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11.05.2016

Verfolgung Homosexueller: Bundesregierung muss Opfer des §175 schnell rehabilitieren

Die GRÜNEN begrüßen die heutige Ankündigung von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), die Opfer des ehemaligen Paragrafen 175 StGB endlich per Gesetz zu rehabilitieren und zu entschädigen. „Der Ankündigung müssen rasch Taten folgen. Es ist kaum erträglich, dass im demokratischen Deutschland weiterhin Männer mit dem Stigma leben müssen, vorbestraft zu sein, nur weil sie schwul sind“, erklärt Kai Klose, schwulen- und lesbenpolitischer Sprecher der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag. „Besonders deutlich wird dieses Unrecht dadurch, dass zur NS-Zeit bis 1945 ergangene Urteile aufgehoben wurden, in den 50er und 60er Jahren verurteilte Männer aber bis heute als Straftäter gelten. Der Bundesjustizminister hat die Möglichkeiten zur Aufhebung der Urteile schon jahrelang, während die letzten Zeitzeugen immer älter werden.“ Der Paragraf 175, der homosexuelle Beziehungen unter erwachsenen Männern unter Strafe stellte, galt in der verschärften NS-Fassung auch in der Bundesrepublik fort, wurde erst 1969 entschärft und erst 1994 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen.

Ein Opfer des Paragrafen 175 ist der Frankfurter Wolfgang Lauinger, den die GRÜNEN heute anlässlich des Internationalen Tags gegen Homophobie als Zeitzeugen zu einem Pressegespräch eingeladen hatten. „Ich wurde schon von den Nazis verfolgt, weil ich in der Swing-Jugend war. Wie rund 100 andere Männer wurde ich dann 1950 von der Polizei festgenommen, weil uns ein Strichjunge als schwul denunziert hatte. Der Staatsanwalt zog die alten Gestapo-Akten heran, um mir zu beweisen, dass ich homosexuell sei. Fast sechs Monate lang saß ich ohne Anklage in U-Haft, wurde immer wieder verhört. Das waren Nazi-Methoden!“ Lauinger wurde damals schließlich freigesprochen, viele andere wurden verurteilt. Der heute 97-Jährige hofft, dass die Bundesregierung die Urteile aufhebt und sich bei den Opfern des Paragrafen 175 entschuldigt.

„Schwule Männer wurden über Jahrzehnte in ihrer Menschenwürde, ihren Entfaltungsmöglichkeiten und ihrer Lebensqualität empfindlich beeinträchtigt“, betont Klose. „Das darf ein demokratischer Rechtsstaat nicht noch länger so stehen lassen. Der Hessische Landtag hatte sich bereits 2012 auf GRÜNE Initiative hin einstimmig bei den 175er-Opfern entschuldigt und wenig später die Aufarbeitung ihrer Schicksale beschlossen. Vor einem Jahr haben sowohl der Landtag als auch die Justizministerkonferenz der Länder die Bundesregierung erneut aufgefordert, tätig zu werden (Drs. 19/1825); lange waren keinerlei Fortschritte erkennbar.“

Im Sommer vergangenen Jahres hatten die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) und Klose in einem gemeinsamen Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau vorgeschlagen, die ins Feld geführten juristischen Hürden zu überwinden und ein Rehabilitierungs- und Entschädigungsgesetz auf den Weg zu bringen. „Dass ein solches Gesetz vom Bundesverfassungsgericht in der gesellschaftlichen Realität des Jahres 2016 als verfassungswidrig eingestuft würde, ist höchst unwahrscheinlich. Ein Rechtsgutachten im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, das heute in Berlin vorgestellt wird, kommt sogar zu dem Schluss, dass §175 StGB einen so schweren Eingriff in den vom Grundgesetz geschützten unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung bedeutet, dass die Aufhebung des Paragrafen nicht nur rechtlich möglich, sondern auch das am besten geeignete Mittel wäre, um die Rehabilitierung der Opfer zu erreichen. Paragraf 175 war demnach eindeutig mit höherrangigem Recht unvereinbar, das Gutachten sieht daher einen staatlichen Rehabilitierungsauftrag. Menschen wurde im Namen des Volkes Unrecht getan. Der Rechtsstaat muss die Kraft haben, dieser Erkenntnis auch Wiedergutmachung folgen zu lassen – sonst wird er als Rechtsstaat unglaubwürdig. Die Opfer können nicht noch länger warten: Die Zeit drängt, Herr Maas!“


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