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13.12.2011

Andreas Jürgens: Errichtung der Informationstechnik-Stelle der hessischen Justiz und Regelung justizorganisatorischer Angelegenheiten sowie Änderung von Rechtsvorschriften

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, alle hier im Haus und auch darüber hinaus wollen die IT-Ausstattung der hessischen Justiz verbessern und weiterentwickeln. Natürlich ist eine moderne Justiz ohne die Nutzung von Informationstechnologien überhaupt nicht mehr vorstellbar.

Die Potenziale für einen weiteren IT-Einsatz sind auch noch längst nicht ausgeschöpft. Deshalb ist es vom Prinzip her selbstverständlich richtig und gut, die Kompetenz und die Aufgaben hierfür in einer gemeinsamen IT-Stelle zu bündeln, die alle Gerichtsbarkeiten, die Staatsanwaltschaften und die Vollzugsanstalten bedient.

In dem vorliegenden Gesetzentwurf hat allerdings die Landesregierung – besser gesagt: der Justizminister – wieder einmal nicht beachtet, dass die Justiz keine Behörde wie jede andere ist, sondern – das gilt zumindest bezogen auf die Gerichte – die dritte Gewalt im Staat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt aber die Gewaltenteilung auch für den jeweiligen Verwaltungsunterbau.

Bisher wurde dieses Trennungsgebot eingehalten, weil bisher die Gemeinsame IT-Stelle, abgekürzt GIT, eine eigenständige, von der Justiz selbst getragene Behörde war, genauer gesagt: von den jeweiligen Gerichtspräsidenten getragen. Jetzt soll die GIT eine eigenständige Landesoberbehörde unter Aufsicht des Justizministers werden, in der Verantwortungen also von der dritten zur zweiten Gewalt hinüberwandern.

Frau Hofmann hat es schon gesagt: In der Anhörung wurden erhebliche Zweifel geäußert, ob diese Konstruktion tatsächlich mit der Gewaltenteilung noch vereinbar ist. Zwar ist eine IT-Kontrollkommission vorgesehen, aber auch die kann diese Zweifel eigentlich nicht beseitigen. Denn dort sind zwar Vertreter der jeweiligen Richterräte vorgesehen, doch die IT-Kontrollkommission hat lediglich die Aufgabe, an Überprüfungen zum Schutz vor unbefugten Zugriffen durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HZD mitzuwirken. Es geht also sozusagen um Einzelfallüberprüfungen. Die entscheidenden Fragen, etwa des Datenschutzes, der Gestaltung der Datenverarbeitung, der Zugriffsmöglichkeiten und der allgemeinen Vorkehrungen gegen Missbrauch sind gerade nicht Aufgaben der IT-Kontrollkommissionen. Deswegen kann ihre Errichtung auch die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht beseitigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Es hatte im Vorfeld des Gesetzentwurfs zu der Gestaltung der alten GIT bereits Klagen von Richterinnen und Richtern gegen die Übertragung der technischen Umsetzung auf die HZD gegeben. Durch diese Gestaltung lässt sich nämlich nicht vermeiden, dass von außen – das sind technische Notwendigkeiten, die nicht beseitigt werden können –, von der HZD, grundsätzlich auf gerichtsinterne Dokumente bis hin zu vertraulichen Voten und Notizen über Kammerberatungen, Vorarbeiten für Urteile etc. zugegriffen wird, wenn, wie allgemein üblichen, sie auf den entsprechenden Servern gespeichert sind.

Der Dienstgerichtshof beim Oberlandesgericht hat hierzu im Übrigen eine Entscheidung getroffen. Ich darf einmal den Tenor vorlesen:

Es wird festgestellt, dass die Überlassung der Verwaltung des EDV-Netzes der hessischen Justiz für den Rechtsprechungsbereich an die … (HZD) unzulässig ist, solange nicht die Art der Behandlung von Dokumenten des richterlichen Entscheidungsprozesses durch die HZD für den Rechtspflegebereich durch Verwaltungsvorschriften seitens des Ministeriums der Justiz konkret festgelegt und deren Einhaltung durch den Minister der Justiz im gleichberechtigten Zusammenwirken mit gewählten Vertretern der Richter überprüft werden kann.

Das ist der Tenor. Das heißt, eine Übertragung an die HZD ist unzulässig, wenn nicht bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Diese Entscheidung wurde übrigens später durch das Richterdienstgericht beim Bundesgerichtshof bestätigt, ist also rechtskräftig.

Der Dienstgerichtshof hatte ausgeführt, man sollte konkret regeln, dass auf richterliche Dokumente nur Zugriff genommen werden darf, wenn dies für den EDV-Netzbetrieb notwendig ist, z. B. bei Reparaturen, dass eine Weiterleitung solcher Dokumente immer unzulässig ist, dass auch Metadaten wie Zeit der Erstellung oder Autor nicht weitergegeben werden dürfen usw. usf.

Jetzt legen Sie uns nach dieser Entscheidung hier einen Gesetzentwurf vor, in dem solche Sicherungsmaßnahmen, die der Dienstgerichtshof im Einzelnen beschrieben hat, nicht einmal erwähnt, geschweige denn geregelt sind. Die bisherige GIT war auf Grundlage von Verwaltungsvorschriften errichtet worden. Deshalb sah der Dienstgerichtshof auch die Regelung von Verwaltungsvorschriften als ausreichend für die Datensicherung. Wenn Sie jetzt eine gesetzliche Grundlage schaffen, ist es nahe liegend, diese Dinge ins Gesetz hineinzuschreiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Es wäre nach meiner Beurteilung sogar denkbar, dass die Landesregierung ermächtigt wird, dies durch Rechtsverordnung zu regeln. Aber das haben Sie nicht getan. Sie haben ganz allgemein hineingeschrieben: Die Landesregierung kann regeln, was sie regeln will. – Aber dass sie gerade diese vom Dienstgerichtshof vorgenommenen Verpflichtungen zum Datenschutz regeln muss, das ist nicht Bestandteil Ihres Gesetzentwurfs.

Deswegen trägt Ihr Gesetzentwurf den Makel des offensichtlichen Rechtsverstoßes, weil er den Vorgaben des Dienstgerichtshofs nicht entspricht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

In der Anhörung haben die Richterorganisationen bereits angekündigt, dass sie das Gesetz wiederum angreifen werden, diesmal wahrscheinlich vor dem Staatsgerichtshof oder vor dem Bundesverfassungsgericht. Sie werden dann die Verantwortung dafür tragen, wenn das Gesetz tatsächlich beanstandet wird, was ich persönlich für sehr wahrscheinlich halte.

Einem offensichtlich unzulänglichen Gesetzentwurf kann meine Fraktion selbstverständlich nicht zustimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Dr. Jürgens.