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06.02.2014

Tarek Al-Wazir: Aktuelle Stunde – Hessischen Energiegipfel nicht gefährden – Bundesminister Gabriel muss Pläne für das Erneuerbare-Energien-Gesetz anpassen

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in den letzten drei Tagen viel über die Frage geredet worden, ob immer noch die gleichen Reden gehalten werden wie im letzten Landtag. Ich stelle fest: Herr Kollege Rock hält noch die gleichen Reden wie im letzten Landtag. Da hat es zwischendurch Wahlen gegeben, und das Ergebnis der FDP ist bekannt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben gestern Abend schon debattiert. Ich will noch einmal ausdrücklich bekräftigen: Die Energiewende ist eines der zentralen Vorhaben der Hessischen Landesregierung in dieser Legislaturperiode. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt – ich glaube, diesem Ziel müssten sich fast alle anschließen können –, dass das Ziel eine sichere, umweltschonende, bezahlbare und gesellschaftlich akzeptierte Energieversorgung für Bürgerinnen und Bürger, für Mittelstand und Industrie sein muss. Dass wir dafür die richtigen Rahmenbedingungen schaffen müssen, das ist völlig klar. Dazu gehört eben auch eine grundlegende Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Die Eckpunkte, die Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel im Bund vorgeschlagen hat, sind aus unserer Sicht eine durchaus interessante Diskussionsgrundlage. Sie enthalten prinzipiell durchaus geeignete Instrumente zur Optimierung der Marktintegration der erneuerbaren Energien. So weit stimmen wir mit der Bundesregierung ausdrücklich überein.

Herr Kollege Gremmels, wir wissen, dass viele Menschen an diesen Vorschlägen gearbeitet haben. Ich kenne auch einen grünen Staatssekretär, den Sie angesprochen haben, der auch an bestimmten Punkten gearbeitet hat. Ich kenne Sigmar Gabriel nun nicht so gut wie Sie, aber ich weiß, dass er am Ende schon Wert darauf legt, dass er das verantwortet, was er vorlegt, und dass er am Ende auch dafür gesorgt hat, dass die Eckpunkte so geworden sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Ich will hinzufügen, es ist unglaublich wichtig, dass die Regelungen bei den Ausnahmetatbeständen geändert werden. Sie wissen – Herr Kollege Rock, da waren Sie nicht ganz unbeteiligt –, dass wir inzwischen eine Situation haben, dass die EU das als Beihilfe ansieht, und dass die Ge- fahr droht, dass die gesamten Ausnahmetatbestände als Beihilfe angesehen werden.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Wenn das passieren würde, hätten wir ein wirkliches Problem. Das muss auf jeden Fall verhindert werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir glauben, dass es richtig ist, sich auf die kostengünstigsten Technologien zu fokussieren – das sind die Wind- kraft und inzwischen auch die Fotovoltaik –, und dass das zu einer Stabilisierung der EEG-Umlage führen würde. Wir glauben aber, dass trotz dieser richtigen Grundansätze der Vorschlag der Bundesregierung Punkte beinhaltet, die aus hessischer Sicht absolut kritisch zu bewerten sind und die zu Nachteilen für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien gerade in unserem Bundesland führen könnten.

Das betrifft insbesondere die Vergütung für Windkraftanlagen im Binnenland. Wenn die vorgeschlagene Vergütungsabsenkung so käme, dann würde dies dazu führen, dass insbesondere die Energiewende in den hessischen Mittelgebirgsregionen gebremst oder unterbunden wird. Die bisherige Ausbauplanung – das muss man in dem Zusammenhang auch sagen – für diese Gebiete erfordert in absehbarer Zeit keinen Netzausbau. Das würde zu einer signifikanten Kostenreduktion und auch zu einer verbesserten Wirtschaftlichkeit solcher Projekte führen. Ich sage Ihnen ausdrücklich: Diese Wirtschaftlichkeit wäre allerdings infrage gestellt, wenn die für eine Förderung maßgebliche Mindestwindgeschwindigkeit bzw. der sogenannte Referenzertragswert so weit abgesenkt würde, wie es das Eckpunktepapier der Bundesregierung bisher vorsieht.

Um das sehr deutlich zu machen: Wenn eine Beschränkung auf Standorte käme, die einen Referenzertragswert von 75 oder gar 77,5 Prozent erfüllen, dann würde das bedeuten, dass von den derzeit in Mittelhessen diskutierten Vorrangflächen nur noch ungefähr 42 Prozent realisiert werden könnten. Bei den in Nordhessen diskutierten Vorrangflächen wären es nur noch 30 Prozent.

Was das an Entwertung der Arbeit bedeuten würde, die in den Regionen in den letzten zwei Jahren in die Erarbeitung genau dieser Vorrangflächen gesteckt wurde, das muss ich Ihnen, glaube ich, nicht deutlich machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Herr Minister, ich weise darauf hin, dass die Redezeit der Fraktionen abgelaufen ist.

Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – In der Konsequenz müssten wir zur Erreichung des 2-Prozent-Ziels die Ausweisung von Windvorrangflächen in sensiblere Bereiche lenken, die bisher aus Natur- und Artenschutzgründen in den Planentwürfen weitgehend freigehalten wurden. Das kann nicht in unserem Interesse sein.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Der zweite Punkt, der dringend geändert werden muss, ist der Stichtag. Wenn es so käme, dass wirklich nur noch die Anlagen nach dem derzeit gültigen EEG gefördert werden könnten, die am 22. Januar immissionsschutzrechtlich genehmigt waren, dann würde das das Aus für die meisten derzeit in Planung befindlichen Projekte bedeuten. Ein solcher Bruch des Vertrauensschutzes kann nicht im Interesse von uns sein. Da sind viele Planungen drin, da sind Stadtwerke drin, da sind Projektentwickler drin, da sind Bürgergenossenschaften drin, die seit Jahren teilweise schon die Vogelschutzgutachten in Auftrag gegeben haben, wo man ein ganzes Jahr beobachten muss. Es kann nicht sein, dass man diesen Investoren sagt: Ihr habt euer Geld zum Fenster herausgeworfen. – Hier brauchen wir dringend eine Änderung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Entweder muss man diesen Stichtag streichen, oder man muss ihn so verstehen, dass zu diesem Zeitpunkt nicht die Genehmigung vorgelegen haben, sondern der Antrag gestellt worden sein muss. Das würde die meisten Probleme, die da entstehen würden, heilen.

Ich glaube, dass wir uns an diesem Punkt sehr ausführlich einbringen müssen. Wir müssen uns auch bei dem Punkt Eigenstrom einbringen. Es ist völlig klar, dass weiterhin ein solidarisches Prinzip gelten muss, völlig richtig. Allerdings sehen wir gerade bei der Fotovoltaik ein Problem. Wir sehen auch teilweise bei Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ein Problem. Da gibt es durchaus Diskussionsbedarf.

Ich habe gesagt – das ist mein letzter Punkt, Frau Präsidentin –, es geht jetzt darum, die EEG-Umlage zu stabilisieren. Herr Rock, in Zukunft werden wir die EEG-Umlage senken. Wenn wir sie senken wollen, müssen wir zwei Punkte machen. Erstens brauchen wir wieder einen funktionierenden Emissionshandel. Denn solange der Abstand zwischen der Vergütung und dem Börsenstrompreis so dramatisch niedrig ist, so lange wird die EEG-Umlage steigen, selbst wenn überhaupt keine zusätzlichen Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien mehr gebaut würden. Das ist ein Problem, das geregelt werden muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Zweitens. Wir werden ab 2020 Anlagen haben, die aus der Förderung fallen. Auch dann wird die EEG-Umlage wieder sinken.

Die spannende Frage ist: Wie werden wir einen sinnvollen Umgang mit den Förderzusagen der Vergangenheit finden? Kann man Modelle entwickeln, wie man das sozusagen untertunnelt,

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

ohne in Zusagen einzugreifen? Diese beiden Fragen sind Punkte, die uns nach der jetzigen Diskussion über die EEG-Novelle weiter beschäftigen.

Sie werden sehen, uns wird die Arbeit an diesem Punkt nicht ausgehen. Aber ich glaube, die Energiewende ist ein so großes Projekt, dass Sie alle daran mitarbeiten werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)