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08.06.2011

Andreas Jürgens: Verlängerung der Geltungsdauer und Änderung befristeter Rechtsvorschriften

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Landesregierung will 19 Gesetze, die der Minister im Einzelnen aufgelistet hat, die zum 31.12. dieses Jahres auslaufen, unverändert oder allenfalls leicht verändert verlängern.

Als erste Anmerkung habe ich dazu, dass die Landesregierung selbst in ihrer Stellungnahme und ihrer Begründung bei einer ganzen Reihe von Gesetzen ausdrücklich feststellt, sie sind aufgrund höherrangigen Rechts, also aufgrund Bundesrechts oder Verfassungsrechts in Hessen, zwingend vorgeschrieben. Ich war schon immer der Auffassung, ich wiederhole das hier, dass in solchen Fällen eine Befristung unsinnig ist, weil sie fälschlicherweise suggeriert, das Gesetz könne ersatzlos gestrichen werden oder auslaufen. Das ist aber aus höherrangigem Recht nicht möglich.

Sehr problematisch ist es aus unserer Sicht auch, dass hier sehr unterschiedliche Gesetze in einem Sammelgesetz zusammengefasst werden, die nach der Geschäftsordnung des Landtags völlig unterschiedlichen Ausschüssen fachlich zugeordnet wären.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Diese Gesetze werden jetzt zusammengefasst und sollen nur im Rechts- und Integrationsausschuss behandelt werden. Damit wird den Fachausschüssen die Möglichkeit genommen, sich ihrerseits mit diesen Gesetzentwürfen zu beschäftigen. Interessant wäre es durchaus nicht nur, welche Änderungen die Landesregierung im Einzelnen vornehmen will, die sind vergleichsweise marginal: Interessant ist vor allem, welche Änderungsvorschläge in der Evaluationsphase geäußert worden sind – Frau Hofmann hat beispielsweise auf den Richterbund hingewiesen; solche Vorschläge sollen gerade nicht übernommen werden. Es könnte durchaus sein, dass die Fachausschüsse zu dem Ergebnis kommen, dass doch übernehmen zu wollen, Änderungsanträge stellen und das zum Gegenstand der Beratung machen zu wollen. Diese Möglichkeit wird Ihnen durch das gewählte Verfahren der Landesregierung genommen.

In einigen Fällen – das finde ich besonders bemerkenswert, Frau Hofmann hat auch schon darauf hingewiesen – sieht die Landesregierung selbst größeren Überarbeitungsbedarf an einzelnen Gesetzen und verlängert sie deswegen nur um eine kürzere Zeit. Das ÖPNV-Gesetz wird nur um ein Jahr verlängert. Das ist durchaus sachgerecht. Wir erwarten, dass im Laufe des nächsten Jahres entsprechende Änderungen vorgenommen werden.

Das Ausführungsgesetz zum Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz wird bis Ende 2014, also um drei Jahre verlängert. Dort stehen bundesrechtliche Regelungen an, darauf haben wir keinen Einfluss und müssen sie abwarten.

Dann gibt es zwei Gesetze, die um zwei Jahre verlängert werden, bis 2013. Mit anderen Worten: Bis zum Ablauf der Wahlperiode. Das sind das Hessische Gleichberechtigungsgesetz und das Ausführungsgesetz zum Sozialgerichtsgesetz. Man kann darüber streiten, in welcher Richtung Änderungen von der Landesregierung vorgesehen sind. Auf jeden Fall dokumentiert dies, dass diese Landesregierung sich in dieser Wahlperiode erneut damit beschäftigen will.

Das ist deswegen besonders bemerkenswert, weil die Landesregierung an zwei Stellen in ihrer Begründung Überarbeitungsbedarf an Gesetzen vorgibt, gleichwohl sie diese Gesetze um weitere fünf Jahre, also bis zum 31.12.2016 verlängert. Das kann man nur so verstehen – ich werde gleich im Einzelnen darauf eingehen – die Landesregierung in dieser Wahlperiode nicht mehr daran gehen will, diese Gesetze zu verändern. Sie schiebt die Überarbeitung auf die lange Bank und will die Verantwortung der nächsten Landesregierung überlassen.

Das eine ist das Transplantationsgesetz. Das ist deswegen besonders bemerkenswert, weil der Sozialminister kürzlich erst einen Vorschlag unterbreitet hat, die geltende erweiterte Zustimmungslösung im Transplantationsverfahren durch eine Widerspruchslösung zu ersetzen. Mit dem heutigen Gesetzentwurf wissen wir, er glaubt selbst nicht mehr daran, dass er sich auf Bundesebene durchsetzen kann. Er glaubt nicht mehr daran, dass in dieser Wahlperiode eine Änderung des Transplantationsgesetzes notwendig ist. Er schiebt es in die nächste Wahlperiode hinein.

Das andere ist das Ersatzschulfinanzierungsgesetz. Auch hier ist es völlig unstreitig, dass es erheblichen Überarbeitungsbedarf gibt. Hier war sogar, wie wir wissen, den Ersatzschulen zugesichert worden, dass aus diesem Grund das Gesetz nur um ein Jahr verlängert wird. Jetzt soll es um fünf Jahre, bis 2016, verlängert werden. Das bedeutet, dass offensichtlich nicht mehr beabsichtigt ist, in dieser Wahlperiode den dringend notwendigen Änderungsbedarf vorzunehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus unserer Sicht kann man daraus nur schließen: Wir haben eine überforderte Kultusministerin, die ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen will, und wir haben einen Sozialminister, der die Backen zwar aufbläst, aber sich nicht mehr zu pfeifen traut.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Meine Damen und Herren von der Landesregierung und von den Regierungsfraktionen, ich verstehe gut, dass Sie diesen Befund der Bankrotterklärung zweier Minister in einem unübersichtlichen Sammelgesetz verstecken wollen. Wir haben es trotzdem entdeckt und beantragen deswegen, dass die Mitberatung des Gesetzentwurfs im Kulturpolitischen Ausschuss stattfindet, um über die Frage des Ersatzschulfinanzierungsgesetzes ausführlich beraten zu können. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Jürgens.