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01.03.2011
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Regierungserklärung des Innenministers „Sicherheit – Garant unserer Freiheit“

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es freut mich, dass sich der Kollege Greilich auf das freut, was ich vorzutragen habe. Ich habe eben zur Frau Kollegin Faeser gesagt, was uns unterscheidet: Bei Frau Kollegin Faeser freuen Sie sich immer, dass Sie sie sehen, und bei mir freuen Sie sich, wenn Sie mich hören.

(Heiterkeit – Zurufe von der CDU und der FDP)

– Ich habe damit nicht angefangen. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Vorstellung, die der Kollege Greilich hier gegeben hat, war schon beeindruckend.

(Demonstrativer Beifall bei der FDP)

Es war schon sehr erstaunlich, wie Sie über ehemalige Grundbestandteile liberaler Politik hinweggegangen sind, was die Bürgerrechte angeht, was die Freiheitsrechte angeht. Alle diese Rechte zählen bei dieser FDP nichts mehr. Dass Sie sich in diesem Maße selbst entlarven, Herr Kollege Greilich, ist schon sehr erstaunlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben ihre Rede mit einer Replik auf das begonnen, was Frau Faeser gegenüber der Presse erklärt hat. Schon da habe ich gedacht, dass diese Rede so enden wird, wie vieles bei Ihnen endet, dass nämlich Arroganz Inhalt ersetzt. Ich würde mir aber wirklich wünschen, dass wir uns über gewisse Punkte inhaltlich unterhalten, dass Sie hier nicht immer nur versuchen, beim den Themen Kennzeichenlesegeräte und Videoüberwachung hier die schnelle Nummer zu machen, sondern dass wir wirklich einmal darüber diskutieren, dass dies eigentlich tief greifende Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte der Menschen in diesem Lande sind. Früher war die FDP die Partei, die sich für die Wahrung von Grund- und Freiheitsrechten eingesetzt hat und darauf stolz war. Das vermissen wir in der Tat bei der FDP im Hessischen Landtag.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch der Start der Regierungserklärung des Innenministers hat mich ein bisschen gewundert. Verehrter Herr Innenminister, ich hatte das Gefühl, dass Sie ziemlich unter Erfolgsdruck gestanden haben, weil die Stahlhelme in der ersten Reihe Ihrer Fraktion aufmarschiert waren und man hören wolle, was der Nachfolger von Volker Bouffier im Bereich der Innenpolitik zu sagen hat. Leider ist es aber so, dass auch Debatten über die Innenpolitik und über die innere Sicherheit mittlerweile absolut ritualisiert geführt werden. Es ist inzwischen so, dass die CDU immer dann, wenn Wahlen im Bundesland Hessen anstehen, wenn also die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande zur Urne gebeten werden, reflexartig das Thema innere Sicherheit für sich entdeckt.

Der Innenminister hat versucht, den Eindruck zu erwecken, als sei die Opposition nur daran interessiert, zu kritteln und die Zahlen schlechtzureden. Herr Innenminister, Sie haben auch versucht, aus der Presseerklärung meiner Fraktion zu zitieren. Sinnerfassendes Lesen ist ja eine Sache, die zumindest die Kultusministerin zu vermitteln hat; aber wenn Sie die ersten Sätze der Presseerklärung lesen, müssten auch Sie erkennen, dass wir geschrieben haben: Die GRÜNEN im Hessischen Landtag begrüßen die sinkende Kriminalität und die steigende Aufklärungsquote in der heute vorgestellten Kriminalstatistik. – Herr Innenminister, daran, dass Sie das nicht erkannt haben, kann man sehen, wie einseitig, wie eingeengt Sie sind. Sie wollen das gar nicht lesen. Sie wollen die Auseinandersetzung. Sie wollen keine inhaltliche Auseinandersetzung, sondern Sie wollen im Vorfeld der Kommunalwahl Wahlkampf machen. Das wird Ihnen aber nicht gelingen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es steht zwar schon in der Presseerklärung, aber ich sage es gerne noch einmal – im Übrigen: bei der Vorstellung der letzten Kriminalstatistik habe ich Ähnliches gesagt –: Es ist gut, dass die Kriminalitätsbelastung der Bevölkerung in Hessen gesunken ist. Es freut auch uns, dass es im letzten Berichtszeitraum 5.000 Straftaten weniger gab als im Berichtszeitraum 2008/2009. Es ist gut, dass es eine hohe Aufklärungsquote gibt: 58,3 Prozent sind ein guter Wert. Das ist aber kein Spitzenwert, Herr Innenminister, obwohl Sie das in der Öffentlichkeit behaupten. Herr Innenminister, Sie sind ja auch für den Sport zuständig. Platz 7 ist eben kein Spitzenplatz. Das müssten Sie endlich zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Innenminister, man braucht doch hoffentlich nicht darüber zu streiten, dass sich alle in diesem Hause freuen, dass die Zahl der Straftaten in Hessen sinkt und die Aufklärungsquote steigt. Aber eines ist doch auch klar, Herr Innenminister: Sie sollten die Kirche im Dorf lassen – um es mit den Worten eines Altkanzlers zu sagen – und die hessischen Zahlen in die Zahlen der anderen Bundesländer einordnen. Hessen ist nicht auf einem Spitzenplatz, was die Aufklärungsquote angeht. Hessen ist bestenfalls Mittelmaß. Hessen steht – ich habe es eben schon gesagt – auf Platz 7 im Vergleich der Bundesländer für das Jahr 2009.

Herr Innenminister, wenn Sie die Kriminalitätsstatistik 2010 und die Kriminalitätsstatistik 2009 des Bundes vergleichen, sehen Sie, dass das Bundesland Hessen immer noch auf Platz 7 steht. Das heißt, auch die anderen Bundesländer haben offensichtlich in diesem Bereich zugelegt – nicht nur CDU-regierte Länder. Ich will Ihnen die Zahlen im Einzelnen nennen; vielleicht nehmen Sie sie dann zur Kenntnis. Thüringen steht mit einer Aufklärungsquote von 65,1 Prozent auf Platz 1. Bayern steht mit einer Aufklärungsquote von 63,9 Prozent auf Platz 2, Rheinland-Pfalz mit einer Aufklärungsquote von 62,3 Prozent auf Platz 3. Auf Platz 4 folgt Niedersachsen mit einer Aufklärungsquote von 60 Prozent. Mecklenburg-Vorpommern hat eine Aufklärungsquote von 59,6 Prozent. Auf Platz 6 finden wir Baden-Württemberg mit einer Aufklärungsquote von 59,4 Prozent. Erst auf Platz 7 steht das Bundesland Hessen mit einer Aufklärungsquote von 58,7 Prozent. Herr Innenminister, das sind die Fakten, wenn Sie die Aufklärungsquoten bundesweit vergleichen. Reden Sie bitte nicht davon, dass Hessen bei der Aufklärungsquote einen Spitzenplatz einnehme. Wir sind Mittelmaß, und das sollten Sie der Öffentlichkeit auch so sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Innenminister, bei der Häufigkeitszahl greifen Sie einfach eine Zahl und behaupten: Wenn man unter 7.000 ist, dann ist man gut. – Das sagen auch Kriminalisten. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. An dem Punkt brauchen wir uns nicht zu streiten. Es gibt andere Punkte, da können wir uns trefflich streiten. Aber auch hinsichtlich der Häufigkeitszahl nimmt Hessen keinen Spitzenplatz ein. Bayern steht mit einer Häufigkeitszahl von 5.073 auf Platz 1. Es folgen Baden-Württemberg mit 5.387 und Thüringen mit 6.116. Erst dann kommt das Bundesland Hessen mit 6.629 Fällen, bezogen auf 100.000 Einwohner.

(Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

– Das ist Platz 4. Auch das ist kein Spitzenplatz. Noch einmal der Hinweis an Sie als Sportminister. Im Wintersport sagt man: Wenn man auf dem „Stockerl“ ist, also wenigsten Platz 3 hat, dann ist man in der Spitzengruppe. Der Platz 4 gehört nicht mehr zu Spitzengruppe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Fast alle Bundesländer – um auch das noch einmal einzuordnen – hatten im Vergleich zu 2008/2009 höhere Aufklärungsquoten. Herr Kollege Klee, verehrter Herr Vorsitzender des Innenausschusses, das ist erfreulich. Ich bin im Übrigen gespannt, wie die PKS 2010 auf Bundesebene aussehen wird. Noch einmal: Lassen Sie die Kirche im Dorf, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen. Ich bin sehr dafür, dass wir an diesem Punkt die unterschiedlichen inhaltlichen Herangehensweisen diskutieren, aber Sie sollten hier nicht den Versuch unternehmen, die Statistiken so auszulegen, wie Sie es gerade brauchen. Frau Kollegin Faeser hat vorhin angesprochen, dass Sie die eindeutige Zunahme der Zahl der Straftaten in gewissen Bereichen ganz einfach verschwiegen haben. So sollten Sie mit Statistiken nicht umgehen, Herr Innenminister.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Noch eines, weil Sie mit Verve auf die ehemalige rot-grüne Regierung geschimpft und einen Vergleich zu den Aufklärungsquoten unter der alten Regierung gezogen haben: Wir reden hier immerhin über eine anderes Jahrhundert. Sie haben 1999 die Regierung übernommen. Dass Sie sich immer noch an diesen Regierungen abarbeiten müssen, spricht für sich. Herr Innenminister, auch da sollten Sie von Ihrem hohen Ross herunterkommen.

Als Frankfurter kennen Sie den ehemaligen Oberbürgermeister Frankfurts und späteren Hessischen Ministerpräsidenten Walter Wallmann: 1991, am Ende der Regierung Wallmann/Gerhardt – das war bekanntlich eine CDU/FDP-Regierung –, hatten wir eine Aufklärungsquote von 38,8 Prozent. Diese Zahl lassen Sie sich jetzt bitte auf der Zunge zergehen; das war nämlich nicht unter Rot-Grün.

Wenn Sie sich also auf die Neunzigerjahre berufen und sozusagen einen Vergleich mit alten Zeiten anstellen, bitte ich Sie, doch auf die Verantwortung zu verweisen, die Sie seinerzeit hatten. Herr Innenminister, mit einer Aufklärungsquote von 38,8 Prozent sehen Sie da nämlich relativ schlecht aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Fakt ist auch, dass wir in den zehn Jahren von 1990 bis 2000 eine Steigerung der Aufklärungsquote um 10 Prozent hatten: von 38,4 Prozent auf 48,6 Prozent. Zwischen 2000 und 2010 gab es wiederum eine Steigerung der Aufklärungsquote um fast 10 Prozent. Bleiben Sie also auf dem Teppich, und nehmen Sie die Zahlen so, wie sie sind. Es sind keine Zahlen, die Ihnen zu Jubelorgien Anlass geben sollten.

Herr Innenminister, ein eher jämmerliches Bild geben Sie ab – ich weiß, dass Sie in der Auseinandersetzung auch anders können –, wenn Sie davon reden, die Opposition habe kübelweise Dreck über die hessische Polizei ausgegossen. Es zeugt von einer ziemlichen Chuzpe, wenn man das hier so vorträgt. – Das ist der erste Punkt.

Ich sage ganz deutlich – vielleicht auch zum Mitschreiben –: Wir haben die Landesregierung kritisiert. Wenn es darum geht, die Führungskultur innerhalb der Polizei und den Umgang mit dem Personal zu kritisieren, ist das nicht gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerichtet, sondern wir meinen die Landesregierung. Herr Innenminister, das ist Ihre ureigene Verantwortung. Tun Sie nicht so, als ob wir hier die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschimpfen würden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Ja, wir haben Probleme mit der Führung und im Umgang mit Konflikten in der Polizei. Das ist hinlänglich bekannt. Herr Innenminister, es ist unsere Aufgabe, diese Schwierigkeiten anzusprechen. Ihr Problem ist es, dass Sie wieder Ursache und Wirkung verwechseln.

Herr Innenminister, Sie haben doch, noch als Staatssekretär – auch im Innenministerium –, auf dem Gewerkschaftstag der GdP von Problemen in der Führungskultur der hessischen Polizei gesprochen. Das waren Sie. Sie wurden nicht genötigt, darüber zu reden. Vielmehr haben Sie sich entschlossen, über die mangelnde Führungsqualität zu sprechen. Herr Innenminister, das haben Sie aus freien Stücken getan, eben weil es Probleme in der Führungskultur der hessischen Polizei gab. Es war also nicht die böse Opposition, sondern Sie waren derjenige, der das auf dem Gewerkschaftstag vorgetragen hat.

Sie haben den Landespolizeipräsidenten Nedela hinausgeschmissen. Warum denn? Haben Sie ihn hinausgeschmissen, weil alles gut war, weil alles in Ordnung war, weil es keine Probleme gab und weil Sie Herrn Nedela mehr Freizeit verschaffen wollten? Warum haben Sie den Landespolizeipräsidenten entlassen? Sie haben ihn entlassen, weil es offensichtlich Probleme gegeben hat. Das ist doch nichts, was die Opposition für sich reklamieren muss. Sie sagen, dass wir kübelweise Dreck über die Polizei ausschütten. Dabei haben Sie den Landespolizeipräsidenten entlassen. Es ist doch geradezu grotesk, deswegen die Opposition zu beschimpfen.

Sie persönlich haben die LKA-Präsidentin von ihren Aufgaben entbunden und ins Innenministerium befördert

(Allgemeine Heiterkeit)

– nein, beordert. Auch das war nicht die böse Opposition. Sie haben sie doch nicht zurückbeordert, weil die Mitglieder der Opposition so schöne Augen haben, sondern Sie haben das getan, weil es in diesem Zusammenhang offensichtlich Probleme gab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich will das noch einmal in Erinnerung rufen; denn es wird so getan, als redeten wir über Lappalien: Wir reden über ernsthafte Vorwürfe gegen eine Frau auf der obersten Führungsebene der hessischen Polizei. Es stand der Vorwurf im Raum, dass gezielt gemobbt wird, dass vor Gericht uneidliche Falschaussagen gemacht wurden und dass von der ehemaligen Vizepräsidentin des Polizeipräsidiums Frankfurt und späteren LKA-Präsidentin Unschuldige verfolgt wurden. Herr Innenminister, das sind doch keine Lappalien, und es sind auch keine Kübel voll Dreck, die die Opposition über die Polizei ausschüttet, sondern das sind ernsthafte Probleme. Sie wären gut beraten, wenn Sie endlich die Probleme angingen, statt laufend die Opposition zu beschimpfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch das ist ein Vorwurf, den Sie sich gefallen lassen müssen: Das wurde zuerst lange Zeit geleugnet. Das haben nicht Sie gemacht – da muss ich Sie ausnahmsweise in Schutz nehmen –, sondern dafür war der jetzige Ministerpräsident verantwortlich. Dann wurde es kleingeredet, später wurde es vertuscht, und erst, als es nicht mehr zu halten war, waren es wiederum Sie als Innenminister, verehrter Herr Rhein, der sich das zu Herzen genommen und einen Beauftragten für die hessische Polizei berufen hat. Das hat auch nichts damit zu tun, dass die Opposition kübelweise Dreck ausschüttet, sondern es sind Sie, die auf diese Art und Weise gehandelt haben.

Wenn man sich diese Probleme einmal nacheinander anschaut, erkennt man, dass sie nicht von der Opposition herbeigeredet worden sind, sondern dass es um eklatante Probleme auf der Führungsebene der hessischen Polizei ging. Sie haben gehandelt, weil es diese Probleme gab, und nicht etwa, weil die Opposition kübelweise Dreck über die Polizei ausgeschüttet hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Anstatt die Opposition zu beschimpfen, sollten Sie sich lieber einmal fragen, was für ein Haus Ihnen Ihr Vorgänger hinterlassen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wer war eigentlich Staatssekretär in diesem Haus?)

Verehrter Herr Innenminister, ich stimme dem, was Sie zur Kriminalstatistik gesagt haben, ausdrücklich zu, nämlich dass die Polizistinnen und Polizisten in Hessen hervorragende Arbeit leisten. Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, wenn Sie sagen, die Bilanz sei zugleich die Bilanz jedes einzelnen Polizeibeamten in Hessen. Es stimmt nämlich in der Tat: Die Polizei leistet gute Arbeit – aber nicht wegen, sondern trotz dieser Landesregierung, Herr Innenminister.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie schwelgen in Erinnerungen und verweisen auf die alten Zeiten unter Rot-Grün: alte Autos, alte Schreibmaschinen. Ich wundere mich, dass Sie behaupten, die Computertechnologie hätte eingeführt werden müssen, als sie eigentlich noch gar nicht für den Einsatz bereit war. Ich kann mich noch an Atari-Computer und an all das, was es sonst noch gegeben hat, erinnern.

Aber das ist etwas, was Sie machen sollten. Herr Innenminister, wie toll Sie beim Einsetzen moderner Elemente sind, erkennt man an der Einführung des Polizeifunks. Sie können doch froh sein, dass die alten Gurken von Funkgeräten noch funktionieren; denn eigentlich sollten wir schon seit 2006 in Hessen einen Digitalfunk haben. Aber Sie schaffen es wegen Ihres dilettantischen Vorgehens im Innenministerium nicht, diesen Polizeifunk endlich in Hessen zu implementieren. Das sind die Probleme, um die Sie sich einmal kümmern sollten, statt die Opposition im Hessischen Landtag zu beschimpfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Eines muss auch klar sein, wenn Sie auf die Vergangenheit rekurrieren – ich hatte Sie eigentlich als jemanden gesehen, der nach vorne schaut; aber vielleicht muss man nach hinten schauen, um dann den Blick nach vorne richten zu können –: Einer der größten Reformschritte bei der hessischen Polizei war die Einführung der zweigeteilten Laufbahn. Herr Innenminister, Rot-Grün hat die zweigeteilte Laufbahn in Hessen gegen den erbitterten Widerstand des damaligen CDU-Landesvorsitzenden und Innenministers Manfred Kanther eingeführt. Das war ein Reformprojekt von Rot-Grün. Das sollten Sie nicht immer verschweigen, wenn Sie über alte Autos und alte Schreibmaschinen reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP): Jetzt wieder etwas von heute!)

– Herr Kollege Rentsch, ich weiß, dass Ihnen das nicht passt. Aber dieser Innenminister hat über die Vergangenheit geredet: über das Jahr 1990 und über die Verantwortung von Rot-Grün. Dann müssen Sie es sich auch gefallen lassen, dass wir sagen, wie es seinerzeit war und wer mit den großen Reformen in der hessischen Polizei angefangen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Der Herr Innenminister hat stichwortartig das Thema Videoüberwachung angesprochen.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

– Ja, der Herr General ist auch wieder da; man hört es. Der Generalsekretär der hessischen CDU funktioniert so, weil der ehemalige Generalsekretär der CDU sozusagen als Souffleuse neben ihm sitzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte etwas zu dem Stichwort Videoüberwachung sagen.

Wir wollen keine Videoüberwachung des gesamten öffentlichen Raums. Es gibt Stellen, an denen es durchaus sinnvoll sein kann, Videoüberwachung zu haben. Das gilt beispielsweise für Bahnhöfe, Flughäfen und U- und S-Bahnstationen. Auch an dem einen oder anderen öffentlichen Platz mag das sinnvoll sein. Dann sollte das aber zeitlich befristet und deutlich gekennzeichnet sein. Das ist im Übrigen auch eine Forderung des Hessischen Datenschutzbeauftragten.

Wir wollen nicht, dass an jeder Hausecke eine Videokamera hängt. Der allergrößte Teil der Menschen sind nämlich unbescholtene Bürgerinnen und Bürger, die wir nicht der Maßnahme der staatlichen Videoüberwachung aussetzen wollen. Herr Innenminister, das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Denn Sie stellen die Nutzung dieses Instruments permanent in den Raum.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Innenminister, Sie haben das selbst gesagt. Ich glaube, wenn man ruhiger über dieses Thema redet, wird man feststellen, dass es einen Unterschied zwischen dem Verhindern der Straftaten und dem nachträglichen Aufklären der Straftaten gibt. Dabei geht es auch um die Frage der Einsätze. Ist es so, dass durch die Videoüberwachung die Kriminalität tatsächlich zurückgeht? Lassen Sie das doch bitte einmal empirisch untersuchen. Da gibt es durchaus unterschiedliche Erfahrungen.

Da geht es um die Verlagerung der Delikte in andere Gebiete, etwa in Wohnquartiere. Ob wir das unbedingt wollen, ist auch zu fragen.

Herr Innenminister, da sollte nicht schwarz-weiß gemalt werden. Vielmehr sollte auch in dem Bereich, bei dem es wirklich um tiefgreifende Eingriffe in Grundrechte für unbescholtene Bürgerinnen und Bürger geht, vielleicht einmal mit weniger Schaum vor dem Mund, aber dafür mit mehr Inhalt diskutiert werden. Dazu rate ich.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Es wundert mich schon, dass die Kolleginnen und Kollegen der FDP dazu gar nichts mehr gesagt haben. Ich glaube, dass wir uns hinsichtlich der Videoüberwachung in guter Gesellschaft befinden. Ich sage das noch einmal ausdrücklich: Wir befinden uns da in Gesellschaft des Datenschutzbeauftragten, in der Gesellschaft der Bürgerrechtler und in Gesellschaft von Menschen wie Gerhard Rudolf Baum, Burghard Hirsch oder Hildegard Hamm-Brücher. Das alles sind ehemalige Urgesteine der FDP, die sich heute umdrehen würden, wenn sie sehen würden, wie Sie mit den Grund- und Freiheitsrechten der Menschen umgehen.

Im Übrigen wird die Videoüberwachung auch innerhalb der Bevölkerung sehr unterschiedlich diskutiert. Viele Bürgerinnen und Bürger wollen gerade diese Form der Überwachung nicht an jeder Ecke und nicht in jedem öffentlichen Raum haben. Herr Innenminister, lassen Sie uns daher differenziert darüber reden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Ich komme jetzt auf das Stichwort „Kennzeichenlesegeräte“ zu sprechen. Auch da ist vielleicht ein Blick hinsichtlich dessen, was dahinter steht, angezeigt.

Ja, auch da sehen wir die Dinge in der Tat anders. Im Übrigen befinden wir uns auch da in guter Gesellschaft. Wir befinden uns da nämlich in der guten Gesellschaft der Richter des Bundesverfassungsgerichtes. Wenn Sie sich einmal anschauen würden, wie das Bundesverfassungsgericht seinerzeit geurteilt hat, würden Sie das vielleicht entdecken.

Ich möchte zitieren. Das Bundesverfassungsgericht sagt:

Die automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen darf nicht

– die Betonung liegt auf dem folgenden Wort –

anlasslos erfolgen oder flächendeckend durchgeführt werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist im Übrigen nicht gewahrt, wenn die gesetzliche Ermächtigung die automatisierte Erfassung und Auswertung von Kraftfahrzeugkennzeichen ermöglicht, ohne dass

– aufpassen –

konkrete Gefahrenlagen oder allgemein gesteigerte Risiken von Rechtsgutgefährdungen oder -verletzungen einen Anlass zur Einrichtung der Kennzeichenerfassung geben.

Wir befinden uns also in guter Gesellschaft, nämlich der der Richter des Bundesverfassungsgerichtes. Es hat für den Einsatz der Kennzeichenlesegeräte relativ enge Grenzen gesetzt. Sie sollten doch einmal zu dem, was Sie im Jahr 2009 ins Gesetz geschrieben haben, etwas zur Kenntnis nehmen. Ich kann mich noch daran erinnern: Der ehemalige Innenminister und heutige Ministerpräsident hat damals auf die Entgegnung unserer Fraktion gesagt: Das ist alles Quatsch. Es ist alles Unsinn, was die Fraktion hier vorträgt. Das, was ich vorlege, ist verfassungskonform.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gesetz, das Sie 2009 verabschiedet haben, wurde vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Das war eine krachende Niederlage. Sich hierhin zu stellen und so zu tun, als könnten alle, die gegen Kennzeichenlesegeräte sind oder die zu den Kfz-Lesegeräten eine differenzierte Auffassung haben, nicht mehr ganz klar denken, ist geradezu absurd. Meine Damen und Herren, Sie sollten sich vielleicht einmal genauer die Grundzüge der Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage anschauen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel und Nancy Faeser (SPD) – Zuruf)

– Verehrter Herr Justizminister, es ist schön, dass Sie sich zu Wort melden.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber auch da kann man sagen, dass der Gesetzentwurf natürlich nichtig war, weshalb wir im Jahr 2010 eine weitere Anhörung hatten. In dieser weiteren Anhörung wurde dieser Themenkomplex wieder eindringlich diskutiert. Meine Damen und Herren, das, was Sie als Gesetz verabschiedet haben, entspricht eben nicht den Regeln, die das Bundesverfassungsgericht aufgeschrieben hat. Ich will noch einmal daran erinnern, dass das Bundesverfassungsgericht sagt, dass der Einsatz anlassbezogen sein muss. Außerdem muss es zur Abwehr konkreter Gefahrenlagen angeordnet werden.

Gleichzeitig kann man in der Presseverlautbarung des Innenministeriums Folgendes lesen. Dort steht geschrieben:

Die Kennzeichen-Scanner würden jetzt auch nicht mehr rund um die Uhr, sondern zeitlich begrenzt und punktuell an Brennpunkten wie Ein- und Ausfallstraßen eingesetzt, wo durchreisende Straftäter erfahrungsgemäß durchkämen.

Das entspricht nicht dem Prinzip, das das Bundesverfassungsgericht für den Einsatz der Kennzeichenlesegeräte eingeführt hat. Von daher haben wir bei dieser Frage eine sehr kritische Haltung. Wie ich schon gesagt habe, befinden wir uns da in guter Gesellschaft. Wir lehnen diese Art des tiefen Eingriffs in die Bürger- und Freiheitsrechte ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns ist innere Sicherheit kein Selbstzweck. Ein Höchstmaß an Sicherheit für die Menschen zu gewährleisten ist ein hohes Gut. Das muss aber so geschehen, dass die Bürger- und Freiheitsrechte der Menschen geringstmöglich eingeschränkt werden. Hier die richtige Balance zu finden ist die Kunst. Diese Debatte ist es wert, geführt zu werden.

Es hilft aber nicht, jeden Tag eine andere Sau hinsichtlich der Sicherheitspolitik durch den Ort zu treiben, wie Sie es mit Videoüberwachung, Kennzeichenlesegeräte, Online-Durchsuchung und der Quellen-Telekommunikationsüberwachung tun. Ich habe damit nur einiges von dem genannt, das Sie in den letzten Jahren debattiert und eingeführt haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Einsatz all dieser technischen Mittel stellt starke und vom Bundesverfassungsgericht auch so festgestellte Eingriffe in die Grundrechte dar. Die Frage, die sich stellt, ist doch, ob die Abwehr einer Gefahr solche Eingriffe in die Grundrechte rechtfertigt. Für diese Eingriffe hat das Bundesverfassungsgericht hohe Hürden aufgestellt.

Ich erinnere noch einmal an den Satz von Benjamin Franklin. Den sollten wir uns öfters auf der Zunge zergehen lassen.

Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.

Dieser Satz hat nach wie vor Gültigkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Zur FDP habe ich schon einiges gesagt. Ich wollte eigentlich nur, damit es im Protokoll steht, auch noch die Presseerklärung der FDP zu diesem Thema erwähnen. Aufgrund der fortgeschrittenen Redezeit tue ich das jetzt nicht. Aber das ist schon einigermaßen erstaunlich. Der eine oder andere sollte das vielleicht einmal auf der Internetseite nachlesen.

Herr Kollege Greilich, die FDP spielt sich wirklich nur noch zur Schutzmacht derjenigen auf, die Ihrer Partei wohlgesonnen sind. Für das, für das Sie früher eingetreten sind, nämlich für die Menschen und für die Bürger- und Freiheitsrechte, stehen Sie schon lange nicht mehr ein. Das kann man aus Ihrer Erklärung sehr gut ableiten.

Das entspricht auch der Tradition. Jörg-Uwe Hahn war seinerzeit der Anführer der Truppe innerhalb der FDP, die den großen Lauschangriff durchgesetzt haben. Das geschah gegen den erklärten Willen der ehemaligen Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger. Das hat auch dazu geführt, dass Frau Leutheusser-Schnarrenberger dann zurückgetreten ist. Wer das weiß, weiß, dass die Bürger- und Freiheitsrechte bei der FDP in Hessen keine große Rolle spielen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf zum Abschluss meiner Rede noch einen Punkt aufgreifen, den Herr Innenminister, so finde ich, sehr fragwürdig vorgetragen hat. Dabei geht es um die Frage des Personalaufbaus und des Personaleinsatzes.

Herr Innenminister, ich finde allen Ernstes, da sollten Sie einmal die Kirche im Dorf lassen. Ich will Ihnen zugestehen, dass im letzten Jahr 550 Anwärter eingestellt wurden. Das geschah auch in dem vorhergehenden Jahr. Herr Innenminister, ab dem Jahr 2008 wurde das gemacht.

Aber Sie verschweigen immer gern, dass wir im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ einen Abbau von ca. 1.000 Stellen bei der hessischen Polizei hatten. Sie haben ca. 600 Stellen bei den Tarifbeschäftigten abgebaut. Wenn Sie sich dann einmal die Statistik anschauen, was die Ruhestandsversetzungen auf der einen Seite und die Einstellungen auf der anderen Seite angeht, dann will ich Ihnen kurz einmal sagen, wie das seit 2003, nämlich seit der „Operation düstere Zukunft“ – –

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Frömmrich, das müsste jetzt sehr kurz sein, weil die Redezeit um ist. Also bitte Schlusssatz.

Jürgen Frömmrich:

Ich habe es befürchtet, Herr Präsident. Ich will das auch tun. – Von 2003 bis 2010, obwohl Sie in den Jahren von 2008 bis heute 550 eingestellt haben, per saldo ein Minus von 178 Stellen.

(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Rechnen Sie die 1.200 aus der „Operation düstere Zukunft“ hinzu, rechnen Sie die 600 Tarifbeschäftigten dazu, Herr Innenminister, dann ist es wirklich ein schlechter Scherz, wenn Sie sich hier vorne hinstellen und uns erzählen, dass bei der Polizei zusätzliche Stellen geschaffen worden seien. Das ist nicht so.

Sie sollten in der inneren Sicherheit vielleicht weniger auf Sprechblasen vertrauen und mehr die inhaltliche Auseinandersetzung suchen. Dazu sind wir gern bereit, insbesondere zu der Frage der Balance von innerer Sicherheit und Bürger- und Freiheitsrechten. Aber das wollen Sie gar nicht; denn diese ganze Regierungserklärung steht nur deshalb auf der Tagesordnung, weil am 27. März in Hessen Kommunalwahlen sind. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke sehr, Herr Frömmrich.

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