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06.11.2009

Gemeinsames Papier von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Hessen und Thüringen zum 20. Jahrestag des Mauerfalls

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

anhängend erhalten Sie die von den grünen Landtagsfraktionen in Hessen und Thüringen bei einer gemeinsamen Sitzung im thüringischen Geisa – nahe des Point Alphas  an der ehemaligen innerdeutschen Grenze- verabschiedete Erklärung. Die Fraktionen haben sich dort anlässlich des 20. Jahrestages des Mauerfalls getroffen.

Mit freundlichen Grüßen


Erklärung der Fraktionen

von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

im Hessischen Landtag

und im Thüringer Landtag

anlässlich der gemeinsamen Tagung am Point Alpha

zum 20. Jahrestag des Mauerfalls

Geisa, 6. November 2009

Vor 20 Jahren standen sich an diesem Ort noch zwei Weltsysteme gegenüber. Point Alpha war wohl einer der „heißesten Punkte im Kalten Krieg“. Über Jahrzehnte erschien die Teilung Deutschlands, Europas, der Welt als unüberwindbar.

Die Friedliche Revolution in der DDR führte schließlich zum Fall der Mauer und beendete damit auch die Blockkonfrontation von Nato und Warschauer-Pakt. Daran hatten die Menschen in ganz Europa einen großen Anteil. Die Friedliche Revolution in der DDR wäre ohne die Oppositionsbewegungen in Osteuropa nicht denkbar gewesen. Dabei sind die Gründung der Gewerkschaft „Solidarnosc“ schon 1979 auf der Danziger Leninwerft und die „charta 77“ in der Tschechoslowakei Startpunkte dieser Entwicklung gewesen. Ebenso war der Reformprozess von Michail Gorbatschow in der UdSSR ein wichtiger Impuls. Die Grenzöffnung durch Ungarn und  die glückliche Beendigung der Botschaftsbesetzungen in Prag und Warschau waren aktuelle Ereignisse nur wenige Wochen vor dem Fall der Mauer. Das beharrliche Einfordern von Menschenrechtsstandards durch die Bundesrepublik und das westliche Europa haben zu dieser Entwicklung ebenso entscheidend beigetragen. Mit großer Dankbarkeit sehen beide Fraktionen auf diese Geschichte.

Für eine geschichtliche Sekunde galt die Utopie des Weltfriedens als greifbar nahe. Denn mit dem Ende der Blockkonfrontation schien eine friedlichere Welt die logische Folge zu sein. Aber neue und alte Konflikte, wie die auf dem Balkan, in Pakistan oder um Israel und Palästina, einem der heutigen „heißen Punkte“ wenn es um Krieg, Frieden und elementare Menschenrechte geht, machen bis heute deutlich, dass Frieden eine ständige Aufgabe ist. In den letzten zwanzig Jahren wurden und werden aber auch neue Kriege um Rohstoffe, Wasser und andere Umweltressourcen geführt. Die Welt ist kleiner geworden und Probleme, die früher scheinbar weit weg lagen, berühren uns nun ganz unmittelbar. Diese Konflikte des 21. Jahrhunderts können nur noch gelöst werden, wenn wir sie lokal und global angehen, wenn Demokratie allerorten Einzug hält und das Primat des Zivilen leitend für unser Handeln ist. Dazu gehören die bürgerschaftliche Teilhabe aller Menschen und die Weiterentwicklung der internationalen Staatengemeinschaft ebenso wie ein umfassender Klimaschutz und die Achtung der Menschenrechte – weltweit.

Thüringen und Hessen sind europäische Regionen, die durch eine Grenze getrennt waren und nun in einem geeinten Europa mit Gewinn zusammenarbeiten. Unsere gemeinsame Geschichte von Teilung und Einheit lässt uns entschieden für eine Stärkung Europas und die Überwindung nationalstaatlichen Denkens eintreten und macht uns besonders sensibel im Umgang mit Vergangenheit und Zukunft.

Die Oppositionsbewegung der DDR war stark geprägt vom Kampf für eine saubere Umwelt. So entstand schon früh eine Zusammenarbeit mit den noch jungen GRÜNEN. Vergiftete Flüsse, tödliche Altlasten und gesundheitsgefährdende Atemluft bedrohten die Menschen. Heute steht die Aufgabe vor uns, weltweit das Klima zu schützen, denn schon jetzt sind Millionen von Menschen durch den Klimawandel bedroht. Diese Aufgabe stellt sich auch vor unserer Haustür, wie die fortwährende Versalzung des thüringisch-hessischen Flusses Werra durch den Kaliabbau zeigt.

Vor diesem Hintergrund werden die bündnisgrünen Fraktionen Thüringens und Hessens, weiterhin gemeinsam dafür arbeiten, den Menschen eine lebenswerte Umwelt zu schaffen und zu sichern.

Teilhabe ist  Demokratie!

Der Ausruf: Wir sind das Volk! ist heute noch immer aktuell und stellt die Basis aller gesellschaftlichen Entwicklung dar – Demokratie! Auch heute braucht es die Zivilcourage und das Engagement der Menschen, um Demokratie mit Leben zu füllen, erfahrbar zu machen und in Politik münden zu lassen. Demokratie muss heute ebenso Tag für Tag aufs Neue erstritten und gewagt werden. International bedeutet dies vor allem, zu Menschenrechtsverletzungen nicht zu schweigen und Demokratiebewegungen zu unterstützen. Lokal heißt dies für uns, den Ausbau einer transparenten und bürgernahen Politik und Verwaltung entschieden voranzutreiben. Dabei gibt es immer noch Handlungsbedarf, wie die Ablehnung eines Informationsfreiheitsgesetzes für die Bürgerinnen und Bürger durch die Landesregierung Hessens schlaglichtartig deutlich macht. Hier hat Thüringen, das über ein solches Gesetz bereits verfügt, Vorbildcharakter für Hessen.

Teilhabe beginnt für uns aber auch mit dem gerechten Zugang aller Menschen zu Wasser und Nahrung, medizinischer Versorgung, Arbeit und Bildung. Dies gilt es lokal wie global umzusetzen. Durch einen verantwortlichen Umgang mit den natürlichen Ressourcen in Hessen und Thüringen können und wollen wir dafür unseren Beitrag leisten.

Eine Absage erteilen wir einer Landwirtschaft, die sich auf den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen stützt und einer Lebensmittelindustrie, die damit nur vorgibt, die Ernährungsprobleme lösen zu wollen. Deshalb wollen wir in Thüringen und Hessen eine Landwirtschaft, die frei von gentechnisch veränderten Organismen ist und eine starke ökologische Komponente aufweist.

Für ein faires Klima!

Wir wollen das Klima schützen und dazu engagiert den effizienten Einsatz von Energie und erneuerbaren Energien als Grundlage einer zukünftigen Energieversorgung befördern. Wir brauchen zudem eine Wende in der Verkehrspolitik. Nicht neue Tiefbauprojekte, sondern umweltverträgliche Mobilität für alle, lautet unser Ziel. Deshalb wollen wir auch und gerade zwischen Hessen und Thüringen die öffentlichen Mobilitätsangebote ausbauen. Hier ist noch viel zu tun: 20 Jahre nach dem Mauerfall ist die Mitte-Deutschland-Verbindung der Deutschen Bahn immer noch nicht verwirklicht, während die Landesregierungen von Hessen und Thüringen sich vehement nur für neue Straßen wie die das Biosphärenreservat Rhön durchschneidende Bundesstraße 87n einsetzen.

Wir  wollen in Thüringen wie in Hessen perspektivisch auf einhundert Prozent erneuerbare Energien umstellen und somit die regionalen Wirtschaftskreisläufe und die dezentrale Energieversorgung stärken. Daneben setzen wir besonders auf Einsparung und Effizienz. Dies soll unser Beitrag sein, Effizienztechnologien und die erneuerbaren Technologien für den weltweiten Einsatz weiter zu entwickeln. Hierbei konnten in den vergangenen Jahren dank Grünen Regierungshandelns auf Bundesebene bereits große Erfolge erzielt werden, wie die Entwicklung der Solarwirtschaft in Nordhessen belegt. Der Nutzung von Atomenergie erteilen wir eine klare Absage, denn hier gilt: Sicher ist nur das Risiko. Deshalb halten wir ohne wenn und aber am schnellstmöglichen Atomausstieg fest.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den Landtagen von Thüringen und Hessen werden diese Aufgaben wo immer möglich gemeinsam angehen. Der Erfolg der Friedlichen Revolution in der DDR zeigt auch 20 Jahre nach dem Mauerfall, dass sich diese Beharrlichkeit auszahlt.


Pressestelle der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag
Pressesprecherin: Elke Cezanne

Schlossplatz 1-3; 65183 Wiesbaden
Fon: 0611/350597; Fax: 0611/350601
Mail: gruene@ltg.hessen.de
Web: http://www.gruene-fraktion-hessen.de

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