitte ich Sie, sich auf Bundesebene für eine stärkere Koordinierung einzusetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Frau Dorn, ich bitte Sie, zum Schluss Ihrer Rede zu kommen.

Angela Dorn:

Da komme ich hin. – Insofern freue ich mich auf die dritte Lesung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Frau Kollegin Dorn.

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