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04.03.2010

Andreas Jürgens: Fall W. - weiteren Schaden für das Ansehen des Hessischen Staatsgerichts abwenden

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Mitglieder des Staatsgerichtshofs sollen nach dem Gesetz – ich zitiere – „im öffentlichen Leben erfahrene Personen des allgemeinen Vertrauens und für das Amt eines Mitglieds des Staatsgerichtshofs besonders geeignet sein“. Diesem hohen Maßstab wird das richterliche Mitglied des Staatsgerichtshofs Karin Wolski nicht gerecht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Sie sollte das Ansehen des Staatsgerichtshofs nicht weiter belasten, sondern endlich ihren Stuhl räumen. Frau Wolski hat gestern eine Presseerklärung veröffentlicht, in der sie ihren Rückzug kategorisch ablehnt. Sie schreibt darin – ich zitiere –: „Einen Rücktritt von meinem Amt kann nur in einem Fehlverhalten meiner eigenen Person begründet sein, nicht im eventuellen Fehlverhalten von Familienangehörigen.“ Da gebe ich ihr ausdrücklich recht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Gerade wegen eigenen Fehlverhaltens von Frau Wolski verlangen wir ihren Rückzug. Sie selbst hat über mehrere Jahre keine Steuererklärung abgegeben, obwohl sie natürlich wusste, dass sie dazu verpflichtet war. Wenn ihr Ehemann keine Steuererklärung abgeben wollte, dann hätte sie selbst eine Steuererklärung abgeben können. Es gibt keine Pflicht zur gemeinsamen Veranlagung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Wir wissen aus dem Bericht des Finanzministers im Haushaltsausschuss, dass sogar Mahnungen erfolgten sowie Zwangsgelder festgesetzt und auch gezahlt wurden. Frau Wolski hat also bewusst und gewollt gegen geltendes Recht verstoßen, also vorsätzlich gehandelt – und zwar sie selbst.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Sie selbst – kein anderer – hat sechs Fahrzeuge unter einer Scheinadresse in Frankfurt angemeldet. Sie hat entweder bei der Anmeldung bewusst falsche Angaben gemacht oder das jedenfalls veranlasst. Im Grunde genommen ist das egal. Auch hier hat sie bewusst gegen geltendes Recht verstoßen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Herr Müller, allemal eine Richterin muss das Recht achten und ihm Geltung verschaffen, auch dann, wenn seine Verletzung noch nicht strafbewehrt ist. Nicht alles, was straffrei ist, ist auch rechtmäßig, und der Rechtsbruch beginnt nicht erst da, wo der Staatsanwalt ermittelt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Frau Wolski hat in erheblichem Umfang persönlich von dem profitiert – auch das ist unstreitig –, was Gegenstand des Strafverfahrens gegen ihren Ehemann ist. Sie ist, um nur ein Beispiel zu nennen, zu drei Vierteln Eigentümerin eines Hauses in Neu-Isenburg, das von Frau C. bezahlt wurde. Frau Wolski erklärt weiterhin nicht, ob sie hierfür Schenkungsteuer entrichtet hat, oder nicht. Das darf uns der Finanzminister wegen des Steuergeheimnisses nicht sagen. Sie aber dürfte sagen, ob sie es getan hat. Sie könnte alles offenlegen, tut es aber nicht.

(Zurufe von der CDU)

All das sind unstreitige, in der Öffentlichkeit bekannte Tatsachen. Es ist darüber hinaus natürlich so, wie Frau Wettlaufer-Pohl vorgestern in der „HNA“ geschrieben hat – ich zitiere –:

Wer soll denn ernsthaft glauben, dass eine gebildete, juristisch beschlagene Ehefrau überhaupt nichts mitbekommt vom merkwürdigen Finanzgebaren ihres Mannes, zumal sie davon profitiert?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Genau das ist es, was wir Frau Wolski vorwerfen. Das System Wolski – tricksen, täuschen, irreführen – hat eben nicht nur der Ehemann begründet, sondern Frau Wolski hat es durch eigenes Zutun ganz persönlich mit zu verantworten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Es ist unglaublich!)

Deshalb redet doch die ganze Republik von der „Affäre Wolski“. Das fällt im Übrigen natürlich auch auf die zurück, die Frau Wolski damals zur Wahl in den Staatsgerichtshof vorgeschlagen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Frau Wolski nicht mehr zu unterscheiden weiß, was richtig und was falsch ist, was Recht und was Unrecht ist, dann hat sie mit ihrer gestrigen Presseerklärung noch einmal einen Beleg dafür geliefert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Eigene Verfehlungen werden abgestritten; andere Leute werden beschimpft. Das ist doch geradezu abenteuerlich. Auch noch die richterliche Unabhängigkeit zu bemühen, wenn man sich aus der Verantwortung für das eigene Verhalten stehlen will, disqualifiziert sie ein weiteres Mal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD) und des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

Niemand hätte Frau Wolski 2004 in den Staatsgerichtshof gewählt, wenn man damals schon gewusst hätte, was heute bekannt ist. Niemand in Hessen versteht, warum Frau Wolski nicht längst die notwendigen Konsequenzen gezogen hat. Lesen Sie Zeitung, sprechen Sie mit Journalisten, und fragen Sie die Menschen auf der Straße: Niemand versteht das. Ich bin sicher, auch diejenigen, die sie in diesem Haus noch wortreich verteidigen, verstehen nicht, dass sie nicht längst die Konsequenzen gezogen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Die einzige Möglichkeit, weiteren Schaden vom Staatsgerichtshof abzuwenden, ist der Rückzug einer untragbar gewordenen Richterin. Frau Wolski sollte zumindest so viel Anstand aufbringen, das endlich einzusehen und die Konsequenzen zu ziehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Herr Dr. Jürgens.