Inhalt

17.05.2011

Gerichtsschließungen sind schwach begründet

„Im Entwurf des Justizministers zur Schließung von Amtsgerichten und Arbeitsgerichten sucht man vergebens Ausführungen zur Bedeutung einer funktionierenden Justiz, zum Stellenwert einer flächendeckenden Justizdienstleistung, zu den nachteiligen Folgen für die aufzugebenden Standorte, für die Bevölkerung und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei Minister Hahn sind die Gerichte nichts anderes als Rechengrößen in der Bilanz des Justizhaushalts. Genau das ist es, was die FDP ins Verderben geführt hat: Sie reduzieren die komplexe Lebenswirklichkeit auf Zahlenreihen in Bilanzen und Statistiken. Sie präsentieren heute Justizpolitik als reines Zahlenspiel und reduzieren Standortfragen auf rein fiskalische Aspekte. Sie bleiben damit weit hinter den Anforderungen zurück, die an einen Justizminister gestellt werden müssen“, erklärt in der Landtagsdebatte der rechtspolitische Sprecher der GRÜNEN, Andreas Jürgens.

„Aus Sicht meiner Fraktion bedarf es einer Abwägung bedarf zwischen den Belastungen, die wir den Menschen zumuten, und den Vorteilen, die sich durch Strukturveränderungen in den Arbeitsabläufen der Justiz und auch im Justizhaushalt ergeben. Zu den Belastungen nur wenige Beispiele: Wer als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber aus Rotenburg an der Fulda jetzt ein Arbeitsgerichtsverfahren zu führen hat, muss 22 km bis Bad Hersfeld zurücklegen. Künftig bis Fulda 78,5 km. Wer aus Hadamar zum Arbeitsgericht Limburg muss, hat heute einen Weg von 12,5 km, künftig bis Wiesbaden 58 km. In Schlüchtern, dessen Amtsgericht Sie schließen wollen, gibt es mehrere psychiatrische Einrichtungen und Kliniken. Die Betreuungsrichter sind dort fast täglich im Einsatz. Die Verlagerung des Amtsgerichts von Schlüchtern nach Gelnhausen bedeutet künftig Dienstfahrten über 33 km mit entsprechenden Fahrtzeiten und Fahrtkosten“, so Andreas Jürgens.

In seiner Regierungserklärung im letzten Jahr habe der Justizminister angekündigt, über die Einsparungen in 2011 hinaus müssten im Justizhaushalt des Jahres 2012 weitere 15 Millionen Euro eingespart werden. „In Ihrem heutigen Gesetzentwurf geben Sie an, dass durch die Gerichtsschließungen gerade mal 1,5 Millionen Euro jährlich gespart werden können, wenn sie umgesetzt sind. Das sind gerade mal 10 Prozent dessen, was Sie selbst als Einsparziel ausgegeben haben. Anders ausgedrückt: es gibt entweder andere Maßnahmen, die die übrigen 90 Prozent bringen müssen, also neunmal effektiver sind, als die Gerichtsschließungen. Oder sie bleiben weit hinter den Einsparplänen zurück“, erklärt der Abgeordnete.

„Meine Fraktion hat in ihrem Konzept ‚Hessen tritt auf die Schuldenbremse‘ eigene Vorschläge unterbreitet. Allein die Reduzierung der unsinnigen Tätigkeitserfassungen und Datensammelwut in Sachen SAP auf ein sinnvolles Maß könnte nach unserer Schätzung 2,8 Millionen Euro einsparen. Eine moderate Erhöhung der jahrelang unveränderten Gerichtsgebühren um durchschnittlich 5 Prozent würde Mehreinnahmen von über 15 Millionen Euro bringen, also 10 mal mehr, als Sie jetzt einsparen wollen.“

„Hinsichtlich der Amtsgerichte hatte der Rechnungshof vorgeschlagen, die Gerichte mit drei oder weniger Richterstellen mit anderen zusammenzulegen. Jetzt soll aber auch das Amtsgericht Usingen mit 4 Richterstellen geschlossen werden. Aus drei mach vier. Begründung? Keine. Angesichts der heftigen Proteste, die gerade die beabsichtige Schließung in Usingen hervorgerufen hat, ist das schon eine erhebliche Missachtung der Bürgerinnen und Bürger, die sich für den Erhalt ihres Amtsgerichts einsetzen“, meint Jürgens, der für den Ausschuss erheblichen Diskussionsbedarf sieht.


Pressestelle der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag
Pressesprecherin: Elke Cezanne

Schlossplatz 1-3; 65183 Wiesbaden
Fon: 0611/350597; Fax: 0611/350601
Mail: presse-gruene@ltg.hessen.de
Web: https://www.gruene-hessen.de/landtag