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15.09.2011

Andreas Jürgens: Änderung gerichtsorganisatorischer Regelungen

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir führen im Landtag seit über einem Jahr die Debatte über die Gerichtsschließungen. Sie wird heute mit einer voraussichtlichen Zustimmung der Mehrheit in dritter Lesung ihren vorläufigen Abschluss finden, und es ist daher Zeit, einmal Bilanz zu ziehen und zu fragen, was wir in dieser Zeit erleben und erfahren müssten.

Erstens. Die zu Beginn kraftvoll vorgetragenen Argumente für die Gerichtsschließungen haben sich nach und nach in Luft aufgelöst.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Sie konnten niemandem im Lande plausibel machen, dass die Gerichtsschließungen notwendig oder auch nur sinnvoll wären. Sie haben nicht einmal jemanden gefunden, der ihre Pläne in der Anhörung unterstützt hätte. Sie stehen argumentativ ohne weitere Unterstützung da.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Zweitens. Sie haben keine Achtung vor dem unabhängigen Landesrechnungshof,

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

sonst hätten Sie den angekündigten neuen Bericht zu den Gerichtsschließungen abgewartet; und Sie missachten auch die eigene Haushaltsstrukturkommission, denn die Vorschläge, die die Arbeitsgruppe Justiz erarbeiten soll, liegen noch gar nicht vor. Mit anderen Worten heißt das: Sie setzen durch, ohne sich um Fakten zu kümmern. Sie beschließen, ohne Ihre Entscheidung nachvollziehbar begründen zu können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hartmut Honka (CDU))

Drittens. Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, Sie haben das halbe Land gegen sich aufgebracht.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Arbeitgeberverbände, Industrie- und Handelskammern, Rechtsanwälte, Richter und andere Justizbedienstete – alle haben Sie verprellt. Das sind traditionell eher Ihre Anhänger als unsere.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

In den Kommunen haben sich ganze Stadtverordneten- und Kreistagsfraktionen von CDU und FDP gegen ihre eigenen Leute in Wiesbaden gestellt. Ich frage Sie ernsthaft: War es das wert?

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wenn Sie Ihre eigenen Mitglieder und Wähler verprellen, dann ist das sicherlich eher ein Problem der CDU, weil die FDP kaum noch Wähler hat, die sie abschrecken könnte.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hartmut Honka (CDU))

Meine Damen und Herren von der CDU, ich frage Sie: War es das wirklich wert, für vergleichsweise marginale Einsparungen, die am Ende vermutlich gegen Null tendieren werden, der Sektiererpartei FDP auf ihrem Wege in den Abgrund hinterherzulaufen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Lachen der CDU)

Sie können im Landtag natürlich mit Mehrheit durchsetzen, was Sie der Mehrheit der Menschen im Lande nicht erklären können. Ob das wirklich sinnvoll ist, sollten Sie sich allerdings fragen, und bei einer ehrlichen Betrachtung werden Sie zum Ergebnis kommen: Das Ganze ist ziemlich desaströs für Sie gelaufen.

Viertens. Wir haben am Ende dieser ganzen Debatte einen Justizminister, der jedes Ansehen innerhalb der Justiz komplett verspielt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Als Europaminister war er von Anfang an eine Fehlbesetzung. Das konnten wir heute Morgen wieder erleben. Jetzt ist er auch als Justizminister gescheitert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU) – Zuruf des Abg. Hartmut Honka (CDU))

Erst hat er versprochen, bei der Schließung der Gerichte werde auf Personalabbau verzichtet. Durch dieses Versprechen konnte er auch mit einzelnen Gerichtsbarkeiten Stillhalteabkommen erreichen. Dann schwingt er mit dem Haushaltsplan – wir haben es gerade lesen können – doch die Keule der Stellenstreichungen. Im Haushaltsplanentwurf steht, dass in den nächsten Jahren 350 bis 400 Stellen abgebaut werden sollen. Damit straft er die eigenen Sprüche Lügen. Herr Justizminister Hahn, wer soll Ihnen denn noch irgendetwas abnehmen, wenn die Halbwertszeit Ihrer Zusagen immer kürzer wird?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wer in der Justiz soll Sie denn überhaupt noch ernst nehmen? Sie haben jede Glaubwürdigkeit verspielt. Man könnte sagen: Wir erleben, dass auch ein Hahn am Ende als gerupftes Huhn dastehen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf des Abg. Hartmut Honka (CDU))

Meine Damen und Herren, wenn fünf Amts- und fünf Arbeitsgerichte geschlossen werden, dann geht davon das Abendland nicht unter, und auch der Rechtsstaat bricht davon nicht zusammen. Das ist völlig klar. Aber es ist auch kein guter, es ist ein schwarzer Tag für die hessische Justiz.