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13.05.2009

Andreas Jürgens zum Einzelnhaushalt 05 - Hessisches Ministerium der Justiz, für Integration und Europa

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Müller, in einem Punkt gebe ich Ihnen recht. Es gibt eine ganze Reihe von Änderungen im Einzelhaushalt 05 gegenüber den Vorjahren – nicht nur Integration und Europa, sondern auch im Bereich der klassischen Justiz. Allerdings stelle ich fest, dass die meisten Veränderungen doch in erstaunlichem Umfang aus der Übernahme von Projekten aus der rot-grünen Koalitionsvereinbarung bestehen.

(Zuruf des Ministers Karlheinz Weimar)

Sie wissen, wir haben in der letzten Wahlperiode eine Vereinbarung mit der SPD abgeschlossen. Ich freue mich übrigens, dass Sie die in vielen Punkten umsetzen wollen. Schauen wir die uns einmal an.

Sie wollen Häuser des Jugendrechts einrichten. Das ist aus unserer Koalitionsvereinbarung direkt abgeschrieben. Sie wollen die ehrenamtliche Bewährungshilfe stärken. Sie wollen mehr Jugendstaatsanwälte und Jugendrichter einstellen – endlich, kann man sagen. Über den Umfang könnte man streiten, aber immerhin. Sie wollen das Übergangsmanagement in den Justizvollzugsanstalten ausbauen – alles übernommen aus der rot-grünen Vereinbarung. Sie wollen eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Wirtschaftskriminalität einrichten.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

– Sie haben schon selbst gesagt, dass das unsere Idee war. – Sie wollen den Schutz der Opfer von Straftaten ausbauen. Sie wollen die Sozialgerichtsbarkeit durch Umschichtung der Stellen aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit entlasten – auch das alles Kopien unserer rot-grünen Vereinbarung.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Meine Damen und Herren, Sie können froh sein, dass es auf politische Ideen kein Copyright gibt. Sonst müssten Sie in erheblichem Umfang Verwertungsgebühren an uns zahlen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, ich werfe Ihnen das gar nicht vor.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Ich war immer der Auffassung, dass es eine gute rot-grüne Vereinbarung ist. Ich bin nur erstaunt, in welchem Maße Sie sich tatsächlich da bedienen und dass vor allem die Anzahl der eigenen Ideen deutlich hinter dem zurückbleibt, was Sie bei anderen abgeschrieben haben.

Aber selbstverständlich gibt es auch erhebliche Unterschiede. Es wäre erstaunlich, wenn es nicht so wäre. Einen Punkt möchte ich hier herausgreifen, der aus unserer Sicht besonders dramatisch ist.

In der „Operation düstere Zukunft“ wurden sämtliche Hilfen für straffällig gewordene Jugendliche gestrichen. In der Diskussion im Wahlkampf 2008 über die Straffälligkeit von Jugendlichen ist deutlich geworden, wie notwendig es wäre, die Präventionsmaßnahmen wieder einzurichten.

Sie tun weiterhin nichts. Es gibt nach wie vor keinen Cent mehr für diesen Bereich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der zentrale Fehler dabei ist: Sie setzen weiterhin auf Repression statt auf Prävention. Das war falsch, das ist falsch, und das bleibt falsch.

Uns geht es – bildlich gesprochen – darum, straffällig gewordene Jugendliche möglichst früh von der schiefen Bahn herunterzuholen; Ihnen geht es darum, dass sie zuschauen, wie sie auf der schiefen Bahn immer weiter herunterrutschen, um sie dann am Ende mit der ganzen Härte des Strafvollzugs einzusammeln. Das ist nicht richtig. Auf straffällige Jugendliche müssen wir besser einwirken als nur und ausschließlich mit dem Jugendstrafvollzug.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hugo Klein (Freigericht) (CDU))

Deswegen wollen wir ein neues Programm einführen, das wir „Gewalt ist keine Lösung“ nennen. Dort soll es Anti-Gewalt-Training, soziale Trainingskurse und pädagogisch begleitete Arbeitsleistung geben.

Das Geld dafür ist im Justizhaushalt auch tatsächlich vorhanden. Denn nach dem Urteil aller Fachleute ist es überflüssig, weitere Arrestplätze einzurichten, nachdem die Arrestanstalt in Friedberg in Betrieb gegangen ist. Nach Presseberichten hat Herr Hahn selbst erklärt, man habe jetzt eigentlich ausreichend Plätze. Deswegen können wir die 500.000 €, die dort für weitere solche Plätze vorgesehen sind, für das neue Programm „Gewalt ist keine Lösung“ gebrauchen.

Wir wollen nicht nur in Beton, sondern vor allem in die Menschen investieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich zu den neuen Bereichen Integration und Europa kommen.

Die FDP gibt immer vor, für einen schlanken Staat und für den Abbau von Bürokratie zu werben. Kaum aber ist sie an der Macht, sehen wir, dass sie den Staat selbst aufbläht. Für die Bereiche Integration und Europa schaffen Sie jeweils 13 neue Stellen.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Das wäre ja vertretbar und verstehbar, wenn es ihnen darum ginge, dort wirklich etwas Neues voranzubringen. Aber wenn man sich einmal den Bereich Integration anschaut – wir haben es ja in der kursorischen Lesung erfahren –, dann sieht man, sie übernehmen nur 1 : 1, was vorher in der Staatskanzlei oder anderen Ministerien ressortierte. Nicht ein einziger Cent wird für Neues ausgegeben, nicht ein einziges neues Projekt wird etatisiert.

Die Botschaft lautet: Wir tun nichts – oder jedenfalls nichts Neues –, brauchen dafür aber dreimal so viele Stellen. Das ist überflüssige Bürokratie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Auch hier wollen wir einen Teil der Kosten, die für diese Stellen entstehen sollen, dafür verwenden, wirkliche Integrationsmaßnahmen voranzubringen und zu etatisieren. Dafür braucht man dann in der Tat einen Teil dieser Leute.

Im Bereich Europa: 13 neue Stellen. Mit Verlaub, wenn jetzt gesagt wird, wir brauchen die neuen Stellen, um in Europa mehr Kohle – für wen auch immer – zu besorgen, dann bedeutet das im Grunde genommen doch, die bisher dort tätigen 43 Mitarbeiter, die bisher dafür zuständig waren, müssen in Ihren Augen entweder faul oder unfähig gewesen sein. In unseren Augen sind sie das nicht. Sie haben bisher diese Aufgaben wahrgenommen, und sie sind nicht darauf angewiesen, dass es weitere 13 Leute braucht, die sie dort noch unterstützen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Sie verlangen von Europa einen Abbau der Bürokratie, blähen aber in Ihrem eigenen Ministerium die Europabürokratie auf. Sie können doch den Bürokratieabbau in Europa gar nicht glaubwürdig vertreten, wenn Sie selbst die Bürokratie aufblähen. Das ist eine Schieflage, die wir nicht für richtig halten.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Wenn man den schlanken Staat will, dann muss man ihn auch machen – vor allem im eigenen Verantwortungsbereich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Herr Dr. Jürgens.