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31.03.2009

Andreas Jürgens zum Gesetzentwurf zur Regelung des Austritts aus Kirchen, Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften des öffentlichen Rechts

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Minister als Dienstleister des Parlaments. Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aus meiner Sicht macht es durchaus Sinn, die drei Gesetze, die bisher den Kirchenaustritt regeln, zusammenzufassen, nicht nur aus systematischen Gründen, sondern – Sie haben es erwähnt –: Die Gesetze sind schon reichlich alt, haben ein bisschen Patina angesetzt und sollten deswegen zusammengefasst werden. Ich glaube, das ist in der Sache völlig vernünftig und auch ohne große politische Brisanz.

Allerdings sehe ich in zwei Punkten doch erheblichen Diskussionsbedarf im Ausschuss. Zum einen ist es künftig so, dass nach dem vorgelegten Gesetzentwurf jeder Kirchenaustritt als sogenannte Einzelerklärung vorgenommen werden muss. Nach bisherigem Recht konnten Ehegatten oder Eltern sowie minderjährige Kinder – wir haben gehört, bis 12 Jahre können Eltern für ihre Kinder den Kirchenaustritt erklären, und zwar ohne deren Zustimmung – in einer gemeinsamen Urkunde den Austritt erklären. Nunmehr ist zwingend vorgeschrieben, dass in jedem einzelnen Fall – für jedes einzelne Kind, für jedes einzelne Elternteil, für jeden einzelnen Ehegatten – eine Einzelurkunde gemacht werden muss.

Nun mag es dafür sogar Gründe geben, die ich aber leider nicht kenne, weil sich die Begründung darüber ausschweigt. Herr Minister, ich finde es sehr bedauerlich, dass Sie an diesem Punkt – ich komme gleich noch zu einem weiteren – substanzielle rechtliche Änderungen vornehmen, ohne dass die sachlichen Gründe dafür in der Begründung auch nur erwähnt werden. Es ist immerhin denkbar – das müsste man zumindest einmal überprüfen –, dass die jetzt vorgesehenen Einzelurkunden nicht nur einen erhöhten bürokratischen Aufwand, sondern auch einen erhöhten Kostenaufwand mit sich bringen, was dann durchaus diskussionswürdig ist.

Ich komme zu einem zweiten Punkt, an dem Sie eine substanzielle Änderung vornehmen, die bisher im Gesetz nicht vorgesehen ist. Für einen geschäftsunfähigen Volljährigen soll künftig der gesetzliche Betreuer mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts und wenn die Personensorge zu seinen Aufgaben zählt, einen Kirchenaustritt erklären können. Es ist völlig klar, dass Gesetze von 1878 noch kein Betreuerhandeln erklären konnten, weil es das Betreuungsrecht erst seit 1992 gibt. Aber auch in der Zeit danach ist eine solche Möglichkeit des Kirchenaustritts durch Betreuerhandeln nicht in die Gesetze aufgenommen worden. Möglicherweise gibt es dafür gute Gründe: weil es eben höchstpersönliche Erklärungen sind und sie an anderer Stelle durchaus zutreffend sagen, dass für einen Kirchenaustritt ein Vertreterhandeln nicht zulässig sein soll. Auch der Betreuer ist ein gesetzlicher Vertreter, der hier in einer höchstpersönlichen Angelegenheit tätig werden soll.

In einer Fachzeitschrift, die sicherlich auch in Ihrem Haus bekannt ist, habe ich einen Aufsatz gefunden, in dem sehr dezidiert zusammengestellt wird, ob es überhaupt Sinn macht, einen Kirchenaustritt durch Betreuerhandeln zuzulassen. Es gibt vor allem noch ein praktisches Argument. Sie wollen das für volljährige Personen zulassen, die geschäftsunfähig sind. Nun ergibt sich für den Mitarbeiter, der beim Amtsgericht den Kirchenaustritt beurkunden und entgegennehmen soll, aber überhaupt nicht, ob die Person, für die der Betreuer handelt, geschäftsunfähig ist, weil die Bestellung eines Betreuers noch nichts darüber aussagt, ob die Person tatsächlich geschäftsunfähig ist.

Das begründet ein praktisches Problem. Das heißt, es gibt auch bei diesem Gesetzentwurf, der nach meinem Dafürhalten vom Grundsatz her weitgehend unstreitig sein dürfte, in Einzelpunkten durchaus noch erheblichen Beratungsbedarf. Herr Minister, mich wundert vor allem, dass die Begründung zu diesen substanziellen Änderungen gegenüber dem geltenden Recht überhaupt keine Ausführungen macht. Es ist noch nicht einmal als Problem erwähnt. Die Begründung, die Sie gegeben haben, erschöpft sich im Wesentlichen in der Wiederholung des Gesetzestextes.

Wenn man sich die Begründung zu § 1 anschaut: Dort wird praktisch wörtlich wiederholt, was in § 1 steht. Das ist nicht Sinn einer Gesetzesbegründung. Eine Begründung soll uns nachvollziehbar machen, warum Änderungen am bisherigen Recht vorgenommen werden sollen. Das erleichtert dann möglicherweise die Diskussionen im Plenum und im Ausschuss. Herr Minister, Sie sollten künftig vielleicht mehr Sorgfalt auf die Begründung Ihrer Gesetzentwürfe legen, damit wir besser nachvollziehen können, worum es geht. Wir müssen das nun im Ausschuss nachholen.

(Zuruf der Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP) und Wolfgang Greilich (FDP))

Wie gesagt: Es mag sein, dass es für beide von mir angegebenen Problembereiche aus Ihrer Sicht gute Argumente gibt. Aber dann müssen wir die auch hören, damit wir uns damit auseinandersetzen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)