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04.03.2010

Aktuelle Stunde - Mürvet Öztürk zur Einladung von Herrn Sarrazin ins Hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Präsident! Herr Bellino, ich glaube schon, dass man darüber diskutieren muss, wen man zu welcher Veranstaltung einlädt und was das Ziel dieser Veranstaltung ist. Ich will dabei ausdrücklich noch einmal betonen: Natürlich kann Herr Sarrazin sagen, was er sagen will. Natürlich ist das die Meinungsfreiheit. Solange er das Gesetz nicht bricht, kann er sagen, was er will.

Die Frage ist aber: Ist uns das zuträglich, was er sagt? Bringt uns das in der Integrationspolitik einen Schritt weiter?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Ich nehme mir im Gegenzug die Freiheit, zu sagen, dass seine Äußerungen populistisch sind, dass sie abstoßend sind und dass sie rassistisch sind. Warum laden wir einen Menschen ein, der beispielsweise in dem „Lettre International“ auch Folgendes gesagt hat?

Man muss davon ausgehen, dass menschliche Begabung zu einem Teil sozial bedingt ist, zu einem anderen Teil jedoch erblich. Der Weg, den wir gehen, führt dazu, dass der Anteil der intelligenten Leistungsträger aus demografischen Gründen kontinuierlich fällt.

Welche Arroganz spricht aus diesen Sätzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sehr verehrter Herr Minister Hahn, Sie müssen sich schon fragen lassen, was Ihr Interesse ist, diesen Menschen überhaupt einzuladen und ihm das Forum zu geben, diese seine Äußerungen noch breiter zu diskutieren.

(Wolfgang Greilich (FDP): Diskutieren, das ist der Zweck! – Weitere Zurufe von der FDP)

– Diskutieren ja, aber es ist ein Forum, das bestimmten Leuten geboten wird.

Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass das die sachliche Debatte um die Integrationspolitik einen Schritt weiter bringt. Im Gegenteil, ich glaube, dass Herr Hahn nächsten Dienstag eigenhändig seine Integrationspolitik in seinem eigenen Ministerium mit dem Teilnehmer Sarrazin begraben wird, bevor sie überhaupt gewachsen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es würde niemanden in diesem Haus verwundern, wenn Herr Irmer Herrn Sarrazin im „Wetzlar Kurier“ und beispielsweise auch auf anderen Veranstaltungen lobt.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Ich hatte es aber so verstanden, dass die FDP eine andere Integrationspolitik fahren will, dass die FDP eine Willkommenskultur entwickeln will. Welche Willkommenskultur kann man entwickeln, wenn ein Herr Sarrazin Folgendes sagt?

Ständig werden Bräute nachgeliefert: Das türkische Mädchen hier wird mit einem Anatolen verheiratet, der türkische Junge hier bekommt eine Braut aus einem anatolischen Dorf. Bei den Arabern ist es noch schlimmer.

Danke schön, Herr Sarrazin, für diese Aussage.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Danke schön, Herr Hahn, dass Sie dem auch noch ein Forum bieten. Damit enttäuschen Sie die Menschen mit Migrationshintergrund, die versuchen, endlich einen konstruktiven Beitrag zu leisten. Sie stecken alle in einen Pott und versuchen mehr oder weniger, mit einer Keule draufzuhauen. Das finde ich leider ein bisschen daneben. Ich werde am nächsten Dienstag an der Veranstaltung teilnehmen, mir natürlich anhören, was noch Konstruktives zu leisten sei.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Aber ich bin schon sehr erschüttert, weil ich eigentlich dachte, die FDP und der Herr Minister wollen einen anderen Weg fahren.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Wir haben erfahren, dass in der Schulpolitik eine Irmerisierung des Kultusministeriums stattfindet. Anscheinend macht das auch nicht vor dem Integrationsministerium halt. Ich finde es bedauerlich. Herr Hahn, Sie haben an Glaubwürdigkeit eingebüßt,

(Lachen des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

wenn Sie Herrn Sarrazin in Ihrem Ministeriums so das Forum bieten. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Frau Kollegin Öztürk.