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28.01.2010

Aktuelle Stunde - Mürvet Öztürk zu: Landtagsabgeordneter Irmer konterkariert erneut hessische Integrationspolitik

Meine sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, es geht hier nicht um irgendwelche Diffamierungen eines Abgeordneten, sondern dass er diffamierende Äußerungen gegenüber Muslime in diesem Land getätigt hat. Und das wollen wir heute debattieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Um es ganz klar vorweg zu sagen: In diesem Land gibt es die Meinungs- und Pressefreiheit. Jeder Zeitungsherausgeber oder Journalist kann in seiner Zeitung schreiben, was er denkt, solange es im gesetzlichen Rahmen ist. Das ist auch gut so. Aber es ist auch ganz klar, dass es in diesem Land die Aufgabe eines jeden Demokraten ist, hinzuschauen, was geschrieben wird und darauf hinzuweisen, wenn grenzwertige Äußerungen zulasten anderer getätigt werden, meine Damen und Herren, denn wir brauchen eine Kultur des Hinschauens und nicht des Wegschauens und nicht des Banalisierens.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU) – Gegenruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Genau darum geht es heute in dieser Aktuellen Stunde, und der Anlass ist wieder einmal die Äußerung eines Herrn Irmer, der in seinem Wetzlar Kurier gesagt hat: „Danke, Schweiz: Minarette sind politische Symbole“.

Nun können wir uns doch alle ganz bestimmt noch an die letzte Aktuelle Stunde erinnern, die auf Antrag der FDP gestellt worden ist. In der letzten Aktuellen Stunde ist in diesem Landtag die Minaretten-Debatte geführt worden. Es ist von den Regierungskoalitionen auch ein Antrag gestellt worden, in dem es ganz klar heißt, der Bau von Moscheen und Minaretten in Deutschland sei grundsätzlich im Rahmen der bestehende Gesetze gewährleistet, und der Landtag setzte sich fortlaufend und dauerhaft für die Umsetzung eines Klimas des gesellschaftlichen Miteinanders im Lichte der Toleranz und Akzeptanz ein.

Was wir heute von Ihnen erwarten, meine Damen und Herren, ist: Stehen Sie noch zu diesem Antrag, der im Rechts- und Integrationsausschuss beschlossen wurde, oder nicht?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Wenn ja, dann müssen Sie sich von den Äußerungen eines Herrn Irmer distanzieren. Alles andere macht Sie unglaubwürdig. Da gibt es kein Wenn und kein Aber. Wenn die Entschuldigung des Ministerpräsidenten Koch an Herrn Navid Kermani bei der Kulturpreisverleihung ernst gemeint war, wenn die Friedenspreisverleihung an Dekha Ibrahim Abdi ernst gemeint war, wenn die Absichten des Integrationsministers Hahn, die neue Integrationspolitik ernst gemeint ist und wenn das alles keine Symbolpolitik sein soll, meine Damen und Herren, dann müssen Sie sich heute davon distanzieren und sich dazu äußern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Es ist unhaltbar, für einen Landtagsabgeordneten unwürdig, es ist unsäglich und beschämend, diese Äußerungen zu treffen. Das kann man nur immer wieder unterstreichen. Mir liegt es ganz besonders am Herzen, dass in diesem Landtag endlich die neue Politik, die angekündigt wurde, auch eingehalten wird. Herr Irmer muss sich ebenfalls äußern, ob er zu diesem Beschluss steht: Ja oder Nein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Es ist auch gar nicht so, dass nur die Opposition das Ganze kritisiert. Es ist doch ein offenes Geheimnis, dass auch die Leute in der Koalitionsregierung, aus ihren eigenen Fraktionsreihen keine Lust mehr auf dieses hinterwäldlerische Gedankengut haben. Sie wollen nicht mehr mit diesem Populismus in Verbindung gebracht werden. Die Frage ist nur, wann man einen Strich darunter zieht und sich endlich auch nach außen dazu bekennt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Herr Irmer, ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen, zu dem Sie in Ihrem „Wetzlar Kurier“ ausgeführt haben. Sie reden von Christenverfolgung in islamischen Ländern. Das ist kein Thema, das sich dazu eignet, es zu instrumentalisieren oder für eigene Zwecke zu missbrauchen.

(Zurufe der Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU) und Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Das ist ein Thema, für das wir uns seit Jahren einsetzen. Ich beispielsweise ganz persönlich setze mich für die Rechte der christlichen Minderheiten in der  Türkei ein – ich mit meinen armenischen Freunden, mit meinen griechisch-orthodoxen Freunden.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Da habe ich nirgendwo, weder im armenischen Patriarchat noch bei den Griechisch-orthodoxen, einen Herrn Irmer gesehen. Herr Irmer, es lohnt sich nicht, das für Ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Ich möchte gerne mit den Worten des Herrn Harald Müller von gestern Abend schließen, den wir bestimmt noch alle im Ohr haben. Er sagte:

Auf Furcht folgt Abneigung. Auf Abneigung folgt Wut. Auf Wut folgt Hass. Auf Hass folgt Verbrechen. In dieser Entwicklungskette wird irgendwo die Schwelle zwischen Banalität und Monstrosität überschritten. Aus Banalität wächst das radikale Böse. Es ist für jede Demokratie lebenswichtig den Anfängen zu wehren.

In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lebhafter Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Frau Kollegin Öztürk.