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26.07.2023

Untersuchungsausschuss 20/1 (Dr. Walter Lübcke)

Der Mord am damaligen Regierungspräsidenten und ehemaligen Landtagsabgeordneten Dr. Walter Lübcke am 2. Juni 2019 stellt eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik dar. Denn erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wurde in Deutschland ein Politiker durch ein rechtsextremistisch motiviertes Attentat getötet. Mit ausschlaggebend für diese heimtückische Tat war eine Rede Walter Lübckes aus dem Jahr 2015, in der er für die Aufnahme von Geflüchteten, seine Überzeugungen und Menschlichkeit eintrat.

Im Sommer 2020 wurde mit den Stimmen aller im Hessischen Landtag vertretenen Fraktionen die Einrichtung des Untersuchungsausschusses 20/1 zum Mord an Dr. Walter Lübcke beschlossen. In 43 Ausschusssitzungen wurde zahlreichen Beweisbeschlüssen nachgegangen, wurden 60 Vernehmungen von Sachverständigen und Zeug*innen durchgeführt und über 2.700 Akten ausgewertet.

Nach dem Ergebnis der umfangreichen Untersuchungen müssen wir feststellen, dass es in der Vergangenheit behördliche Versäumnisse gab, die wir deutlich in dem von den Regierungsfraktionen vorgelegten Abschlussbericht benennen. So konstatieren wir zum Beispiel, dass die Gefährlichkeit des Mörders von Walter Lübcke aufgrund seiner gewalttätigen Vergangenheit rückblickend außer Frage steht und die Entscheidung des Hessischen Landesamts für Verfassungsschutz, ihn nicht weiter zu beobachten, aus heutiger Sicht fehlerhaft war. An einigen Stellen mussten wir zudem Defizite und strukturellen Veränderungsbedarf sowohl im Landesamt für Verfassungsschutz als auch beim polizeilichen Staatsschutz feststellen.

Trotz der im Abschlussbericht aufgezeigten Versäumnisse können wir in der Rückschau die Frage, ob der Mord an Walter Lübcke hätte verhindert werden können, nicht faktenbasiert und seriös beantworten. Eine Kausalkette, durch die nachvollziehbar festgestellt werden könnte, welches Handeln den Mörder von seiner abscheulichen Tat hätte abhalten können, existiert nicht.

Um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und die richtigen Schlüsse zu ziehen, damit die Arbeit der Sicherheitsbehörden künftig effektiver werden kann, haben wir im Abschlussbericht zahlreiche Handlungsempfehlungen formuliert.

Aus unserer Sicht besteht über die Aussagen im Bewertungsteil des Abschlussberichts sowie die Handlungsempfehlungen ein hohes Maß an Übereinstimmung mit anderen Fraktionen. Wir bedauern daher, dass es nicht zu einem gemeinsamen Bericht gekommen ist. Unsere Aufgabe als Untersuchungsausschuss war es, dem Parlament über den Gang der Untersuchung und die gewonnenen Erkenntnisse zu berichten. Dazu gehört eine korrekte Sachverhaltsdarstellung und eine kritische Bewertung der Arbeit hessischer Sicherheitsbehörden. Dem wird der von uns vorgelegte Abschlussbericht gerecht.

Der Untersuchungsausschuss hat einmal mehr gezeigt, dass der Rechtsextremismus weiter entschieden bekämpft werden muss. Dies ist nicht allein Aufgabe der Sicherheitsbehörden, sondern vielmehr auch – dem Beispiel Dr. Lübckes folgend – eine Pflicht unserer demokratischen Gesamtgesellschaft. Hier muss eine Kultur des Widerspruchs gelebt werden, um rechtsextreme Umtriebe bereits im Keim zu ersticken.


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