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08.10.2010

Aktuelle Stunde: Kai Klose: Keine Tarifflucht in hessischen Betrieben

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! „Keine Tarifflucht in hessischen Betrieben“, hat die LINKE diese Aktuelle Stunde betitelt. Dahinter könnten wir uns vermutlich sogar fast alle versammeln. Allerdings sollten wir gerade im Interesse aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufpassen, hier nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Tarifflucht in der Bundesrepublik Deutschland trägt vor allem einen Namen – er ist bereits gefallen –: Anton Schlecker.

Schlecker bezahlt schlecht. Schlecker unterdrückt sein Personal. Das Ehepaar Schlecker wurde sogar verurteilt, weil es Hunderten Verkäuferinnen die Zahlung von Tariflohn vorgegaukelt hat, ihn aber de facto nie zahlte. Das ist Anton Schlecker wie er leibt und lebt. Meine Damen und Herren, ich hoffe doch sehr, wir sind uns einig, dass ein solches Geschäftsgebaren in unserer sozialen Marktwirtschaft keinen Platz hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Möglicherweise sehen das auch immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher so, denn Schlecker ist auf dem absteigenden Ast. Aktuelle Marktforschungsergebnisse belegen, das bekannt miese Image führt dazu, dass dort keiner mehr einkaufen will. Kundinnen und Kunden gehen nämlich lieber zur Konkurrenz, von der sie z. B. wissen, dass die Angestellten ordentlich behandelt und bezahlt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Reaktion ist auch Ergebnis konsequenter Verbraucheraufklärung und Mündigkeit. Wir begrüßen das ausdrücklich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie aber reagiert Schlecker auf diesen Marktdruck? – Statt die erfolgreichen Konzepte der Konkurrenz zu übernehmen, schließt er bestehende Filialen gerade auch in Hessen und entlässt das Personal, um wenige Meter entfernt einen neuen Laden zu eröffnen, in dem neues Personal zu schlechteren Bedingungen eingestellt werden. Das ist Tarifflucht pur. Knüppeln, knausern, kontrollieren – genauso hat das „Managermagazin“, beileibe kein linkes Kampfblatt, 2003 einen Artikel über Schlecker betitelt, und daran hat sich nichts geändert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, im Übrigen – um den Kampfbegriff einzuführen – wäre die Einführung eines Mindestlohnes ein ganz hervorragendes marktwirtschaftliches Instrument, um einem Schlecker das Handwerk zu legen. Das sei hier auch einmal gesagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

– Verehrter Herr Schaus, die Situation des Medienhauses Südhessen unterscheidet sich nun doch von einem Unbelehrbaren wie Schlecker. Das Medienhaus Südhessen will gemeinsam mit der Verlagsgruppe Rhein-Main ein neues modernes Druckhaus bauen, das technisch up to date ist und beiden Verlagen ermöglicht, auch zukünftig im Wettbewerb bestehen zu können.

Solche Investitionen zu verurteilen – wie wir das in Ihrem Antrag finden –, ist in der jetzigen wirtschaftlichen Lage schlicht und einfach falsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Selbstverständlich muss für die Beschäftigten beider früherer Druckhäuser ein guter Übergang gefunden werden.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

– Selbstverständlich. – Nach den Aussagen der Betriebsräte geht es um 150 Beschäftigte in Mainz, für die inzwischen eine Transfergesellschaft und ein Sozialplan beschlossen wurden.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Und es geht um 130 Beschäftigte in Darmstadt, für die derzeit noch verhandelt wird.

Wir wünschen uns – und das wäre vollkommen richtig –, dass für alle Beschäftigten des zukünftigen Druckzentrums Rhein-Main Tariflöhne gezahlt werden. Jawohl, das wünschen wir uns, das wollen wir.

Aber es ist doch – gerade im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – nicht zweckdienlich, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Zwischen einem Ausbeuter wie Schlecker und den Druckhäusern besteht doch ein deutlicher Unterschied, wenn selbst der Betriebsratsvorsitzende des Medienhauses Südhessen sagt, von Dumpinglöhnen könne keine Rede sein, es würden Löhne etwas unter dem Drucktarif bezahlt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere der LINKEN, wir können für die Beschäftigten keinen Mehrwert darin erkennen, wenn jede Tarifverhandlung im Lande mit einer Debatte im Hessischen Landtag begleitet wird.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Die Tarifautonomie ist ein hohes Gut. Wir wissen sie bei Ihren früheren Kolleginnen und Kollegen – auch von Ihnen, Herr Schaus –, unter anderen auch bei ver.di, in guten Händen. Deshalb werden wir uns bei Ihrem Antrag enthalten und dem der SPD zustimmen, weil der im Kern die richtigen Nuancen setzt. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Herr Kollege Klose.

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