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10.12.2009

Andreas Jürgens zur Personalausstattung des allgemeinen Vollzugsdienstes in den hessischen Justizvollzugsanstalten

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im allgemeinen Vollzugsdienst leisten einen wichtigen und sehr schwierigen Dienst für die Allgemeinheit. Sie haben täglich Umgang mit Menschen, denen die meisten von uns vermutlich am liebsten aus dem Wege gehen. Sie arbeiten in einem Bereich, der von den meisten Menschen am liebsten verdrängt wird. Wer beschäftigt sich schon gerne mit Strafvollzug?

Sie ernten für ihre Arbeit in der Regel nur geringes Ansehen in der Öffentlichkeit. Sie müssen sich von den Gefangenen beschimpfen und vielfach – wir kennen das aus dem Unterausschuss Justizvollzug – denunzieren lassen. Sie müssen jeden Tag mit Disziplinarverfahren oder auch Strafverfahren rechnen, wenn in der Anstalt irgendeine Unregelmäßigkeit zutage tritt.

Damit wir uns nicht missverstehen: Selbstverständlich ist ein enges Netz von Kontrollen der Bediensteten notwendig. Das Binnensystem einer geschlossenen Institution macht dies erforderlich und zwingt uns dazu. Es ist gleichwohl für die Bediensteten belastend und oft auch unverständlich, wenn sie mit Verfahren konfrontiert werden, obwohl sie sich keiner Schuld bewusst sind.

Meine Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im allgemeinen Vollzugsdienst, aber auch den anderen Bediensteten im Justizvollzug ausdrücklich meine Hochachtung und meinen Dank auszusprechen.

(Beifall)

Sie leisten einen schwierigen Dienst mit hoher Verantwortung und in täglicher Pflichterfüllung. Wir wissen, was sie für die Sicherheit der Allgemeinheit und für einen funktionierenden Rechtsstaat leisten. Herzlichen Dank dafür.

Aus der Großen Anfrage können wir mindestens eine Erkenntnis ableiten. Frau Hofmann hat schon darauf hingewiesen. Im AVD steigen die Mehrarbeitsstunden in den letzten Jahren wieder kontinuierlich und deutlich an. Bei Unterschieden in den einzelnen Anstalten und Schwankungen über die Jahre hinweg ist das jedenfalls eine Tendenz, die deutlich erkennbar ist. Mehrarbeit entsteht immer dann – das ist eine Binsenweisheit –, wenn die eigentliche Dienstplanung nicht ausreicht, um den notwendigen Dienst sicherzustellen.

Ein Grund dafür können im Vollzugsbereich höhere Belastungen des AVD durch Vorführungen bei externen Fachärzten oder Bewachung bei externen Krankenhausaufenthalten sein. Ich vermute, dass das der Hintergrund der Fragen der Großen Anfrage der SPD-Fraktion war. Allerdings kann man hier aus meiner Sicht keine einheitliche Tendenz ablesen und schon gar nicht davon ausgehen, dass der Zuwachs an Mehrarbeitsstunden hiermit hinreichend erklärt wäre.

Ein Grund dürfte aus meiner Sicht ein Aspekt sein, der gar nicht Gegenstand der Großen Anfrage war. Wir haben beim Treffen der Anstaltsbeiräte beim letzten Hessentag – es gibt ein regelmäßiges Treffen der Anstaltsbeiräte beim Hessentag – erneut hören müssen, dass der Krankenstand insbesondere der Bediensteten im AVD in allen Anstalten außerordentlich hoch ist. Der Ausfall durch unvorhersehbare Krankheitstage ist natürlich eine wesentliche Ursache für Mehrarbeit bei den anderen, die das auffangen müssen. Denn die Stationen, die Wachen und die Werkräume können schließlich nicht unbesetzt bleiben.

Der hohe Krankenstand mag viele Ursachen haben. Eines ist aber auch ganz sicher: Die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 auf 42 Stunden hat sicher nicht zur Gesundheit beigetragen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie dürfte vielmehr ein wesentlicher krankmachender Faktor gerade im Vollzugsdienst sein. Im Schichtdienst, der den AVD naturgemäß prägt, lassen sich 42 Stunden nicht in 8-Stunden-Schichten aufteilen. Das bedeutet entweder längere Schichten oder kürzere, dafür aber mehr Schichten. Die Folgen sind z. B. längere Fahrtzeiten zum Dienst, dichtere Taktfolge der Einsätze usw.

Ich glaube, man muss kein Mediziner sein, um festzustellen, dass dies eher krankmachende als gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen sind. Gerade im Vollzugsdienst wird deutlich, wie wichtig die Anpassung der Arbeitszeit der Beamten zumindest an diejenige der Angestellten wäre.

Meine Damen und Herren, die meisten von uns bereiten sich in diesen Tagen vielleicht ein bisschen auf die Weihnachtsruhe vor. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Vollzugsanstalten haben dies nicht. Sie müssen 365 Tage im Jahr 24 Stunden am Tag, auch an Heilig Abend und am 1. und 2. Weihnachtsfeiertag, an Silvester und Neujahr, an jedem Samstag und Sonntag den Dienst dort sicherstellen. Ihr Lebenstakt folgt nicht dem Wechsel von Werktagen und Wochenenden oder Feiertagen, sonder ihr Lebensrhythmus folgt dem Takt der Schichten. Deswegen hätten sie es ganz besonders verdient, wenn der Minister vielleicht, wenn er hier noch redet, ihnen ein kleines Weihnachtsgeschenk machen und ankündigen würde, dass die Arbeitszeit demnächst zumindest auf diejenige der Angestellten reduziert wird. Das wäre etwas Konkretes, was wir tun könnten. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)