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27.05.2015
Portraitfoto von Angela Dorn vor grauem Hintergrund.

Angela Dorn: Energiewende

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! In der Wirtschaft waren die Positionen zum Thema Energiewende ja immer sehr unterschiedlich. In einem waren und sind sie sich jetzt immer einig: Wenn die Politik einmal entschieden hat – und das hat sie spätestens nach Fukushima –, dann muss sie auch verlässlich dazu stehen.
Jetzt betonen gerade die FDP und auch die CSU in Bayern immer wieder gerne, sie wären die natürlichen Wirtschaftsparteien. Dazu sollte aus meiner Sicht in erster Linie Verlässlichkeit gehören, Herr Rentsch. Bei der Energiewende zeigen Sie aber gerade alles andere als das. Wir spüren bei Ihnen Populismus, Sie vollziehen Dutzende von 180-Grad-Wendungen. Was Sie da veranstalten, ist wirtschaftspolitisches Kamikaze.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Sie haben etwas gemeinsam mit Herrn Seehofer. Nach Fukushima konnten Sie gar nicht schnell genug aus der Atomkraft aussteigen. Ich weiß noch, es gab ein richtiges Wettrennen darum, wer als Erster in der Presse steht. Gerade einmal vier Jahre nach Fukushima stellen Sie alles infrage, was Sie einmal selbst mit auf den Weg gebracht haben, die Windkraft, den Netzausbau. Wissen Sie, ja, es gibt vor Ort verständlicherweise Diskussionen. Ja, auch wir stellen uns diesen Diskussionen tagtäglich. Wir wollen Fragen klären, wir wollen Anliegen aufnehmen.
Aber es geht nicht, diese Fragen so aufzunehmen, dass Sie Ängste schüren, dass Sie weitere Verzerrungen des ganzen Bildes darstellen. Das ist fataler Populismus.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Wir kennen das Schlüsselerlebnis der FDP. Wir können uns alle an die Wahlnacht erinnern. Der Rheingau-Taunus-Kreis war der letzte, der ausgezählt wurde. Durch die Windkraftgegner dort konnten Sie noch in den Landtag einziehen. Das ist sozusagen Ihr Schlüsselergebnis. Jetzt haben Sie ein Mantra. Sie müssen diese Klientel bedienen. Das Problem ist aber: Sie sind nicht getrieben von Ihrem German Mut, den Sie überall beschreiben. Sie sind getrieben von German Angst.
(Beifall des Abg. Peter Stephan (CDU) – Florian Rentsch (FDP): Das sagen die Erfinder der German Angst! – Zuruf des Abg. René Rock (FDP))
Populismus ist Gift für die Energiewende, Herr Rock. Populismus nimmt am Ende – das ist das größere Problem – die Menschen nicht ernst, sondern verkauft sie für dumm. Wir als Koalition in Hessen stehen zur Energiewende. Wir sind stringent, wir sind verlässlich. Wir stehen zu unserem Wort, und wir sind auch ehrlich zu den Menschen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zur Ehrlichkeit gehört schlicht und einfach: Es wird keine unsichtbare Energiewende geben. Wir arbeiten tagtäglich an Lösungen für die Energiewende: Wie können wir sie möglichst verträglich für die Menschen, für die Natur machen? Wie können wir sie am besten koordinieren? An diesen Lösungen arbeiten wir; denn wir wissen, die Energiewende ist eine Riesenchance für die Menschen, für die Wirtschaft, für den Klimaschutz, für uns alle. Das ist German Mut, liebe FDP.
Wir werden es sicherlich nicht zulassen, dass sich jetzt andere aus Rücksichtslosigkeit und aus Populismus Vorteile erkaufen wollen. Das fängt an bei der CSU. Ich empfinde es als puren Egoismus, jetzt zu sagen: Wir nehmen die Trasse SuedLink, schieben sie ein bisschen weiter rüber. Sie kann durch Hessen und Baden-Württemberg gehen, um dann ganz plötzlich in Bayern zu enden. – Das ist abenteuerlich und an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Das werden wir sicherlich in dieser Koalition nicht zulassen.
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Jetzt fordert die FDP in Hessen einen neuen Energiegipfel. Sie sagen ganz klar – das ist immerhin ehrlich –, Sie wollen die vereinbarten Ziele damit aufkündigen.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
– Gerne. – Der Antrag ist eine Grußadresse an die BIs der Windkraftgegner. Sie wollen sich damit wahrscheinlich ein bisschen reinwaschen. Sie haben einen Malus: Sie haben die Energiewende mit auf den Weg gebracht.
Aber wir reden beim Energiegipfel nicht über die Ziele. Die haben wir miteinander bestimmt. Wir reden darüber, an welchen Schrauben wir noch weiter drehen müssen, welche Anpassungen wir vornehmen müssen. Aber die Ziele werden wir sicherlich nicht wegen Ihnen aufweichen. Wir werden die Proteste ernst nehmen. Wir werden Diskussionen und Fragen aufnehmen. Aber wir werden diese Ziele nicht infrage stellen. Sie sind wichtig für den Klimaschutz. Sie sind wichtig, damit die Energiewende vorangeht. Alle, auch die Wirtschaft, haben sich darauf eingestellt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Wir können uns einmal das Energiekonzept der FDP anschauen. Sie wollen keine Windräder, die verschandeln die Landschaft. Sie wollen keine Solaranlagen, die sind zu teuer. Sie wollen keinen Stromtrassenausbau.
(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))
Ich muss einmal überlegen, was da der Grund war, wahrscheinlich weil so viele dagegen sind. Speichertechnologien sind Ihnen mittlerweile zu teuer. Gaskraftwerke wären prinzipiell okay. Aber Sie haben uns noch nicht erzählt, welche Ideen Sie haben, dass man dort Anreize schaffen kann. Zur energetischen Sanierung fallen mir Pressemitteilungen ein, in denen Sie Ängste vor Brand und Schimmel geschürt haben. Zur Energieeffizienz kenne ich wenige Initiativen von Ihnen. Atomenergie nehmen Sie nicht mehr in den Mund, zumindest nicht öffentlich.
Was bleibt noch übrig? Fracking bleibt noch übrig. Da sind Sie so ehrlich und sagen ganz offen, dass man es probieren sollte. Außerdem bleibt Kohlekraft übrig. Kohlekraft ist für Sie gut, auch wenn sie klimaschädlich ist. Was Sie in Ihrem angeblichen Konzept verschweigen, ist, wie viele Kraftwerke wir bräuchten, um all das andere zu ersetzen. Was würden Sie eigentlich tun, um diesen maroden Kraftwerkspark zu modernisieren?
(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))
Was Sie vorschlagen, ist teurer als die Energiewende. Sie müssten so ehrlich sein und das den Leuten draußen erzählen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Sie müssen die Verantwortung tragen und auch Ideen entwickeln, wie wir in dieser Industrienation eine Versorgungssicherheit aufbauen können, wie wir günstige Energiepreise schaffen können. Was Sie vorschlagen, das ist kein Energiekonzept, das ist eine Populismus-Behelfskrücke.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Wir haben eine Menge wichtiger konzeptioneller Fragen. Es wurden die Rahmenbedingungen angesprochen, die gerade durch Gabriel gestellt worden sind, Stichwort: Ausschreibungen. Das wird uns vor neue Herausforderungen stellen. Das Problem ist, dass die Rahmenbedingungen in unseren südlichen Ländern immer schwieriger werden. Dabei haben gerade die Windkraftstandorte im Süden von Deutschland ganz andere Vorteile. Sie haben eine höhere Beständigkeit.
Der Norden hat den Riesenvorteil: Der Wind weht kräftig, aber es sind dort Extreme. Es gibt auch mehr Flauten. Wir haben Beständigkeit. Aus regionalem Interesse und aus einem systematischen Interesse heraus müssen wir dafür kämpfen, dass sich unsere Energiestandorte weiter lohnen. Deswegen ist es so wichtig, dass Gabriel und die Bundesregierung hier umdenken.
Auch bei der Kraft-Wärme-Kopplung – ich danke der SPD für ihren Antrag – sehen wir Nachbesserungsbedarf. Das ist ein ganz wichtiger Punkt für Energieeffizienz. Über ein paar Detailfragen können wir noch reden. Es würde mich freuen, wenn wir im Ausschuss einen gemeinsamen Antrag hinbekämen. Hier sind wir in der Zielrichtung ganz klar.
Wir reden über das EEG 3.0. Wie kann man Flexibilität, wie kann man Anreize schaffen? Es gibt aktuell eine Menge wichtiger Fragen. Aber die kann man nicht mit Populismus steuern.
Jetzt zum Energiegipfel. Sie merken, die Rahmenbedingungen auf Bundesebene sind ganz wesentlich für Hessen. Wenn sie klarer sind, dann lohnt es sich auch, über ein Folgetreffen des Energiegipfels nachzudenken. So war es auch die ganze Zeit vorgesehen.
Wir sind ganz fest der Meinung: Die ordentlichen Teilnehmer waren die, die diesen historischen Kompromiss gefunden haben. Das war ein ganz breites Spektrum an Akteuren – Sie können sich unseren Antrag anschauen – aus Wirtschaft, Gesellschaft, Verbänden, Umweltverbänden. Die haben sich auf diese Ziele committed. Sie haben sich engagiert. Wir sehen es als richtig an, dass sie die erfolgreiche Arbeit weiter gestalten.
Bürgerinitiativen gehören erst einmal nicht zu diesem ursprünglichen Teilnehmerkreis. Das haben Sie damals im Übrigen auch nie gefordert. Aber selbstverständlich wollen wir sie anhören. Das tun wir auch schon die ganze Zeit. Schauen Sie sich die Bürgerforen an. Die liefen gerade in Eltville, wo man am Sonntag für die Windkraft abstimmen kann. Genau dort haben auch alle Bürgerinitiativen Wort ergriffen und konnten ihre Position darstellen. Genauso ist es beim Thema Infraschall. Überall haben sie die Möglichkeit der Positionierung. Auch beim Energiegipfel wollen wir natürlich diese Möglichkeit schaffen. Selbstverständlich sind wir im Dialog. Wir sind offen für alle Kritikpunkte.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Wir hören uns das an und wollen im Austausch sein, aber so, dass es konstruktiv ist, und nicht so, wie die FDP es möchte, dass alle Ziele zunichte gemacht werden, nur weil man vergessen hat, dass Fukushima gerade einmal vier Jahre her ist.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Ich sage eine Sache auch ganz deutlich: Auch Bürgerinitiativen tragen Verantwortung. Es gibt leider immer wieder Fälle, wo man Fotomontagen sieht, die völlig verzerrt sind, wo so riesige Windkraftanlagen, wie sie nie existieren, in eine Landschaft gestellt werden. Das macht Angst. Wenn man weiß, dass das falsch ist, und es trotzdem tut, ist das nicht verantwortungsvoll.
Aktuell gibt es einen Fall im Rheingau-Taunus-Kreis. Da wurde immer wieder auf die Flyer geschrieben, dass Herr Messner ein prominenter Unterstützer ist, dass er gegen Windkraftanlagen ist. Jetzt stellt sich heraus – ich habe den E-Mail-Verkehr dankenswerterweise vorliegen –, dass Herr Messner immer wieder darum gebeten hat, dass er nicht in diesem Kontext genannt wird, weil dieser Kontext völlig falsch ist. Er hat nie gegen Windkraftanlagen im Rheingau-Taunus-Kreis gestimmt. Ich finde, das ist ein falsches Spiel. Das ist unverantwortlich, und das darf man nicht so stehen lassen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD – Zuruf des Abg. Marius Weiß (SPD))
Aus unserer Sicht sind zwei Dinge für die Energiewende und für die Bürgerinnen und Bürger ganz wichtig. – Wir stehen in Eltville ganz klar für die Windkraft. Ist das für Sie eine Frage?
(Zuruf des Abg. Marius Weiß (SPD))
Die Energiewende und vor allem die Bürgerinnen und Bürger verdienen beides: Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. So gestalten wir die Energiewende. – Vielen Dank.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Vizepräsidentin Heike Habermann:
Vielen Dank.

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