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07.10.2009
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir zum Thema: Breitband-, Internet- und Medienaktivitäten der Landesregierung

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage streift sehr, sehr viele Themenfelder. Was die Frage der Medienkompetenz angeht, hat Herr Siebel schon einiges gesagt. Ich will aber auch sagen, Frau Wolff, dass es bei der Frage der Internetkommissariate bei den Polizeipräsidien sehr wahrscheinlich keinen Streit gibt.

Ich will nun zu den Punkten kommen, die aus meiner Sicht die besonderen Herausforderungen sind, die in dieser Großen Anfrage abgefragt wurden und wo man an den Antworten ablesen kann – man hat das auch an den Redebeiträgen von Frau Wolff und Herrn Lenders gemerkt –, dass es hier noch viel zu tun gibt und die Landesregierung und die Mehrheitsfraktionen des Landtags – aus meiner Sicht leider– , bisher verkannt haben, was die Aufgaben sind, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen werden bzw. was schon jetzt hätte erfüllt werden müssen, um den Ist-Stand auch nur einigermaßen erträglich zu gestalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Wolff, ich unterhalte mich gerne mit Ihnen über die Frage der Freiheit des Internets. Das ist eine spannende Debatte, aber ich finde, dass das, was wir hier debattieren, eine Frage der Infrastruktur ist. Wir reden – das ist vielleicht die einzige Kategorie, die Sie verstehen – über das Internet wie über Straßen. Dass Straßen manchmal auch von Verbrechern in Autos benutzt werden, spricht nicht gegen Straßen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Man hat Ihrer Rede angemerkt, dass Sie offensichtlich nicht verstanden haben, welche dramatischen Umwälzung, auch in der Wirtschaftsstruktur, gerade geschehen und wie sehr gerade im ländlichen Raum – der ländliche Raum fängt manchmal schon in der Großstadt an, auch da gibt es unversorgte Bereiche – die Frage, ob man Zugang zu wirklich leistungsfähigem Breitbandinternet hat, für den wirtschaftlichen Erfolg von unglaublicher Bedeutung ist.

Herr Lenders hat gesagt, es sei alles in bester Ordnung. Frau Wolff, Sie haben gesagt, alles sei in bester Ordnung. Ich sage Ihnen, nichts ist in Ordnung. Im März hat der Wirtschaftsminister auf eine Mündliche Frage hier im Plenum gesagt, dass von 2008 bis 2013 2,3 Millionen Euro für das Breitbandinternet vom Land Hessen bereitgestellt werden sollen. Sie haben offensichtlich selbst gemerkt, dass das ein Witz ist, wenn Sie das einmal mit dem vergleichen, was eigentlich nötig ist. Wir haben 97 Gemeinden – der Kollege Görig hat es schon gesagt –, mit Ortsteilen ohne Zugang zum Internet. Wenn wir „ohne Zugang“ sagen, dann reden wir von einer Verbindungsrate von unter 1MBit/s. Das heißt, selbst wenn Sie eine Versorgung mit 1Mbit/s schaffen und dann nach bisheriger Definition eigentlich keine weißen Flecken mehr haben, müssen wir uns doch klarmachen, dass VDSL in den Großstädten inzwischen mit 50 MBit/s arbeitet, dass Sie also selbst dann, wenn Sie einen 1-MBit-Zugang haben, in Situationen kommen werden, wo in der Zukunft bestimmte Anwendungen nicht mehr möglich sind. Im März hat Wirtschaftsminister Posch gesagt, für 2008 bis 2013 sind 2,3 Millionen Euro für das Internet vorgesehen. Der Staatssekretär im Wirtschaftministerium hat in der kursorischen Lesung in dieser Woche gesagt, dass im selben Zeitraum dieselbe Regierung für den Landesstraßenbau 1 Milliarde Euro ausgeben will. Ich denke, deutlicher kann man nicht machen, dass Sie offensichtlich in Ihrer wirtschaftspolitischen Vorstellung von dem, was Fortschritt ist, im letzten Jahrhundert stehengeblieben sind, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEB)

– Herr Grüttner, es ist schön, dass Sie von der Regierungsbank dazwischenrufen, was Sie eigentlich nicht dürfen, aber das gibt mir Gelegenheit, Folgendes zu sagen. Am 3. Januar – das war vor der Wahl – war in der „FAZ“ zu lesen, dass Sie zum Stichwort Konjunkturpakete gesagt haben: Es könnten 50 Millionen Euro in das Breitbandkabelnetz für schnelle Internetverbindungen in den ländlichen Regionen gesteckt werden. – Wissen Sie, was davon übriggeblieben ist? In der „Frankfurter Rundschau“ vom 23. Juli steht: Das Land unterstützt ein Projekt im Werra-Meißner-Kreis mit 750.000 Euro und außerdem ein Modellprojekt in Hofbieber. – Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierung und von den Regierungsfraktionen, dann verlieren wir den Anschluss an zukunftsfähige Wirtschaftsmöglichkeiten in diesem Bundesland. Wer das nicht versteht, der zeigt, dass er von vorgestern ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir haben, was den demografischen Wandel angeht, in bestimmten Bereichen des Landes in der Zukunft große Probleme. In Zukunft wird es nicht nur um die Frage gehen, was ein Haus kostet, es wird nicht nur um die Frage gehen, welche Schulen in der Umgebung sind, es wird nicht nur um die Frage gehen, wie die Verkehrsinfrastruktur aussieht, sondern die Frage wird auch sein – die wird auch jetzt schon gestellt –: Welche Zugangsrate hat der Internetanschluss? Wenn Sie dann in bestimmten Regionen sagen müssen: „Ein schlechte“, oder „Gar keine“, dann werden sich der demografische Wandel und damit die Probleme, die wir schon jetzt haben, verschärfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Es ist jetzt schon einiges vorgelegt worden – Stichwort: Leerrohrprogramm. Ich glaube, dass ein paar Leute immerhin schon verstanden haben, was für ein Problem wir da haben. Aber ich wünsche mir, dass dies nicht nur von ein paar Leuten verstanden wird, die vielleicht in den zuständigen Referaten der Ministerien sitzen, sondern dass auch die Regierung und die Regierungsfraktionen endlich begreifen, dass sie mit einer Wirtschaftspolitik à la Schorsch Leber – nach dem Motto: möglichst viele Autobahnenanschlüsse überall – im Jahr 2009 im wahrsten Sinne des Wortes vor die Wand fahren werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein zweiter Punkt ist in diesem Zusammenhang ganz wichtig. Die Landesregierung blendet bei den Medienaktivitäten bisher völlig aus, dass wir im Rhein-Main-Gebiet eine große Chance haben, was die Kreativwirtschaft, die Medien, die Spieleentwicklung und die Software mit allem, was dazugehört, angeht.

Auch da ist es aus meiner Sicht völlig falsch, wenn man sich immer nur vorstellt, die Wirtschaftspolitik bestehe darin, möglichst viele und möglichst breite Stücke Beton in die Landschaft zu gießen. Ich glaube, Sie müssen sich einfach einmal vergegenwärtigen – der Kulturwirtschaftsbericht hat es gezeigt –, dass wir im Rhein-Main-Gebiet schon vor drei Jahren fast 50.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in der sogenannten Kreativwirtschaft hatten. Es hat lange gedauert, bis die Stadt Frankfurt – einer ist jetzt hierhin gewechselt – das verstanden hat, und es dauert offensichtlich noch ein bisschen länger, bis die Landesregierung das ganze Potenzial endlich wahrnimmt, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen.

Deswegen glaube ich, dass die Antwort auf die Große Anfrage eines gezeigt hat: Diese Landesregierung hat an bestimmten Punkten großen Nachholbedarf, was die Modernität von Wirtschaftspolitik und die Medienaktivitäten angeht. Wenn wir in diesem Schneckentempo weitermachen – anders kann man es nicht nennen –, können wir das digitale Zeitalter, in dem wir uns befinden, für uns nicht so nutzen, wie wir es eigentlich müssten.

Dritter Punkt. Ich wünsche mir, dass diese Große Anfrage die Leute in den Ministerien, die dazu veranlasst wurden, sie zu beantworten, auch weiterhin animiert und dass sie dann, nach „oben“ gewandt sagen: Liebe Leute, wir haben da ein Problem; wir müssen mehr tun.

Ich fordere ausdrücklich nicht insgesamt mehr Geld. Aber schauen Sie sich einmal an, wie viel Geld für das Landesstraßenbauprogramm ausgegeben wird: 150 Millionen € in diesem Jahr und 150 Millionen Euro im nächsten Jahr. Dann führen Sie sich einmal vor Augen, was dieselbe Regierung – dieselbe Mehrheit – in derselben Zeit für das Breitband macht. Sie werden feststellen, dass es so wirklich nicht weitergehen kann. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Herr Kollege Al-Wazir

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