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22.07.2015

Sigrid Erfurth: Hessisches Gleichberechtigungsgesetz

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schaus hat mir eben zugerufen, ich würde das jetzt rechtfertigen. – Ich brauche nichts zu rechtfertigen. Ich bin durchaus stolz, dass die schwarz-grüne Koalition heute diesen Gesetzentwurf vorlegen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dieser Gesetzentwurf bringt wirklich substanzielle Verbesserungen. Frau Kollegin Schott, ich kann Ihnen nur empfehlen, den Gesetzentwurf noch einmal in Ruhe zu lesen. Manche Formulierung erschließt sich nicht beim ersten Lesen. Es ist klug gewählt, was wir hier formuliert haben. Manche Formulierung wird sich vielleicht auch im Laufe der Zeit in Gänze auswirken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Wagner, ja, manche werden es vielleicht auch nie verstehen. – Wir haben ein Fraktionsgesetz auf den Weg gebracht, weil wir uns das Ziel gesetzt haben, dass dieses Gesetz noch bis zum Ende des Jahres im Gesetzesblatt veröffentlicht wird, damit die Frauenbeauftragten wissen, auf welcher Grundlage sie nächstes Jahr arbeiten. Dabei ist uns schlicht die Zeit davon gelaufen, das kann man durchaus zugeben. Deswegen ist es ein Fraktionsgesetzesentwurf geworden. Wir haben in Kooperation und in enger Abstimmung mit dem Sozialministerium gearbeitet. Dafür bin ich auch dankbar, denn manche Daten hatten wir noch gar nicht, weil die Evaluation noch ausstand. Von daher ist das kein Geheimnis, und wir machen auch keines daraus. Wir gehen damit ganz offen um.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Das neue Gesetz hat einen ganz klaren Kompass. Ich will Ihnen noch einmal die drei Schwerpunkte nennen: Wir wollen mehr Frauen in Führungspositionen haben. Wir wollen, dass Frauen und Männer mit Familienaufgaben dies mit ihrer Karriere unter einen Hut bringen können. Außerdem wollen wir die Rechte der Frauenbeauftragten stärken.
Das sind drei sehr anspruchsvolle Zielsetzungen, die sich so leicht dahersagen, die aber die Grundlinien sehr klar umreißen. Daran haben wir den Gesetzentwurf ausgerichtet.

Außerdem haben wir besonders darauf hingewirkt, dass die Belange von Frauen mit Behinderungen besonders in den Fokus genommen werden. Wir haben zudem in den Grundsätzen des Gesetzentwurfs festgehalten, dass das Prinzip des Gender Mainstreaming künftig das Leitprinzip in der öffentlichen Verwaltung sein soll. Das wird nicht alle Dienststellen sofort mit hundertprozentiger Freude erfüllen. Sie werden auch nicht alle sagen: Jawohl, das machen wir sofort und morgen. – Ich bin mir aber sehr sicher, dass das auf Dauer die Führungskultur verändern wird. Die Führungskultur in den Dienststellen wird nämlich auf Dauer so angelegt werden, dass tatsächlich auch Frauen in Führungsposition kommen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben das Prinzip der Entgeltgleichheit im Gesetzentwurf verankert und auch die paritätische Gremienbesetzung. Frau Gnadl, wir haben auch den Geltungsbereich des Gesetzes für ausgegliederte Unternehmen erweitert. Sie werfen uns vor, das hätten wir nicht ausreichend gemacht. Ich erwidere: Ich freue mich, dass wir es hinbekommen und für ausgegliederte Unternehmen eine Chance eröffnet haben, die Grundsätze des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes da anzuwenden, wo Kommunen oder andere öffentliche Dienststellen Unternehmen ausweiten. Das haben wir mit Augenmaße gemacht. Ich finde, das ist der richtige Weg, mit Augenmaß und nicht mit der Brechstange. Damit wird niemand verschreckt, und wir können darauf hinwirken, dass sich die Grundsätze des Gesetzes langsam aber auch sicher verbreiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, es gibt sehr viele gute Beispiele in dem Gesetzentwurf, die ich Ihnen in der Kürze der Zeit gar nicht alle aufzählen kann. Ich will mich auf zwei Punkte konzentrieren, nämlich auf die Bereiche Frauen in Führungspositionen und Stärkung der Rechte der Frauenbeauftragten.

Etwas mehr als die Hälfte der Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung sind Frauen. Ihr Anteil nimmt allerdings ab, je höher die Führungsebene aussieht. Das ist so etwas wie kommunizierende Röhren. Frau Gnadl, Sie haben leider auch schon immer darauf hinweisen müssen. Das ist auch so. Daran gibt es nichts wegzudiskutieren. Je höher die Führungsebene, desto weniger stark die Frauendichte. Da gibt es unbestritten Handlungsbedarf, da müssen wir ansetzen. Wir müssen erreichen, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen.

Dabei muss man um die Instrumente streiten. Sie sagen: Wir müssen grundsätzlich immer die Frau bevorzugen. – Wir sagen: Das hat schon einmal nicht geklappt. Das hat schon einmal dazu geführt, dass ein Gesetz verfassungswidrig wurde. Wir wollen am bewährten Instrument festhalten: Bei gleicher Eignung werden Frauen bevorzugt. Das machen wir auch weiter so. Das ist der rechtssicherere Weg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Außerdem wollen wir den bewährten Frauenförderplan als zentrales Instrument erhalten, wir haben aber neue Maßnahmen dazugestellt, die eine geschlechtergerechte Personalentwicklung gewährleisten soll. Wir bieten einen ganzen Strauß von Maßnahmen an. Ich will nur wenige herausgreifen, mit denen man geschlechtergerechtere Personalführung in Zukunft machen kann.

Dabei geht es zum Beispiel um die Erprobung der Führung in Teilzeit oder um eine geschlechtergerechtere Personalkostenbudgetierung, oder die Veränderung des Beurteilungswesens unter Anerkennung der Erwerbsbiografie von Männern und Frauen. Das sind neue Instrumente. Wenn sich Dienststellen trauen, diese Instrumente anzuwenden, dann werden wir auch eine ganz andere Personalstruktur bekommen. Damit haben wir einen zukunftsweisenden Weg in der Personalführung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Für uns GRÜNE war es ein sehr zentrales Anliegen, dass Frauenbeauftragte und Gleichstellungsbeauftragte so gestärkt werden, dass sie in ihrer Funktion noch besser werden und ihre Arbeit noch besser erfüllen können. Dazu haben wir gemeinsam mit den Kollegen von der CDU eine Vielzahl kleiner Stellschrauben ausgemacht, von denen ich jetzt nur ein paar herausstellen möchte.

Ja, Frauenbeauftragte dürfen sich künftig direkt an das Sozialministerium wenden. Frau Schott, was Sie da so kleinreden, war ein großes Anliegen der Frauen, die mit uns gesprochen haben. Sie haben beispielsweise gesagt: Wenn wir mit unserem Bürgermeister oder unserer Bürgermeisterin nicht gemeinsam in einen Topf kommen, dann ist es Ende im Gelände. Wir dürfen noch nicht einmal das Sozialministerium anrufen. – Das ist eine praktische Hilfestellung, wie man einem Anliegen gerecht werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Wir haben uns bei der Freistellung der Frauenbeauftragten darauf geeinigt, Sie klarer zu regeln. Das schafft Rechtssicherheit. Außerdem bekommen die Frauenbeauftragten ein Organklagerecht. Frau Gnadl, so, wie es das auch im Bundesrecht und in den Ländergesetzen von Berlin, Bremen, Thüringen und Brandenburg gibt. Das, was Sie als erweitertes Recht haben wollen, gibt es nach meiner Kenntnis bisher in noch keinem anderen Bundesland.

(Zuruf der Abg. Lisa Gnadl (SPD))

Hessen ist damit unter den Flächenländern West wegweisend. Wir führen dieses Organklagerecht in unser Hessisches Gleichberechtigungsgesetz ein. Wir sind uns sicher, dass die Frauenbeauftragten es mit großem Fingerspitzengefühl anwenden und es nur dann nutzen werden, wenn es nicht mehr anders geht. Es ist eine wirksame „Waffe“ in der Hand der Frauenbeauftragten, wenn sie ihre Rechte nicht anders durchsetzen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Von daher freue ich mich auf die Anhörung und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth.

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