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15.09.2011

60 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention - Grüne diskutieren über die Frage des Flüchtlingsschutzes in Europa im Schatten der arabischen Umbrüche

Die Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat in einem dreistündigen öffentlichen Fachgespräch in Frankfurt am Main mit ausgewiesenen Experten die arabischen Umbrüche politisch analysiert und über die Frage diskutiert, welche Herausforderungen auf die europäische, Bundes- und Landesebene im Sinne einer verantwortungsbewussten Flüchtlingsschutzpolitik zukommen wird.

Als Experten waren Tom Koenigs, grüner Bundestagsabgeordneter und  Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Nahost Experte Dr. Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik und die Journalistin Souad Mekhennet, die über die ägyptische Revolution berichtet und das Flüchtlingslager Choucha in Tunesien besucht hat, eingeladen. Die Moderation hatte Abdul-Ahmad Rashid, Journalist und Islamwissenschaftler inne, der ca. 70 teilnehmende Gäste aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft durch den Abend im Ökohaus führte. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen,  Kordula Schulz-Asche, erinnerte an die Entstehungsgeschichte der Genfer Flüchtlingskonvention nach dem 2.Weltkrieg, die sich daraus ergebende Verantwortung gegenüber Flüchtlingen heute sowie der Notwendigkeit, durch wirkungsvolle Entwicklungszusammenarbeit Krisen zu vermeiden oder schnell zu überwinden.

In der politischen Analyse der aktuellen Situation nach den Umbrüchen in den arabischen Ländern, waren sich die Experten Dr. Steinberg und Mekhennet schnell einig, dass die Lage in Ägypten und Tunesien noch lange nicht als stabil gewertet werden kann. Auch der Ausgang in Libyen sei noch nicht abzusehen und das weitere Vorgehen des Machthabers in Syrien ebenfalls nicht einschätzbar. Das diese Situation jedoch mehr Flüchtlingsbewegungen auslösen wird und viele dieser Flüchtlinge sich auf den Weg gen Westen machen werden, war einhellige Meinung. Die Prognose war, dass in Syrien viele Flüchtlinge den Versuch starten werden, vermutlich über die Türkei, nach Europa zu gelangen, während viele der in Libyen und Tunesien oder Ägypten steckengebliebenen afrikanischen Flüchtlinge aus der Subsahara, den Weg über das Mittelmeer nach Europa suchen werden.

„Vor dem Hintergrund der jüngsten Flüchtlingsbewegungen nach Europa darf Flüchtlingsschutzpolitik nicht mehr als Randthema behandelt werden. Denn die überwiegende Mehrheit dieser in Ägypten, Libyen oder Tunesien steckengebliebenen Personen ist aus humanitären Gründen nicht in der Lage in ihre Herkunftsländer zurückzukehren. Viele von ihnen sind vom Flüchtlingswerk der Vereinten Nation UNHCR als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt. Das Flüchtlingswerk der Vereinten Nation prüft, ob diese Flüchtlinge gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention schutzbedürftig sind und versucht diesen Personenkreis in sichere Länder unterzubringen. Die Zahl dieses Personenkreises ist auf Grund der Umbrüche in den arabischen Ländern weiterhin gestiegen.

Wir Grüne setzen uns für einen humanitären und solidarischen Flüchtlingsschutz ein, der zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Deutschland und Europa beiträgt. Mehrere Tausende haben im Zuge der Umbrüche in den arabischen Ländern auf der Flucht vor Gewalt und Menschenrechtsverletzungen im europäischen Mittelmeer ihr Leben verloren. Weltweit sitzen heute Hunderttausende von Flüchtlingen am Rande von Krisengebieten in Lagern fest, ohne Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben. Hessen, Deutschland und Europa müssen verstärkt für eine menschenrechtlich vertretbare Flüchtlingsschutzpolitik eintreten, mit dem UNHCR kooperieren und das Sterben im Mittelmeer nicht einfach hinnehmen“ so Mürvet Öztürk, Sprecherin für Integration, Migration und Petition.

Tom Koenigs appellierte an die moralische Verantwortung Europas. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks hätten mehr als 2.000 Menschen seit Januar 2011 ihr Leben im Mittelmeer verloren. Dabei habe die Rettung von Menschenleben oberste Priorität. Deshalb sei es dringend notwendig die Seenotrettung zu verbessern. Koenigs betonte, dass sich Europa entscheiden müsse, der Tragödie weiter zusehen oder helfen.  Außerdem sollte Deutschland eng mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk zusammenarbeiten und die dauerhafte Neuansiedlung von Flüchtlingen aus Drittstaaten in Deutschland ermöglichen.

„Die skandinavischen Länder nehmen im Rahmen des Resettlement-Programms immer wieder Flüchtlinge aus Krisenregionen auf und gewähren ihnen sicheren Aufenthalt. Auch in deutschen Kommunen findet das Programm zunehmend Unterstützung beispielsweise durch entsprechende Ratsbeschlüsse der Städte Bonn, Köln oder Hannover. Wir fordern die Bundesregierung und die hessische Landesregierung auf, ebenso eine verstärkte Aufnahmebereitschaft von Flüchtlingen zu signalisieren, die nach Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt sind und sich dafür einzusetzen, dass die Voraussetzungen für eine kontinuierliche Aufnahme von Seiten des UNHCR geschaffen werden. Neben einer dringenden europäischen Lösung der Flüchtlingsproblematik sowie einer gerechten Verteilung der Verantwortung innerhalb Europas, ist eine enge Zusammenarbeit der Staaten mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen erforderlich, um der Moral und den Werten der Genfer Flüchtlingskonvention näher zu kommen“ forderten Öztürk und Koenigs.

„Kernstück der Genfer Flüchtlingskonvention ist das Non-Refoulement-Prinzip. Es besagt, dass kein Flüchtling in ein Land ausgewiesen werden darf, in dem sein Leben gefährdet sein könnte. Das Abweisen und Abdrängen von Flüchtlingsbooten sei daher menschenrechtlich verboten“, stellte Koenigs zum Abschluss der Veranstaltung klar.


Pressestelle der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag
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