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04.10.2011
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Gesetz über die Anpassung der Besoldung und Versorgung in Hessen 2011/2012

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will am Anfang auf die Ausführungen des Kollegen Blechschmidt eingehen; denn die Aufforderung zur Sachlichkeit und zur Beendigung von Ritualen höre ich sehr gerne.

Herr Kollege Blechschmidt, man muss aber immer im Hinterkopf haben, wo wir herkommen und wo wir hingehen. Diese Rituale und die Sachlichkeit, die Sie ansprechen, sind nicht da, weil Sie so vernünftig mit Beamtinnen und Beamten im Lande Hessen umgegangen sind, sondern das ist ein anderer Fall. Wir kommen von Kürzungen, die Sie über die „Operation düstere Zukunft“ vorgenommen haben. Wir kommen daher, dass Sie die 42-Stunden-Woche eingeführt haben, dass Sie mit großem Tamtam eine Mediatorengruppe eingerichtet haben, die die Zukunft des Dienstrechtes in Hessen erarbeiten sollte, wo Sie sich Teilbereiche herausgenommen haben, die Sie gerade regeln wollten. Andere Reformbereiche wurden nicht angegangen.

Wenn Sie also zu mehr Sachlichkeit kommen wollen und wenn Sie dazu aufrufen, Rituale zu beenden, sage ich ausdrücklich Ja dazu. Ich glaube, dass dieser Bereich es verdient, dass wir eine Debatte darüber führen, wie wir das Dienstrecht und das Beamtentum zukunftsfähig bekommen. Das wäre aller Mühen wert.

Aber leider haben Sie diese Debatte versäumt. Leider haben Sie nicht das getan, was der ehemalige Ministerpräsident Koch eigentlich vorhatte: über die Mediatorengruppe eine große gesellschaftliche Debatte zu initiieren und dann zu einer Diskussion und einer Beschlussfassung im Landtag zu kommen. Das haben Sie leider versäumt. Das muss man in Ihre Richtung leider sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Was Rituale angeht – Sie wissen, dass wir einen eigenen Vorschlag eingebracht haben, was die Besoldung angeht –, bin ich sehr dafür, sie zu beenden, Herr Kollege Blechschmidt. Aber ich möchte Sie bitten, ehrlich auf die Frage zu antworten: Was wäre hier im Landtag los, wenn eine andere Landesregierung einen solchen Vorschlag für die Besoldung vorlegen würde? Würden Sie dann auch sagen, dass das, was Sie dann machen würden, Rituale sind? Würden Sie sich hierhin stellen und konstruktive Vorschläge machen? Oder würden Sie hier nicht auch auf Opposition machen, wie das von Teilen des Hauses – SPD und Linke – gemacht wird? Wer also will, dass Rituale beendet werden, der muss bei sich selbst anfangen, Herr Kollege Blechschmidt, und das sehe ich bei Ihnen leider noch nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, schauen wir an, wo wir hergekommen sind. Sie haben einen Gesetzentwurf zur Besoldungserhöhung vorgelegt, der – das haben wir schon bei der Einbringungsrede gesagt – eine klare soziale Schieflage, eine klare Unwucht hatte. Sie wollten keine Einmalzahlung von 360 Euro leisten. Sie wollten für die Anwärterinnen und Anwärter die 120 Euro nicht bezahlen. Sie wollten die vorgesehenen prozentualen Erhöhungen im ersten Jahr um sechs Monate und im zweiten Jahr um sieben Monate schieben. Sie wollten also nicht das tun, was der Innenminister eigentlich angekündigt hat, nämlich die Erhöhungen übernehmen, die im Tarifbereich abgeschlossen worden sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss doch noch eines zur Kenntnis nehmen: Es gibt bei uns nicht nur die Beamtinnen und Beamten, die viel verdienen, die Gutverdiener sind, sondern wir haben auch eine Anzahl von Beamtinnen und Beamten, die im mittleren und im einfachen Dienst arbeiten. Gerade für diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Einmalzahlungen von 360 Euro sehr viel Geld. Deswegen war der Gesetzentwurf, den Sie eingebracht haben, mit einer sozialen Schieflage und einer Unwucht versehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich will noch einmal ein Beispiel anführen. Für einen Beamten in der Besoldungsgruppe A 6, der im Durchschnitt 2.300 Euro verdient, sind 360 Euro viel Geld. Für einen Beamten, der in B 6 eingruppiert ist, sind bei einem durchschnittlichen Gehalt von über 8.000 Euro  360 Euro eher wenig. Von daher gesehen haben wir einen Vorschlag gemacht, der beides in den Blick nimmt: auf der einen Seite die mittleren und unteren Einkommensgruppen finanziell besserzustellen und auf der anderen Seite zu sagen, die, die gute Gehälter bekommen, können angesichts der Lage des Haushalts etwas länger warten.

Das ist auch der Appell, irgendwann zu einer Diskussion über eine Dienstrechtsreform zu kommen. Wir sollten uns eigentlich einig sein, dass wir den einfachen Dienst abschaffen. Das betrifft noch über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich glaube, der „einfache Dienst“ hat sich überlebt. Wir sollten ihn in der nächsten Runde der Dienstrechtsreform endlich abschaffen uns die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den mittleren Dienst überführen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine verantwortungsvolle Oppositionspolitik, wie wir sie verstehen, hat an der Stelle zum Inhalt, zu versuchen, zwei Dinge miteinander in Einklang zu bringen: Auf der einen Seite sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Einkommensentwicklung teilhaben. Auf der anderen Seite dürfen wir die Haushaltslage des Landes und der Kommunen natürlich nicht aus dem Blick lassen.

Ich will Ihnen ein paar Parameter zum Haushalt nennen, damit man sieht, dass wir es uns nicht leicht gemacht haben. Wenn man einen solchen Vorschlag macht, darf man nicht sagen: Wir nehmen den Haushalt des Landes Hessen aus dem Blick. – Die Verschuldung des Landes liegt bei über 40 Milliarden Euro. Wir geben allein für Zinsen 1,5 Milliarden Euro aus. Die Nettoneuverschuldung beträgt in diesem Jahr über 2 Milliarden Euro, obwohl wir gute Wirtschaftsdaten haben. Wir haben Personalausgaben in Höhe von 7,8 Milliarden Euro. Sie steigen bis 2015 auf 8,33 Milliarden Euro.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man sich diese Zahlen vergegenwärtigt und weiß, dass – je nachdem, wie es gerechnet wird – zwischen 40 und 45 Prozent des Haushalts Personalkosten sind, dann darf man nicht einfach beschließen, 180 Millionen Euro mehr auszugeben, wenn man den Haushalt ordentlich im Blick haben und Verantwortung für zukünftige Generationen wahrnehmen will. Von daher war ein ausgewogener Vorschlag gefordert – ich glaube, das haben wir als Fraktion auch erfüllt – , der sowohl den Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerecht wird als auch den Haushalt im Blick hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man darf nämlich die Zukunft der nächsten Generationen nicht verfrühstücken. Da unterscheiden wir uns ausdrücklich von den Kolleginnen und Kollegen anderer Fraktionen im Hause. Man darf nicht einfach per Beschluss 180 Millionen Euro mehr ausgeben, ohne zu sagen – das betone ich –, wo diese 180 Millionen Euro herkommen.

Unser Vorschlag, die Einmalzahlung für alle Beamtinnen und Beamten und für den einfachen und mittleren Dienst die prozentuale Erhöhung vorzuziehen und in 2012 auch den gehobenen Dienst einen Monat vorziehen, das verursacht Kosten in einer Größenordnung von 39 Millionen Euro. Wir haben aber Vorschläge gemacht, wie man diese 39 Millionen Euro erbringen kann, nämlich durch Änderungen im Bereich der Beihilfe. Das sind übrigens keine Vorschläge, die wir zum ersten Mal machen, sondern wir legen schon seit drei Haushaltsberatungen Vorschläge vor, wie man die hessischen Bestimmungen für die Beihilfe an die anderer Bundesländer bzw. an die Verordnung des Bundes angleichen kann. Wir haben gesagt, bei der Chefarztbehandlung kann man etwas machen. Die muss auch ein gesetzlich Versicherter extra absichern. Das gilt auch für den Anspruch auf Unterbringung in einem Zweibettzimmer. Den muss ein gesetzlich Versicherter zusätzlich absichern. Ich meine in dem Zusammenhang aber auch die absurde Situation, dass es vorkommen kann, dass die Leistungen aus der Beihilfe und die Erstattungen durch die PKV zusammen 105 % einer zu bezahlenden Rechnung ausmachen. Alle diese Dinge müssen auf den Prüfstand. Dazu haben wir Vorschläge gemacht. Wir haben uns eben nicht hinter die Fichte verkrochen, sondern wir haben ganz klar gesagt, wo wir das Geld hernehmen wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, dass man eine Diskussion darüber führen sollte – die Kolleginnen und Kollegen der SPD haben das ja beantragt –, dass im Bereich der Beihilfe zum Teil Leistungen erbracht werden – teilweise mehr, teilweise weniger –, die sich von den Vorgaben in anderen Landesbeihilfeverordnungen und in der Bundesbeihilfeverordnung unterscheiden. Ich bin sehr für eine solche Diskussion. Aber wenn Sie vorgeschlagen, die Zahlungen an Beamte, die in einer gesetzlichen Krankenversicherung sind, neu zu ordnen, dann treffen Sie wirklich die, die sich nicht mehr entscheiden können, ob sie von der gesetzlichen in die private Versicherung wechseln. Das sind über 8.000 Versorgungsempfänger. Für die würde das eine erhebliche Mehrbelastung bedeuten. Es würde auch über 8.000 Beamte treffen, die noch im aktiven Dienst sind. Deshalb plädieren wir an diesem Punkt dafür und haben in der Landespersonalkommission dafür geworben, dass man das an das Ministerium zurückgibt und noch einmal überprüft. Eine solche Änderung kann man den Leuten nämlich nicht von heute auf morgen zumuten. Da braucht man lange Übergangsfristen, da braucht man Auslauffristen. Unser Vorschlag wäre, dass in dieses System keine Leute mehr aufgenommen werden, dass man aber die alten Versicherungsverhältnisse auslaufen lässt.

Von daher sage ich: Über die Beihilfe kann man mit uns durchaus diskutieren. Ich finde es aber schon eine ziemliche Chuzpe, wenn sich der Kollege Rentsch und der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion in eine Pressekonferenz setzen und zu unserem Vorschlag sagen, das, was wir im Bereich der Beamtenbesoldung vorlegen, sei ein Täuschungsmanöver, weil wir das schließlich über die Beihilfe zurückholen würden.

Präsident Norbert Kartmann:

Die Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege.

Jürgen Frömmrich:

Ich bin gleich fertig. – Sie haben gesagt, das sei ein Täuschungsmanöver. Es ist in der Tat ein Täuschungsmanöver von Ihrer Seite, weil Sie im Gegensatz zu uns einen wesentlich umfangreicheren Änderungskatalog im Bereich der Beihilfe vorgelegt haben, als wir das jemals getan haben. Sie haben auf Nachfragen von Journalisten gesagt, Sie planten keine Änderung. In der Tat war das das Gegenteil der Wahrheit. Die Landesregierung hat nämlich schon vor längerer Zeit lange der Landespersonalkommission Vorschläge für eine Änderung vorgelegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben einen Vorschlag vorgelegt, der sowohl die Einkommensentwicklung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch die Lage des Haushalts des Landes Hessen im Blick hat. Von daher gesehen glaube ich, unser Vorschlag ist der bessere, der ausgewogenere, der sozial machbarere. Es tut mir sehr leid, dass Sie unseren Vorschlag im Innenausschuss abgelehnt haben. Wenn das in der dritten Lesung auch so läuft, dann werden wir Ihrem Gesetzentwurf die Zustimmung nicht geben können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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