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27.11.2014

Sigrid Erfurth: Aktuelle Stunde - Leere Worte der Hessischen Landesregierung reichen nicht gegen Gewalt gegen Frauen

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon eine besondere Tragik, dass wir heute, kurz vor der Aktuellen Stunde, die Nachricht entgegennehmen mussten, dass die junge Frau Tugce, die sich mutig für andere Frauen eingesetzt hat, ihr mutiges Handeln wahrscheinlich mit dem Leben bezahlen wird. Die Angehörigen sind in großer Trauer bei ihr. Ich glaube, wir können sagen: Auch wir trauern um ein neues Opfer, das mit Gewalt an Frauen zu tun hat.

(Allgemeine Zustimmung)

Man merkt daran sehr deutlich: Gewalt gegen Frauen ist alltäglich und ein hoch aktuelles Thema. Frauen sind überproportional häufig von sexueller Nötigung, Vergewaltigung sowie psychischer und physischer Gewalt betroffen. Es gibt Studien, die besagen, dass rund 40 Prozent aller Frauen in ihrem Leben mindestens einmal von körperlicher oder sexueller Gewalt betroffen sind. Das ist erschreckend und unerträglich.

Gewalt gegen Frauen hat ganz unterschiedliche Ausprägungen und Facetten. Sie können nicht alle mit staatlichen Mitteln bekämpft werden. Ich glaube, das ist uns klar. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Dialog. Es geht auch darum, wie groß der Stellenwert ist, den wir Frauen zumessen und der ihnen zugemessen wird.

Es geht dabei um ganz persönliches Handeln und um das Bewusstsein in der Öffentlichkeit. Wer macht sich schon klar, dass das zotige Witzchen, das man einmal in geselliger Runde reißt, auch ein Zeichen struktureller Gewalt gegen Frauen sein kann. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn junge Frauen in der Runde sitzen oder wenn abhängig beschäftigte junge Frauen in der Runde sitzen. Wenn man dann noch den Schenkelklopfer erntet und die Angesprochene rot anläuft und ganz verschämt zu Boden blickt, dann sind auch das Anfänge struktureller Gewalt gegen Frauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie Abgeordneten der CDU)

Frau Kollegin Ravensburg hat davon gesprochen: Ganz perfide sind diese aktuell angebotene Aufreißseminare, mit denen ein selbst ernannter Pick-up-Artist durch die Lande reist und den Männern beibringen will, wie sie es denn schaffen, ganz schnell eine Frau zu sexuellen Handlungen zu zwingen. Jenseits aller staatlichen Repressalien finde ich es furchtbar, dass diese Seminare nach Angaben der Firma auch noch ausverkauft sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der LINKEN)

Ich frage mich, was das für Typen sind, die da hingehen und sich beibringen lassen, wie man ganz schnell eine Frau aufreißt, damit sie das tut, was man gerne hätte. Was ist das für ein Frauenbild, das da vermittelt wird? Ich finde, dem sollten wir ganz entschieden entgegentreten.

Ich bin sehr froh, dass die Frauendezernentin Sarah Sorge, unsere ehemalige Kollegin im Landtag, gemeinsam mit einer breiten zivilgesellschaftlichen Allianz in Frankfurt dagegen vorgehen will. Ich hoffe sehr, dass die Gespräche mit der DEHOGA erfolgreich sein werden, damit sich Hoteltüren nicht für eine solche Veranstaltung öffnen.

(Allgemeiner Beifall)

Wir hatten zu Beginn dieser Woche den Aktionstag von Terre des Femmes „Nein zu Gewalt an Frauen“.

Viele haben sich daran beteiligt, wir auch. Aber es darf nicht bei Aktionstagen bleiben. Frau Schott, da haben Sie völlig recht. Wir müssen auch tatsächlich handeln. Deshalb haben wir uns in der schwarz-grünen Koalition ganz bewusst dafür entschieden, auch mit dem Hessischen Sozialbudget ein deutliches Zeichen gegen Gewalt an Frauen zu setzen.

Sie können das im vorliegenden Haushaltsentwurf doch nachvollziehen. Frau Ravensburg hat es teilweise schon gesagt. Wir werden die Mittel für die Frauenhäuser nahezu verdoppeln. Sie haben recht, das wird kommunalisiert. Es wird eine Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass die Mittel dann auch bei den Frauenhäusern ankommen und nicht in den kommunalen Haushalten zur Schuldendeckung verwendet werden. Das ist die Aufgabe, die jetzt noch vor uns liegt. Ich bin mir sicher, wir werden sie lösen.

Wir werden die Arbeit der Interventionsstellen, die von Gewalt betroffene Frauen beraten, verstärken und weiterentwickeln. Wir werden das Netzwerk der Beratungsstellen für Opfer sexueller Gewalt ausbauen.

Wir werden den Landesaktionsplan zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt, der gute Ansätze hat, weiterentwickeln. Auch das ist ganz wichtig: Es muss auch präventive Angebote und Arbeit mit den Tätern geben, damit Gewalt gegen Frauen nicht weiterhin vorkommt.

Wir müssen auch die Kinder und die Jugendlichen in den Blick nehmen. Denn bei Kindern, die unseren ganz besonderen Schutz brauchen, gibt es, wenn sie häusliche Gewalt erfahren haben, eine Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst Täter werden oder dass sie später wieder Opfer häuslicher Gewalt werden.

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin Erfurth, Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Sigrid Erfurth:

Wir müssen sie stärker schützen. Frau Schott, es bleibt also nicht bei leeren Worten. Die Mitglieder der Koalitionsfraktionen wissen, dass Handlungsbedarf besteht. Wir werden die Landesregierung mit unserer Zustimmung zum Haushaltsentwurf auch dabei unterstützen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin Erfurth, vielen Dank. –

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