Laut WHO sind in Deutschland 1 Million Kinder von sexueller Gewalt betroffen. Das sind etwa ein bis zwei Kinder pro Schulklasse. Nur ein Bruchteil dieser Fälle ist bekannt und wird überhaupt strafrechtlich verfolgt. Darum ist es enorm wichtig, sich dieses Themas anzunehmen. Allein, der Regierungserklärung der Landesregierung vom Oktober war nicht viel Neues zu entnehmen. Denn Hessen verfolgt bereits seit Jahren die Strategie der Prävention und Aufklärung, um Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt zu schützen. Die bereits unter GRÜNER Regierungsbeteiligung etablierten Interventionsstellen wie das Childhood-Haus in Frankfurt und die Kinderschutzambulanzen in Hessen beispielsweise müssen weiter gestärkt werden. Auch die Etablierung von Schutzkonzepten in Kitas, Schulen und Vereinen sowie die Schaffung von Unterstützungsangeboten sind dabei entscheidend. Wir müssen sicherstellen, dass Betroffene nicht allein gelassen werden. Wegschauen, Tabuisieren oder Kleinreden verschärfen die Situation der Betroffenen.
Wir brauchen aber auch mehr Spezialisierung und interdisziplinäre Hilfe, um schnell und kompetent auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen zu reagieren. Für eine erfolgreiche Umsetzung sind gut ausgebildete Fachkräfte notwendig. Wir brauchen verpflichtende Fortbildungen für alle, die mit Kindern arbeiten. Der Schutzauftrag gilt überall, wo Kinder lernen, spielen und leben. Wir brauchen Expertinnen und Experten im Kinderschutz, und deshalb braucht es auch einen Masterstudiengang Kinderschutz. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den Jugendämtern und in vielen Einrichtungen müssen schnell und kompetent reagieren können; denn eine Inobhutnahme betrifft immer ein komplexes System und ist eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten. Wir brauchen mehr Spezialisierung in diesem Bereich, weil Gewalt und Missbrauch viele Gesichter haben und Leidenswege für Kinder und Jugendliche endlich verkürzt werden müssen.
Die Wichtigkeit des Schutzes von Kindern und Jugendlichen wird durch die Ausweitung der zu schützenden Räume auf das Digitale drastisch erhöht. Denn gerade in den neuen, digitalen Räumen, in denen Kinder und Jugendliche immer mehr Zeit verbringen, müssen wir die die Täterstrategien des Cybergroomings verstehen und durchbrechen. Aufklärungsarbeit und Präventionsprogramme sind notwendig, um Kinder, Jugendliche und Eltern zu sensibilisieren.
Natürlich müssen alle Straftaten schnell und konsequent verfolgt werden. Deswegen ist es gut, dass der Bundesrat einer längeren Speicherfrist von IP-Adressen zugestimmt hat. Die Täterinnen und Täter haben kein Recht auf Anonymität, weder im Netz noch im realen Leben.
Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor psychischer, körperlicher und sexueller Gewalt bleibt eine wichtige Aufgabe des Staates und seiner Institutionen. Zudem ist aber auch Jede und Jeder aufgerufen, aktiv an der Schaffung eines sicheren Umfelds für Kinder und Jugendliche mitzuwirken. Gemeinsam müssen wir gegen Wegschauen und Tabuisierung angehen. Denn selbst die beste Politik ist hilflos ohne eine Kultur des Hinsehens. Der Schutz unserer Kinder und Jugendlichen ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Es muss unser Ziel bleiben, die Kultur des Hinsehens weiter zu etablieren.