Inhalt

29.05.2024

Ein schwarzer Tag für den Staatswald

Mit dem angekündigten Ausstieg aus dem Gütesiegel FSC beweist die Landesregierung einmal mehr, dass ihr für eine nachhaltige Forstwirtschaft die Weitsicht fehlt. Naturschutzgebiete im Staatswald wurden gestoppt, der Schutz alter Buchenwälder wurde aufgehoben – und jetzt soll auch noch auf die hohen Umwelt- und Sozialstandards des FSC-Gütesiegels verzichtet werden. Umweltminister Ingmar Jung, der den Klimaschutz aus dem Namen seines Ministeriums gestrichen hat, verabschiedet sich nun auch in der Realität vom Klimaschutz und von einer nachhaltigen Waldpolitik. Um der kurzfristigen Wirtschaftlichkeit willen möchte er mehr fremdländische Baumarten pflanzen, als FSC erlaubt. Damit befeuert der Minister das Artensterben in Hessen, denn viele Tiere und Pflanzen brauchen heimische Bäume zum Überleben. Wir GRÜNE warnen vor diesem gewagten Experiment, das die Ökosysteme durcheinanderbringt und unsere massiv geschädigten Wälder weiter schwächen könnte: Darum ist heute ein schwarzer Tag für den hessischen Wald.

Mit dem Gütesiegel FSC garantiert das Land Hessen, dass der Staatswald – immerhin 40% der hiesigen Waldfläche – besonders nachhaltig bewirtschaftet wird. Angestoßen hat die Zertifizierung Ministerpräsident Roland Koch (CDU), zunächst mit einem Pilotprojekt. Unter GRÜNER Regierungsbeteiligung, mit Umweltministerin Priska Hinz, wurde die Zertifizierung auf den ganzen hessischen Staatswald ausgedehnt. Umweltminister Ingmar Jung (CDU) vollzieht nun eine Kehrtwende und will – so die Ankündigung in der vergangenen Plenarwoche – aus FSC aussteigen. Die SPD trägt das mit, obwohl sie FSC im Wahlprogramm noch als „Mindeststandard“ bezeichnete.

Damit es nicht allzu hart klingt, spricht die Koalition offiziell von einem „Moratorium“. Man will vier Jahre lang – quasi die ganze Legislaturperiode – „evaluieren“, ob es sich ohne FSC nicht „effizienter und unbürokratischer“ lebt. Das ist eine Farce, denn das Ergebnis der „Evaluierung“ steht anscheinend längst fest. Die Koalition hat in Landtagsdebatten detailliert aufgelistet, was ihr an FSC nicht passt, und beendet die Zertifizierung vorsorglich schon vor der „Evaluierung“.

Um das FSC-Gütesiegel zu erhalten, müssen im hessischen Staatswald bislang hohe Umwelt- und Sozialstandards erfüllt werden. Daran reicht PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes), das die Landesregierung nun als gleichwertiges Zertifizierungssystem anpreist, nicht heran. Gravierende Unterschiede zwischen FSC und PEFC gibt es u.a. beim Einsatz hochgiftiger Pestizide, bei Kahlschlägen und der Baumartenwahl.

Am stabilsten ist ein naturnaher Wald mit heimischen Baumarten

Sobald er den FSC-Standard los ist, will Umweltminister Jung vor allem mehr nicht-heimische Baumarten pflanzen. Eine Lösung für die Klimaschäden im Wald ist das nicht. Diese Maßnahme befeuert sogar das Artensterben, denn viele Tiere und Pflanzen brauchen heimische Bäume zum Überleben. Wir GRÜNE warnen vor Experimenten, die die Ökosysteme durcheinanderbringen und unsere massiv geschädigten Wälder weiter schwächen. Am stabilsten ist ein naturnaher Wald mit heimischen Baumarten – die Leitplanken dafür liefert FSC.

FSC ist aber kein reines „Öko-Siegel“. Seine Standards werden gleichberechtigt von Vertreter*innen der Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsseite entwickelt und regelmäßig angepasst. Deshalb gehören neben Umweltverbänden auch Gewerkschaften wie die IG BAU nach wie vor zu den Verfechtern von FSC. Hessen könnte als großer Waldbesitzer eine wichtige Rolle bei der aktuellen Überarbeitung der FSC-Standards spielen – ohne Zertifizierung darf man aber natürlich nicht mehr mitgestalten.

Mit der FSC-Zertifizierung gibt die Landesregierung den erfolgreichen Ausgleich von Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftsinteressen im Staatswald auf. Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung im „Bürgerwald“ der Hessinnen und Hessen werden zurückgeschraubt, die Vorbildfunktion des Landes leidet dadurch erheblich. Dabei war das Potenzial von FSC noch längst nicht ausgeschöpft, etwa bei der Vermarktung des zertifizierten Holzes, welches von vielen namenhaften Unternehmen nachgefragt wird.

Der Ausstieg aus FSC reiht sich ein in eine ganze Reihe von Maßnahmen, mit denen die schwarz-rote Landesregierung den Naturschutz im Hessischen Staatswald degradiert – darunter der Ausweisungsstopp für Naturschutzgebiete und die Abkehr vom Einschlagsmoratorium in alten Buchenwäldern. Das ist angesichts des gravierenden Zustands unseres Walds besorgniserregend. Mit unserem Antrag (PDF) im Landtag fordern wir die Landesregierung dementsprechend auf, ihr Ziel, „die hessischen Wälder für nachfolgende Generationen zu erhalten“ (vgl. Koalitionsvertrag), mit wirksamen Maßnahmen zu hinterlegen, statt die Destabilisierung unserer Waldökosysteme voranzutreiben.

Kontakt