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03.05.2012

Rechtsexpertise zur „Planklarstellung“: Unverantwortlich, abwägungsfehlerhaft und anfechtbar - GRÜNE: Posch provoziert Möglichkeit der Anfechtung durch Luftverkehrswirtschaft

Eine von der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei der Berliner Anwaltskanzlei Gaßner, Groth, Siederer & Coll. in Auftrag gegebene Stellungnahme zu den geplanten „Anpassungsabsichten“ des Noch-Wirtschaftsministers Posch (FDP) nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig zum Flughafenausbau kommt zu dem Ergebnis, dass das angekündigte Vorgehen „unverantwortlich“ sei. Posch hatte am 20. April angekündigt, die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts nicht abzuwarten, sondern in einer „Planklarstellung“ ein Nachtflugverbot zwischen 23 Uhr und 5 Uhr sowie durchschnittlich 133 Flüge in den Nachtrandstunden festzuschreiben. DIE GRÜNEN fordern die schwarz-gelbe Landesregierung auf, zu einem geregelten Verfahren zurückzukehren, die schriftliche Urteilsbegründung abzuwarten und in einem ordnungsgemäßen Verfahren die Öffentlichkeit zu beteiligen. Die Landtagsfraktion hält ihre politische Forderung nach einem Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr, einer Obergrenze der Flugbewegungen und zusätzlichen Maßnahmen zur Reduzierung des Fluglärms aufrecht.

Auch unser Thema der Woche im Kanal GRÜNE Hessen (KGH):
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Der Spezialist für Bau- und Planungsrecht sowie Infrastruktur, der Berliner Anwalt Dr. Klaus-Martin Groth, sieht ein ergänzendes Planfeststellungsverfahren zur Festschreibung des Nachtflugverbots und einer Entlastung der Nachtrandstunden als notwendig an. „Eine solche Festschreibung für den noch nicht bestandskräftig gewordenen Teil des Planfeststellungsbeschlusses vom 18. 12. 2007 darf aus Rechtsgründen nicht vor vollständiger Kenntnis der schriftlichen Gründe des verkündeten Leipziger Urteils erfolgen. Nur auf dieser Grundlage kann entschieden werden, ob und in welchem Umfang die Vertreter betroffener Belange und die Öffentlichkeit erneut zu beteiligen sind. Es spricht Einiges dafür, dass rechtlich auch weitere Entscheidungen erforderlich werden, um bei der erneuten Abwägung umfassend zu berücksichtigende Belange der Luftverkehrswirtschaft einerseits und des Lärmschutzes andererseits zu einem neuen Ausgleich im Sinne eines optimierten Lärmschutzes zu bringen. Fällt die zuständige Planfeststellungsbehörde vorher eine verbindliche Entscheidung, geht sie damit ein erhebliches erneutes Anfechtungs- und Aufhebungsrisiko ein und bewirkt das Gegenteil von dem, was sie angeblich erreichen will. Es entstünde keine Klarheit und Rechtssicherheit darüber, wann nachts auf dem Frankfurter Flughafen wirklich Ruhe herrscht“, zieht Dr. Klaus-Martin Groth als Resumée.

Der Rechtsanwalt sieht eine abschließende Planfeststellungsentscheidung vor Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründung als „abwägungsfehlerhaft und anfechtbar“ an. „Dieses Risiko kann man gerade dann, wenn man fest entschlossen ist, die Mediationsnacht von jeglichem planmäßigen Flugverkehr freizuhalten, nicht durch eine ‚Schnellschuss-Entscheidung‘ eingehen“, so Groth.

Für  den Fraktionsvorsitzenden der GRÜNEN, Tarek Al-Wazir, stellt sich sogar die Frage, ob Noch-Minister Posch (FDP) durch eine solche Schnellschuss-Entscheidung die Möglichkeit einer Anfechtung nicht geradezu provozieren will. „Nach all den schlechten Erfahrungen mit dieser Landesregierung traut man ihr inzwischen alles zu. Es ist schon mehr als außergewöhnlich, wenn Verkehrsminister Posch noch nicht einmal die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, sondern jetzt auf einmal eine ‚Planklarstellung‘  per Hau-Ruck-Verfahren machen will. Posch hat jahrelang damit argumentiert, dass es ihm angeblich um Rechtssicherheit ginge. Jetzt wählt er ein Verfahren, dass neue rechtliche Unsicherheit hervorruft. Wer ein Nachtflugverbot wirklich will, der muss dafür sorgen, dass die Fluggesellschaften keine neuen Klagegründe finden. Wem die Bürgerinnen und Bürger nicht völlig egal sind, der muss auch unter Lärmschutzgesichtspunkten eine erneute Abwägung der Belastungen in den Nachtrandstunden vornehmen, um in dieser Zeit die ‚Nacht nicht zum Tag‘ zu machen. Einer der Hauptkritikpunkte des Gerichts war, dass die Öffentlichkeit nur ungenügend beim Planfeststellungsbeschluss beteiligt wurde. Jetzt will Posch das Ganze wieder ohne Öffentlichkeitsbeteiligung durchziehen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Uns würde es nicht wundern, wenn Posch am Ende wieder auf Seiten der Luftverkehrswirtschaft auftauchen würde“, sagt Tarek Al-Wazir.

DIE GRÜNEN fordern die Landesregierung dringend auf, jetzt endlich auf sichere rechtliche Grundlagen zurückzukehren, die schriftliche Urteilsbegründung abzuwarten und danach in einem ordnungsgemäßen Verfahren die Öffentlichkeit bei der Umsetzung des Nachtflugverbots, der Betrachtung der Belastung in den Nachtrandstunden sowie anderer lärmentlastender Maßnahmen zu beteiligen. Sie kündigen erneut an, nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts ein weiteres Rechtsgutachten in Auftrag zu geben, um die rechtlichen Wege und Möglichkeiten für weitere lärmentlastende Maßnahmen zu prüfen.

Anlage: Expertise von Dr. Klaus-Martin Groth: „Ist es rechtlich vertretbar, die am 04.04.2012 erfolgte Verkündung des Tenors des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts in dem revisionsverfahren zum Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Flughafens Frankfurt/Main zum Anlass zu nehmen, den Planfeststellungsbeschluss zum Flughafenausbau auf 0 Flüge in der Mediationsnacht und durchschnittlich 133 Flüge in den Nachtrandstunden „anzupassen“?

PK-Planklarstellung - Dr. Klaus-Martin Groth, Tarek Al-Wazir und Elke Cezanne

PK-Planklarstellung - von links: Dr. Klaus-Martin Groth, Tarek Al-Wazir und Elke Cezanne


Pressestelle der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag
Pressesprecherin: Elke Cezanne

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