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14.04.2011
Portraitfoto von Angela Dorn vor grauem Hintergrund.

Angela Dorn: „Duales Studium Hessen“ ist eine Qualitätsmarke

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, das duale Studium ist eine gute Ergänzung innerhalb der Hochschullandschaft. Aber, ganz verstehen, warum Sie so einen Jubelantrag – –

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Nein, es gibt bei diesem Thema kein „Ja.“. Wenn Sie mir zuhören würden, würden Sie auch gleich verstehen, warum das es „Ja.“ nicht geben kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie reden davon, welche Steigerung Sie erreicht haben. Aber Sie reden nicht davon, wo wir relativ stehen. Hessen befindet sich im Mittelfeld. Es ist einfach durchschnittlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Endeffekt zeigt der isolierte Antrag zum dualen Studium, dass Ihnen das Konzept für eine Wissenschaftslandschaft fehlt. Deswegen hat wahrscheinlich auch Ihr wirtschaftspolitischer Sprecher geredet. Die Wissenschaftsministerin ist nicht da. Ich wollte das Thema aber im Wissenschaftskontext – –

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

– Das könnte natürlich auch sein.

Zunächst möchte ich auf das Lob zu sprechen kommen, damit ich nicht nur „Ja, aber …“ sage, sondern auch Ja.

Ja, die dualen Studiengänge sind durchaus zur Abdeckung des Fachkräftebedarfs sinnvoll, aber – es ist mir wichtig, das zu betonen – nur für ganz spezifische Branchen und Unternehmen. Gerade im ländlichen Raum bietet das enorme Chancen. Denn damit wird eine Qualifikation auf Hochschulniveau auch im ländlichen Raum möglich. Die Kollegen aus dem Landkreis Waldeck-Frankenberg der GRÜNEN haben mir erzählt, dass es dort die dualen Studiengänge Gesundheit und Maschinenbau gibt und welche Chancen das bietet.

Auch für einen gewissen Personenkreis und einen gewissen Bewerberkreis ist das durchaus attraktiv. Das gilt z. B. für Berufsanfängerinnen und -anfänger, die einen ganz spezifischen Qualifikationswunsch haben, oder für Berufstätige, die den Wunsch haben, sich weiterzubilden. Das sind diejenigen, die in ihrem Unternehmen bleiben, aber neue Aufgaben übernehmen wollen.

Herr Kollege, ich gebe Ihnen auch da recht: Das könnte eine Lösung sein. – Aber seien wir ehrlich: Das kann nur eine Lösung kleinen Ausmaßes sein, weil das Segment einfach noch sehr klein ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte auch betonen: Die Kampagne „Duales Studium Hessen“, die Sie gemacht haben, war richtig. Damit haben sowohl die Unternehmen als auch die Studierenden gesehen, was es dazu in Hessen gibt. Sie haben gesehen, welche Möglichkeiten es gibt. Das war durchaus sinnvoll. So viel wollte ich zum Thema Lob sagen.

Herr Kollege Rentsch, es tut mir leid. Aber man kann da nicht einfach nur jubeln. In Ihrem Antrag nennen Sie einfach nur die Herausforderungen. Sie sagen, es müssten noch mehr Unternehmen mitmachen. Wie Sie das erreichen wollen, schreiben Sie mit keinem einzigen Satz.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf)

– „Warum?“ – Es wäre unsere Aufgabe als Mitglieder der Landtagsfraktionen und die der Landesregierung, zu überlegen, welche Stellschrauben es da gibt und welche Hemmnisse noch bestehen. Insofern verstehe ich eigentlich nicht, warum Sie „Warum?“ gesagt haben.

Ihr Jubelantrag hat im Endeffekt doch nur eines zum Ziel: Sie wollen ablenken. Sie haben kein gutes Konzept.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

– Ja, das ist ein Jubelantrag.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

– Ich habe darin wenig Sachliches gefunden, außer – –

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

– Ich mache einmal weiter und erkläre Ihnen, was wir fordern würden. – Für ein gutes Konzept bräuchten Sie erst einmal die Einsicht, dass die einzelnen Hochschulen mit ihren jeweiligen Schwerpunkten ausreichend finanziert werden müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Willi van Ooyen und Janine Wissler (DIE LINKE))

Sie haben beim Hochschulpakt um 30 Millionen Euro gekürzt. Das geschah trotz der steigenden Zahl der Studierenden. Die Fachhochschulen sind davon besonders betroffen. Das sind diejenigen, die sie beim dualen Studiengang als Partner brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Die einzelnen Bausteine der Hochschullandschaft sind schon brüchig. Sie haben keine Ahnung davon und keine Idee dazu, wie sich die Hochschulen gegenseitig ergänzen sollen. Sie haben keine Idee, welche Ziele Sie mit der Hochschulpolitik verfolgen wollen. Sie haben kein Gesamtkunstwerk. Deswegen ist das duale Studium etwas Isoliertes.

Wir würden von Ihnen gerne Anträge lesen, die zum Inhalt haben, wie die akuten Probleme wirklich angegangen werden sollen. Ich fange jetzt einmal beim dualen Studium und seinen einzelnen Bausteinen an und frage: Welche offenen Fragen gibt es denn da? – Herr Kollege Rentsch, Sie haben gesagt, ich würde immer nur „Ja, aber …“ sagen. Wir befinden uns im Mittelfeld. Das habe ich gerade eben schon gesagt. Einige Hochschulen sind aktiver, andere sind es weniger.

Jetzt müssten sich die Mitglieder der FDP-Fraktion und die Landesregierung doch einmal fragen: Woran liegt denn das? – Ein Aufruf, wie Sie ihn in Ihrem Antrag machen, reicht da bei Weitem nicht. Ihre Kampagne war ein guter, aber eben nur der erste Schritt.

Wie wollen Sie denn konkret die Hochschulen und die Unternehmen motivieren? – Sie können sich da keinen schlanken Fuß machen. So einfach geht das nicht.

Dass die Fachhochschulen zögerlich sind, wenn sie duale Studiengänge aufbauen wollen, ist relativ verständlich. Denn vom Wissenschaftsministerium gibt es dafür gar kein Geld. Vom Wirtschaftsministerium gibt es dafür Geld, aber auch nur in Kooperation mit einem dritten Partner. Die Industrie- und Handelskammern wurden genannt.

26 Das heißt ganz konkret, für den Verwaltungsaufwand gibt es kein Geld für die Fachhochschulen. Wie sollen die völlig unterfinanzierten Fachhochschulen das auch noch leisten? Wenn man in den ländlichen Raum guckt, nehmen wir Waldeck-Frankenberg, wie sollen sich die Fachhochschulen so ausweiten, wenn sie total klamm sind? Das geht nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Dann haben Sie von der Qualitätsmarke „Duales Studium“ geredet. Ja, das duale Studium hat enorme Chancen, aber wir brauchen irgendwann auch einen festgelegten Standard, wir brauchen eine Qualifikationsanforderung an diese Studiengänge.

(Zuruf des Abg. Dr. Norbert Herr (CDU))

Sie sind im Moment auf Eckpunkteniveau und nicht eindeutig. Wir haben die Abschlüsse Bachelor und Master. Herr Dr. Herr, Sie sind ein besonderer Kritiker von Bachelor und Master. Das Problem ist doch, dass wir verschiedene Träger haben, öffentliche, nicht öffentliche Hochschulen und Berufsakademien, und alle verleihen den gleichen Abschluss. Es ist wichtig, dass die Landesregierung klare Qualifikationsanforderungen stellt.

(Zuruf des Abg. Dr. Norbert Herr (CDU))

Es ist sinnvoll, dass in einem dualen Studiengang der Bereich Anwendungsorientierung wichtig ist. Sie müssen aber klären, wie viel wissenschaftliches Arbeiten nötig ist, um einen Bachelor oder einen Master zu bekommen. Es kann nicht sein, dass hier alles verwischt wird und nichts mehr vergleichbar ist. Sie können nicht sagen, dass sei Aufgaben der autonomen Hochschulen, die machen das schon selbst. Sie als Landesregierung und Sie als Regierungsfraktionen sind gefordert, zu überlegen, welche Mindeststandards ein Bachelor und welche Mindeststandards ein Master haben sollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich würde mir ein Hochschulkonzept der Landesregierung zu den dualen Studiengängen wünschen. Dieses Hochschulkonzept müsste die wichtigen Fragen beantworten. Dann könnten wir konkret in die Diskussion treten. Im Moment nageln wir einen Pudding an Wand, mehr haben wir nicht in der Hand.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wenn man die dualen Studiengänge fördern möchte, müsste man sich die grundsätzliche Frage stellen, wie stark die Wissenschaft für den Arbeitsmarkt anwendbar sein soll. Das ist die grundsätzliche Frage, die hinter Ihrem dualen Studiengang steht. Diese Frage stellen Sie sich anscheinend nicht. Sie sehen das alles ganz isoliert.

Der Komplex Wissenschaft und Anwendbarkeit macht im dualen Studiengang nur ein Minielement aus, das sollten Sie einmal berücksichtigen. Sie müssten sich einmal die großen Fragen stellen, bevor Sie immer nur mit kleinen Bausteinen arbeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU)

– Das ist nicht mein Problem. – Ich nenne Ihnen ein Bespiel, bei dem wir dieses Problem genau nicht haben. Das Beispiel ist die Bologna-Reform. Die Bologna-Reform hat genau das zum Ziel, was auch duale Studiengänge zum Ziel haben, die Anwendbarkeit im Beruf. Das hat Chancen und Risiken. Wir haben uns dieser Chancen und Risiken angenommen. Wir haben dazu ein Papier geschrieben, wir haben dazu Veranstaltungen gemacht, wir sind dazu in Diskussionen getreten. Wo bleiben denn Ihre Ideen zur Bologna-Reform? Wo sind Sie denn? Herr Herr, Sie haben sich einmal dafür stark gemacht, was ist denn weiter passiert?

Auch die Fachhochschulen sagen, Sie wollten anwendungsorientierte Forschung machen. Die Fachhochschulen, die Sie für die dualen Studiengänge brauchen, haben klare Forderungen, sie möchten stärker in die Forschung. Wo sind denn Ihre Antworten? Ich sehe keine.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Wir brauchen genaue Ideen für diese Fragen, nicht nur isolierte Anträge. Wir würden gerne mit Ihnen darüber in den Wettstreit treten, wir würden gerne mit Ihnen über die Inhalte diskutieren. Leider ist die Wissenschaftsministerin nicht da. Genau das ist das Problem. Wir hätten gerne einmal eine Wissenschaftsministerin, die für ihre Themen brennt und gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister Hand in Hand geht und sich für das duale Studium kluge Ideen überlegt und überlegt, wie man das integrieren kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ja, die dualen Studiengänge sind eine sinnvolle Ergänzung. Ja, daran haben Sie auch einen gewissen Anteil gehabt. Bitte hören Sie aber auf mit den Anträgen nach dem Motto: Wir sind klasse, alles kann so bleiben, wie es ist. – Das bringt uns nicht weiter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Frau Dorn.

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