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08.07.2009

Behindertenpolitik in Hessen: Mehr Schatten als Licht

„In der Behindertenpolitik der Landesregierung gibt es mehr Schatten, als Licht. Manches geht durchaus voran, vieles wurde versäumt, einige Ideen der Landesregierung haben gefloppt und in einem entscheidenden Punkt, dem gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern, kann man nur ein komplettes Versagen der Landesregierung feststellen“, erklärt in der Landtagsdebatte über eine Große Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Behindertenpolitik deren behindertenpolitischer Sprecher Andreas Jürgens.

Zu Recht werde der Leitfaden „Unbehinderte Mobilität“ zur Gestaltung öffentlicher Verkehrsräume gelobt. „Ohne jeden Zweifel ist damit ein großer Wurf gelungen. Auch die schrittweise barrierefreie Umgestaltung von Landesgebäuden ist gut und richtig. Ein weiteres positives Beispiel ist die gelungene Integration behinderter Kinder im Vorschulbereich, insbesondere in Kindertagesstätten. Hier wird die gleichberechtigte Teilhabe umgesetzt und die Basis für ein möglichst selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen gelegt“, so Jürgens.

Allerdings gebe es auch Versäumnisse. So gebe es keine Aktivitäten des Landes zur Beseitigung der doppelten Diskriminierung behinderter Frauen. „Behinderte Frauen sind bei allen Rehabilitationsmaßnahmen deutlich unterrepräsentiert. Behinderte Eltern erhalten selten die Unterstützung, die sie brauchen. Sexuelle Übergriffe in Einrichtungen der Behindertenhilfe sind durchaus keine Seltenheit. Dies sind nur wenige Themen, zu denen es von der Landesregierung nur Schweigen gibt. Sie hat keinen Plan, wie der doppelten Benachteiligung behinderter Frauen begegnet werden kann“, meint der Abgeordnete. Ein Flop seien auch die so genannten Zielvereinbarungen zwischen Behindertenorganisationen und kommunalen Körperschaften. Seit Inkrafttreten des Gesetzes sind gerade mal vier solche Zielvereinbarungen zustande gekommen. Schon diese geringe Zahl mache deutlich: die Zielvereinbarungen können klare gesetzliche Vorgaben auch für die kommunale Ebene – wie von den Grünen immer gefordert – in keiner Weise ersetzen.

„Ein wirklicher Skandal ist die Situation der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Ich wiederhole, was ich schon einmal feststellen musste: Eher kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Kind mit so genannter geistiger Behinderung in Hessen in den gemeinsamen Unterricht. Hessen liegt weit hinten in der Statistik: während in Bremen und Berlin inzwischen mehr als 30 Prozent aller behinderten Kinder in die Regelschule gehen, sind dies in Hessen nicht einmal 10 Prozent. Das ist auch unter den Flächenländern ein erbärmlich schlechter Wert. Bremen und Schleswig-Holstein wollen die Förderschulen jetzt schrittweise ganz abschaffen und den gemeinsamen Unterricht zur Regel machen. Auch andere Bundesländer setzen verstärkt auf die Regelschule. Aber Hessen setzt weiter auf die Aussonderung behinderter Kinder. Es macht doch keinen Sinn, behinderte Kinder, die im Kindergarten mit nicht behinderten Kindern zusammen sind, beim Übergang in die Schule von ihren Freunden zu trennen und gesondert zu beschulen“, so der Abgeordnete.

Zu Recht setzten viele Familien mit behinderten Kindern große Hoffnungen auf die neue UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Diese schreibt ein inklusives Bildungssystem vor. Die hessische Praxis, behinderte Kinder in der Regel auf die Förderschule zu verwiesen, steht im Widerspruch zur UN-Konvention. In einem Antrag fordern DIE GRÜNEN die Landesregierung auf, die Umsetzung der Konvention sicherzustellen. „Eine ernsthafte Überprüfung wird nach unserer Überzeugung erheblichen Änderungsbedarf ergeben. Die Konvention fordert vor allem auch aktives Handeln aller politischen Ebenen zur Umsetzung von Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe. Hier gibt es noch ein breites Betätigungsfeld“, so Jürgens.


Pressestelle der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag
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