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31.08.2011

Haushalt 2012: Gute Konjunktur hilft wenig ambitioniertem Minister Steigende Steuereinnahmen dämpfen die Konsolidierungsbemühungen von Schwarz-Gelb

Die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wirft Finanzminister Schäfer (CDU) vor, bei seinem gestern vorgestellten Haushaltsentwurf vor allem auf steigende Steuereinnahmen zu setzen und keine Anstrengungen für strukturelle Einsparungen zu unternehmen. Weder für die kommunalen Finanzen noch für den Länderfinanzausgleich gebe es ein Konzept. Und die Stellen, die jetzt abgebaut werden sollen, wurden von Schwarz-Gelb zum größten Teil selbst geschaffen.

„Das ist ein Armutszeugnis. Die starke Konjunktur ist gut für Hessens Wirtschaft. Dem Sparwillen des Finanzministers bekommt sie jedoch schlecht“, urteilt der haushaltspolitische Sprecher GRÜNEN, Frank Kaufmann, über den Entwurf des Haushaltsplans 2012.  Da Hessen die Wirtschaftskrise 2008/2009 hinter sich gelassen hat, werden die Steuereinnahmen des Landes im kommenden Jahr um voraussichtlich zehn Prozent steigen. „Legen wir nun die im letzten Jahr – noch von Finanzminister Karlheinz Weimar – vorgestellten planmäßigen Ausgaben für 2012 neben den vorliegenden Haushaltsentwurf, so sehen wir einen Mehransatz von 845 Millionen Euro. Es ist aber klar erkennbar, dass, in dem nunmehr günstigeren konjunkturellen Umfeld, geplante Einsparungen auf die lange Bank geschoben werden. Zusätzlicher Beleg hierfür ist, dass das Ziel Null-Verschuldung trotz guter Wachstumsaussichten von 2017 auf 2018 verschoben wurde.

Auch in konjunkturell gutem Umfeld neue Kredite

Die Reduktion der Nettokreditaufnahme um rund 730 Millionen Euro sei für sich genommen begrüßenswert. Dies könne allerdings nicht verdecken, dass Hessen auch in diesem sehr guten konjunkturellen Umfeld 1,5 Milliarden Euro neue Kredite aufnimmt. Gemäß der mittelfristigen Finanzplanung mache der Finanzminister in den kommenden vier Jahren 4,8 Milliarden neue Schulden. „Für eine Landesregierung die sich selbst als die Verfechterin der Schuldenbremse in Hessen geriert, ist das eine stolze Zahl. Die schwarz-gelbe Landesregierung hält weiter Kurs, den Schuldenstand vom Beginn ihrer Regierungszeit bis zu ihrem Abdanken mehr als zu verdoppeln.“ Im Jahr 1999 belasteten Hessen rund 23,6 Milliarden Euro Schulden. Zum Ende der mittelfristigen Finanzplanung, im Jahr 2015, wird der Schuldenberg aller Voraussicht nach rund 46 Milliarden Euro groß sein.

Was besonders enttäusche, sei die Tatsache, dass der vorliegende Haushaltsentwurf bei seinen strukturellen Einsparungen „in erschreckendem Maße an Ehrgeiz vermissen lässt“: Zieht man von dem konjunkturbedingten Zuwachs der bereinigten Steuermehreinnahmen in Höhe von rund 1,7 Milliarden Euro den Ausgabezuwachs von rund 820 Millionen Euro ab, bleiben rund 860 Millionen Euro Einnahmezuwachs aufgrund der guten Konjunktur. „Wenn nun die Nettoneuverschuldung um rund 730 Millionen Euro zurückgefahren wird, so ist das das Verdienst der arbeitenden Menschen in Hessen, aber nicht der Sparanstrengungen des Finanzministers.“

Stellenabbau bei den obersten Landesbehörden

Bestätigt sehen sich DIE GRÜNEN im Hinblick auf den bereits vor einem Jahr vorgeschlagenen Stellenabbau bei den obersten Landesbehörden. „Die Tatsache, dass die Staatskanzlei die Kürzungsliste mit 26,5 Stellen anführt, belegt unsere langjährige Kritik an der Personalpolitik des ehemaligen Ministerpräsidenten, der in seinem Verantwortungsbereich einen veritablen Wasserkopf aufgebaut hat“, gibt sich Kaufmann zufrieden. So gab es kurz nach Regierungsübernahme der CDU in der Staatskanzlei 181 Stellen, im Jahr 2011 waren es 207 Stellen. „Das sind 26 Stellen mehr, und diese will der Minister jetzt wieder abbauen.“

Personalentwicklungskonzept ist notwendig

Dass der Minister den Personalbestand an die demografische Entwicklung koppeln will, wird von den GRÜNEN begrüßt. „Hier erwarten wir von dem Finanzminister jedoch, dass mit Sinn und Verstand gespart wird. Wir halten daher ein Personalentwicklungskonzept für notwendig“, so Kaufmann. In diesem müsste dargestellt werden, wie die Abbauziele „2020“ beziehungsweise „2030“ mit minimalen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Landesverwaltung erreicht werden können. In einer Bedarfsanalyse sei zu ermitteln in welchen Bereichen überdurchschnittlich Stellen eingespart werden können und wo gegebenenfalls Stellen zu schaffen sind. Darüber hinaus seien die Potenziale der sich abzeichnenden Entwicklungen in der Kommunikations- und Informationstechnik für die Arbeitsprozesse in der Landesverwaltung zu evaluieren. „Ein Personalentwicklungskonzept macht den Stellenabbau für Parlament und Öffentlichkeit transparent. Nur so schafft man Akzeptanz.“

Zukunftsfonds enthält auch Zukunftslasten

Die in einem Zukunftsfonds zusammengefassten Ausgaben könnten nach Auffassung der GRÜNEN auch direkt aus dem Haushalt bestritten werden. „Außer dass den von der Landesregierung geplanten Vermögensverkäufen das Etikett ‚Zukunft, Wissenschaft und Nachhaltigkeit‘ angeheftet werden soll, sehe ich keinen Grund für diese Fondskonstruktion. Die Tatsache, dass hier ein neuer Nebenhaushalt aufgemacht wird, ist der Haushaltstransparenz abträglich.“

Die Erlöse aus dem Verkauf des Frankfurter Polizeipräsidiums sollen als Starteinlage für den Zukunftsfonds dienen. „Die Verzweiflung des Finanzministers über seine sparunwilligen Kabinettskollegen muss groß sein“, meint Frank Kaufmann „Nur so ist erklären, dass er das Frankfurter Filetstück nun auf Biegen und Brechen für 80 Millionen Euro losschlagen will. Es ist nur einige Jahre her, da war die Landesregierung der Ansicht, dass das Polizeipräsidium 50 Prozent mehr wert ist.“

Davon abgesehen stellt so manche Investition eher eine Zukunftsbelastung als eine Zukunftschance dar. „Wenn der Zukunftsfonds das Straßenbauprogramm um 20 Millionen aufstockt, so wird das kaum Arbeitsplätze schaffen. Stattdessen entstehen durch die Unterhaltungskosten für die neugebauten Straßen neue strukturelle Ausgabelasten.“ Die weiteren 80 Millionen Euro, die in den Fass-ohne-Boden-Flughafen Calden gesteckt werden, sind in den Augen der GRÜNEN keine Investition, sondern allenfalls eine Ausgabe, die in den kommenden Jahren weitere Ausgaben nach sich ziehen werde. Auch eine Neukonzeption des Hessentags werde leider strikt abgelehnt. Hingegen bringen die 20,1 Millionen Euro, die in Energiesparmaßnahmen der Landesliegenschaften investiert werden, einen langfristigen Erfolg, der sich in Euro und Cent beziffern lässt. „Von solchen Investitionen würden wir gern mehr sehen – sei es im Haushalt oder in einem ‚Zukunftsfonds‘.“

Kommunalen Finanzausgleich reformieren

Verwundert zeigen sich DIE GRÜNEN darüber, dass der Finanzminister die Ausgaben für die Kommunen, den Kommunalen Finanzausgleich (KFA) als einen der „Ausgabentreiber“ ansieht. Zwar sei es richtig, dass der KFA um etwas über 10 Prozent ansteigt. Doch dies sei wenig verwunderlich, da die Kommunen mit einer festen Verbundquote an den Landeseinnahmen beteiligt sind. So ist es nur natürlich, dass wenn die Landessteuereinnahmen um 10 Prozent steigen, auch der KFA um ungefähr 10 Prozent zulegt.

„Statt sich fortwährend zu beschweren, wie ungerecht der aktuelle KFA für das Land sei, sollte der Finanzminister endlich einen konkreten Vorschlag für eine Reform des Kommunalen Finanzausgleichs vorlegen. Die GRÜNE Landtagsfraktion hat dies längst in dem Konzept „Hessens Kommunen fair finanzieren“ getan.

Frank Kaufmann abschließend: „Die Hessinnen und Hessen hätten eine Landesregierung verdient, die sich den Herausforderungen der Schuldenbremse mit einem durchdachten Konsolidierungskonzept stellt. Was sie stattdessen haben, ist eine Landesregierung, die sich weitestgehend um nachhaltige Einsparungen drückt, weil sie unpopulär sind. Die Konjunktur wird’s schon richten…“


Pressestelle der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag
Pressesprecherin: Elke Cezanne

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