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23.07.2015

Aktuelle Stunde – Priska Hinz, Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Glyphosat sogar in der Muttermilch! Hessen schützt wirksam die Verbraucherinnen und Verbraucher

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

(Janine Wissler (DIE LINKE) und Jürgen Lenders (FDP) unterhalten sich quer über den Plenarsaal.)

– Vielleicht können Sie draußen weitermachen?

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Meine Damen und Herren, es ist richtig, dass das Thema der Gefahren und der Konsequenzen der Verbreitung von Glyphosat nicht neu ist, Frau Löber. Aber ich finde es einigermaßen vergnüglich, wenn Sie meinen, Sie hätten das Thema als Erste aufgebracht, aber ein wichtiger Punkt, den Hessen dafür leisten kann, dass Glyphosat sich nicht weiter in der Nahrungsmittelkette anreichert, nämlich das Thema ökologischer Landbau, von Ihrem Fraktionskollegen Timon Gremmels als Nischenpolitik bezeichnet wurde, und zwar vor zwei Wochen. Vielleicht sollten Sie sich einigen, in welche Richtung Sie als SPD beim Thema Verbraucherschutz und Ökologie insgesamt laufen wollen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Glyphosat ist die Hauptkomponente des weltweit am häufigsten verkauften Breitbandherbizides, und es wird seit Jahrzehnten in der konventionellen Landwirtschaft sowohl zur Unkrautbekämpfung als auch zur Beschleunigung der Erntereife benutzt. Es tötet alles ab, was grüne Blätter hat.
Zweifelhafte Berühmtheit hat es erlangt – das ist hier schon erwähnt worden –, weil mehr als 70 Prozent aller gentechnisch veränderten Pflanzen weltweit gegenüber Glyphosat unempfindlich gemacht wurden. Deswegen kann es auf diesen Äckern angewendet werden. Es wird dort auch angewendet. Wir bekommen es dann über die Futtermittelimporte auch nach Deutschland. Über diesen Weg kommt es auch in die Nahrungskette.

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Das ist evident, und auch das ist ein Grund, weshalb wir auf heimisch produziertes Futtermittel setzen wollen und auf unsere Eiweißstrategie, die bedeutet, keine gentechnisch veränderten Futtermittel in Hessen zu verwenden. Die Bauern wollen es nicht. Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen es nicht. Das ist der richtige Weg, den wir als Hessische Landesregierung einschlagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben seit langer Zeit die andauernde Diskussion über Glyphosat. Aber sie ist aktueller geworden durch die Neueinstufung dieses Stoffes durch die Weltgesundheitsorganisation als möglicherweise krebserregend und mit weiteren vorgelegten aktuellen Studien, von denen nur eine Untersuchung die der Bundestagsfraktion der GRÜNEN mit der Muttermilch war.

Deswegen haben wir bereits in den letzten Ministerkonferenzen – sowohl der Agrarministerkonferenz als auch der Verbraucherschutzministerkonferenz – in diesem ersten Halbjahr Initiativen zu diesem Thema ergriffen.

Was wir auf Landesebene zu diesem Thema machen können – mehr können wir in diesem Lande nicht –, ist, dass wir die grundsätzliche Möglichkeit der Genehmigung der Anwendung auf Nichtkulturland, d. h. alle nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen, also gärtnerisch oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen, aussetzen können. Auf den anderen Flächen haben wir als Bundesland keine Möglichkeit. Auch dies ist unbestritten.

Ich sage trotzdem: Wenn wir zurzeit über 150 Genehmigungen in Hessen haben und viele davon nicht auf Flächen wie Bahngleisen oder Energieversorgungsanlagen, sondern Schwimmbädern und Sportanlagen, dann fragt man sich, ob das wirklich sein muss. Da toben Menschen herum, da sind Kinder zugange. Ich finde, da müssen solche Herbizide nicht eingesetzt werden. Deswegen finde ich nach wie vor, dass dieser Erlass goldrichtig gewesen ist, den wir den Kommunen aufgegeben haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es muss in diesen Fällen, wo Unkrautbekämpfung sein muss, mehr auf mechanische und thermische Alternativen gesetzt werden. Wir wissen auch, dass der Eintrag von solchen Mitteln durchaus über Grenzen von Sportanlagen hinweg fliegt. Wir haben außerdem das Problem, dass die biologische Vielfalt durch Glyphosat durchaus eingeschränkt wird. Auch dazu gibt es wissenschaftliche Studien, die unumstritten sind. Das ist eine Frage des Verbraucherschutzes und des Gesundheitsschutzes.

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Frau Staatsministerin, ich darf auf die Redezeit der Fraktionen hinweisen.

Priska Hinz:

Ja. – Das andere ist, dass man die biologische Vielfalt in Hessen und darüber hinaus schützen muss.
Ein Punkt ist mir zum Schluss noch wichtig. Was die Neueinstufung angeht, habe ich durchaus Kritik an dem Verhalten des Bundesamtes für Risikoeinschätzung. Wenn es z. B. Leserbriefe als wissenschaftliche Studien einführen will, um bei der EU für eine Verlängerung der Genehmigung des Wirkstoffes zu sorgen, dann greift es nicht auf wissenschaftliche Untersuchungen zurück, wie wir sie uns als Landesregierung, aber auch als Parlament vorstellen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Wissenschaftliche Untersuchungen müssen dem Standard standhalten. Ich glaube, dass, selbst wenn eine Verlängerung möglich ist, der Bund Ausnahmegenehmigungen treffen sollte, damit wir weiterhin Möglichkeiten haben, im Einzelfall die Verwendung glyphosathaltiger Mittel in Hessen einzuschränken. Denn ich glaube, dass man auf diesem Wege viel mehr Verbraucherschutz tätigen muss, als wir das bislang tun können. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.