Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der uns gerade vorgestellt worden ist, hat aus Sicht meiner Fraktion Licht und Schatten. Wir begrüßen zunächst, dass es eine neue Überarbeitung, einen neuen Gesetzentwurf gibt, der das alte Gesetz ablöst und nunmehr aus einem Guss neu formuliert wird.
Wir begrüßen auch, dass das Blindengeld zunächst einmal in der jetzigen Höhe erhalten bleibt, das ist eine gute Nachricht für die betroffenen Menschen, die ja aus leidvoller Erfahrung in der Vergangenheit immer sehr hellhörig geworden sind, wenn es um Überarbeitungen geht, und mit Kürzungen rechnen mussten; das ist nicht eingetreten. Der Anwendungsbereich wird sogar maßvoll ausgeweitet – Sie haben es erwähnt –, sodass die Kinder von unter einem Jahr, die blind geboren oder früh erblindet sind, in den Geltungsbereich einbezogen werden. Den EU-rechtlichen Vorgaben wird Rechnung getragen, und dem Wunsch der Blindenverbände entsprechend bleibt auch der Landeswohlfahrtsverband Träger, auch das ist eine wichtige Nachricht. Den Blindenverbänden war es immer wichtiger, eine einheitliche Rechtsanwendung im gesamten Land Hessen zu haben, als sozusagen einen ortsnahen Leistungsträger, wie es ja in anderen Bereichen diskutiert wird. Hier ist es eigentlich völlig vernünftig, wenn der Landeswohlfahrtsverband das weiter macht.
Allerdings verbindet sich damit natürlich auch ein gewisser Trick der Landesregierung, auf den ich hinweisen möchte; denn es wird so getan, als wäre es eine Leistung, die das Land bietet, bezahlt wird es aber faktisch von den Kommunen, da der Landeswohlfahrtsverband über die Verbandsumlage nahezu ausschließlich von den Kommunen finanziert wird und auch der kleine Anteil aus dem Finanzausgleich quasi kommunales Geld ist. Im Grunde genommen müssen also die Kommunen all das bezahlen, was die Landesregierung hier – inhaltlich völlig zu Recht – den blinden Menschen an Leistungen zugestehen will.
Es gibt auch noch ein paar andere kritische Punkte, die ich nicht verhehlen will: Da ist zunächst die sehr verzwirbelte „Verweiseritis“ in diesem Gesetzentwurf zu nennen. Dort wird mit ständigen Querverweisen auf Paragrafen, Absätze, Sätze, Ziffern, Buchstaben verwiesen, und es ist extrem schwer verständlich und außerordentlich schwierig herauszufinden, was in dem Gesetz tatsächlich gemeint ist. Ich meine aber, der Gesetzgeber sollte sich eigentlich darum bemühen, Gesetze so zu schreiben, dass sie auch verständlich sind – insbesondere für den Personenkreis, der dann davon betroffen ist.
(Zuruf von der CDU)
Weitere Probleme ergeben sich natürlich auch noch aus der Abgrenzung und der Anrechung anderer Sozialleistungen. Es ist natürlich ohne Weiteres richtig, dass vorrangige Leistungen anderer Träger, die ebenfalls dem Ausgleich der blindheitsbedingten Nachteile dienen, auf das Blindengeld angerechnet werden. Das ist ohne jeden Zweifel vernünftig. Aber Sie wollen ja z. B. im Bereich derjenigen, die nach dem Bundesversorgungsgesetz Leistungen beziehen, diese komplett vom Leistungsbezug ausgrenzen, und zwar auch dann – darauf hat jedenfalls der Landeswohlfahrtsverband in seiner Stellungnahme hingewiesen –, wenn diese in dem Betrag deutlich unter dem Blindengeld liegen. Das ist etwas, was unserer Ansicht nach nicht richtig ist und unverständliche Ungleichheiten schafft.
Es führt auch durchaus zu vermeidbarem Verwaltungsaufwand beim Landeswohlfahrtsverband; denn es gibt ein weiteres Scharnier, wo man beachten muss, dass es noch andere leistungsgesetzliche Regelungen gibt, nämlich das Blindengeld nach dem Sozialgesetzbuch XII, also der bundesgesetzlichen Regelung. Dieses ist – anders als das Blindengeld nach dem Landesgesetz – als Sozialhilfeleistung einkommens- und vermögensabhängig. Wenn Sie aber einen Leistungsausschluss des Landesblindengeldgesetzes normieren, bedeutet das, dass gleichzeitig beim Einzelfall geprüft werden muss, ob ein Anspruch nach dem Bundesgesetz besteht – das ist weitaus aufwendiger zu machen, weil dabei Einkommen und Vermögen geprüft werden müssen. Das, was Sie damit im Leistungsbereich möglicherweise einzusparen hoffen, werden Sie im Verwaltungsbereich wieder oben drauf legen. Das macht aus unserer Sicht wenig Sinn, auch das werden wir in der Anhörung ausführlich besprechen müssen.
Das Gleiche gilt im Prinzip auch für blinde Menschen, die in stationären Einrichtungen in Hessen leben, ohne dass sie bereits vorher mindestens zwei Monate ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Hessen hatten. Diese wollen Sie ja ebenfalls vom Leistungsbezug ausschließen. Das sind im Grunde genommen Menschen, die in anderen Bundesländern oder vielleicht auch im Ausland wohnen und nach Hessen ziehen, in irgendwelche Einrichtungen gehen – z. B. weil Kinder oder Enkel hier in Hessen wohnen und sie eben familiennah untergebracht werden möchten –: Diese werden dann vom Blindengeldbezug ausgeschlossen, wenn sie nicht mindestens zwei Monate vorher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Hessen hatten.
Auch hier ist zu berücksichtigen, dass in diesem Personenkreis – sogar in aller Regel – ein Leistungsanspruch nach SGB XII besteht, also dem Bundesgesetz, der dann entsprechend überprüft werden muss und damit beim Landeswohlfahrtsverband zu erheblichem Verwaltungsmehraufwand führt; denn diejenigen, die in Heimen und Einrichtungen leben, sind in aller Regel nicht so gut gestellt, die Mittel selbst aufbringen zu können, sondern sind auf Sozialleistungen angewiesen.
Wir werden also noch einigen Klärungsbedarf in der Ausschusssitzung haben, ich freue mich ebenso darauf wie der Minister. – Danke schön.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))