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18.11.2009

Andreas Jürgens zum Haushaltsplan Justizministerium

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Haushalt des Ministeriums der Justiz, für Integration und Europa enthält eigentlich keine nennenswerten Veränderungen gegenüber dem Vorjahr. All die Veränderungen, die die geschätzten Vorrednerinnen und Vorredner geschildert haben, waren im Haushalt des Jahres 2009 entweder bereits verankert oder zumindest angelegt. Etwas wirklich Innovatives kann man im Haushaltsplanentwurf 2010 kaum entdecken.

Die größte Veränderung ist die deutliche Aufstockung der Mittel für die Modellregionen Integration, die inzwischen ausgewählt worden sind. Wir hoffen, dass aus diesen Modellregionen etwas Vernünftiges wird. Ich persönlich verbinde damit die Hoffnung, dass in meiner Heimatstadt Kassel, die ebenfalls ausgewählt worden ist, entsprechende Innovationen vorangebracht werden. Wir werden das weiter begleiten.

Insgesamt kann man sagen, dass es bei dem Thema Integration nicht an Erkenntnis fehlt. Wir wissen, was gemacht werden muss. Das Ministerium hat jetzt die materiellen Voraussetzungen für die personelle Ausstattung geschaffen, die wohl abgeschlossen ist. Sie werden jetzt handeln müssen, statt nur warme Worte von sich zu geben. Wir werden Sie an den Taten messen und sehen, was dabei herauskommt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte im Kontext der Haushaltsdiskussion die Gelegenheit nutzen, um auf den „persönlichen“ Länderfinanzausgleich hinzuweisen, den sich der Herr Justizminister leistet. Wir haben die etwas absurde Situation, dass Herr Finanzminister Weimar bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit die Zahlungen geißelt, die von Hessen aus in die Haushaltskassen anderer Länder fließen. Er behauptet immer, dass er die Gelder lieber in Hessen behalten würde.

Bei der teilprivatisierten Justizvollzugsanstalt Hünfeld ist es aber umgekehrt: Der Justizminister zahlt lieber in die Haushalte des Bundes und der anderen Länder, als das Geld in Hessen zu behalten, um die Kaufkraft zu stärken. Wenn man sich die Berechnungen anschaut – das sind Zahlen, die nicht von mir stammen, sondern die uns das Ministerium geliefert hat –, stellt man fest, dass durch die Privatisierung ein Umsatzsteueraufkommen von fast 800.000 Euro pro Jahr anfällt, wozu es gar nicht käme, wenn der Betrieb in staatlicher Verantwortung wahrgenommen würde.

Von diesen 800.000 Euro im Jahr erhält der Bund bekanntlich fast 57 Prozent, die anderen Länder erhalten etwa 40 Prozent. 3,2 Prozent fließen nach Hessen zurück. Man könnte also sagen, das ist ein warmer Regen für die anderen.

Die spannende Frage lautet natürlich: Wer finanziert das Ganze? – Die Antwort lautet: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Strafvollzug. Denn für das Personal in dem teilprivatisierten Bereich werden rund 980.000 Euro pro Jahr weniger gezahlt. Ich sagte es bereits: Das sind alles Zahlen des Ministeriums.

Berücksichtigt man noch den Unternehmensgewinn in einer gewissen Höhe, kann man sicherlich sagen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Serco GmbH verdienen pro Jahr rund 1 Million Euro weniger, als sie verdienen würden, wenn sie staatliche Bedienstete wären.

Das Ministerium sagt immer, es mache einen Gewinn in Höhe von 180.000 Euro. Sie lassen sich das aber mit 1 Millionen Euro weniger Gehalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezahlen. Gleichzeitig finanzieren sie noch im Umfang von rund 800.000 Euro die Haushalte anderer Bundesländer und den Haushalt des Bundes. Das ist, volkswirtschaftlich gesehen, für Hessen Unsinn. Denn es fehlen dadurch in der Region Osthessen 1 Million Euro Kaufkraft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, das ist schon angeklungen. Wir werden morgen den Entwurf eines hessischen Strafvollzuggesetzes und eines Untersuchungshaftgesetzes diskutieren. Ohne die Diskussion vorwegzunehmen, kann ich jetzt schon sagen: Sie werden damit einen wesentlichen Fehler wiederholen, der auch schon im Oberziel des Haushaltes des Einzelplan und im Fachziel Strafvollzug auftaucht. Sie vermischen nämlich in unzulässiger Weise das Vollzugsziel Resozialisierung mit einem angeblich eigenständigen Sicherheitsauftrag.

Wir schlagen in unserem Änderungsantrag zum Oberziel und zum Fachziel Strafvollzug deswegen vor, es so darzustellen, wie es unserer Auffassung nach nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes richtig wäre. Ich zitiere:

Durch einen effizienten, auf Resozialisierung ausgerichteten Justizvollzug den Schutz der Allgemeinheit gewährleisten.

Das wäre aus unserer Sicht die richtige Wertung. Resozialisierung und Sicherheit stehen nämlich nicht im Widerspruch. Vielmehr wird durch die Resozialisierung, soweit sie erfolgreich ist, vor allem die Sicherheit der Allgemeinheit gewährleistet. Die Resozialisierung im Namen vermeintlicher Sicherheit zurückzuschrauben, wie Sie das tun, erhöht die Sicherheit im Ergebnis nicht. Vielmehr verringert es sie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen wichtigen Aspekt möchte ich noch erwähnen. Die Vorgängerregierung hat mit der „Operation düstere Zukunft“ die Hilfen für straffällig gewordene Jugendliche auf Null gesetzt. Auch in diesem Haushaltsentwurf sind sie nicht wieder eingestellt worden. Das ist unserer Ansicht nach wirklich skandalös. Sie setzen damit bei den Jugendlichen weiterhin auf Repression statt auf Prävention. Das war falsch, ist falsch und wird falsch bleiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Willi van Ooyen und Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Wir müssen dafür sorgen, die Jugendlichen von der schiefen Bahn herunterzuholen. Sie lassen sie erst abrutschen und fangen sie dann unten mit dem Strafvollzug auf. Das ist zu spät.

Wir wollen deshalb ein neues Programm mit dem Titel „Gewalt ist keine Lösung“ auflegen. Beim Anti-Gewalt-Training wollen wir zwei Trainingskurse einrichten. Wir wollen pädagogisch begleitete Arbeitsleistung usw.

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Herr Kollege Dr. Jürgens, ich darf Sie darauf hinweisen, dass die für Ihre Fraktion vereinbarte Redezeit bereits abgelaufen ist.

Dr. Andreas Jürgens:

Das hat mir meine Uhr auch schon gesagt. Deswegen komme ich zu meinen letzten Sätzen.

Wir wollen dafür die Mittel einsetzen, die im Entwurf des Haushalts überflüssigerweise für weitere Jugendarrestplätze vorgesehen sind. Wir wollen nicht in Beton, sondern in die Menschen investieren. Da ist das Geld besser angelegt. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Herr Kollege Dr. Jürgens, vielen Dank.